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Grösste Herausforderung der modernen Astronomie

Künstlerische Interpretation von Alpha Centauri B und seines Planeten. Unten links der Stern Alpha Centauri A. Der hellste Stern oben rechts ist unsere Sonne – in etwas über 4 Lichtjahren Entfernung. Reuters

Es ist nicht die Welt aus dem Film "Avatar", doch sie dreht sich um Alpha Centauri, unseren Nachbarstern. Dieser heisse Planet ist der neue Star unter den Exoplaneten, deren Entdeckung eine grosse Herausforderung ist. Schweizer sind Pioniere in diesem Fach.

«Die Wissenschaft der Exoplaneten ist jener Bereich der aktuellen Astronomie, der am schnellsten wächst», heisst es auf der Website des Astronomischen Instituts der Universität Cambridge.

Hier, wo Isaac Newton lehrte, wird Didier Quéloz demnächst seine Arbeit beginnen – er, der vor 17 Jahren einer der Entdecker von 51 Peg b war, dem ersten entdeckten Planeten, der um einen anderen Stern als um unsere Sonne kreiste.

Im Oktober 1995, als er an der Universität Genf an seiner Doktorarbeit in Astrophysik arbeitete, konnte er zusammen mit seinem damaligen Professor Michel Mayor die vermutlich wichtigste Entdeckung seit der kopernikanischen Revolution verkünden. Seither wissen wir, dass der Himmel nicht nur voller Sterne ist, sondern dass auch Milliarden von Planeten existieren.

«Universalis»

«Es ist mehr als ein Boom. Die Wissenschaft der Exoplaneten ist eine regelrechte Flutwelle», freut sich Quéloz. «Denn heute ist man sich bewusst, dass diese Disziplin über die Astrophysik hinausgeht. Sie interessiert Geologen, Atmosphärenphysiker, Biologen. Wir arbeiten in einem neuen, grossen Forschungsthema, das sich noch weiter ausweiten wird.»

Mit 46 Jahren verlässt der Forscher nun die Schweiz in Richtung England, um «seinen Bereich in Europa auszuweiten, wo die Forschung ein phänomenales Ausmass annimmt». Trotzdem will er weiterhin zu 25% in Genf lehren.

«Das passt gut zum Geist der Universität, universalis«, erklärt er. «Man bleibt nicht allein in seiner Blase, sondern versucht, Brücken zu schlagen, um eine stimulierende Dynamik zu erhalten, den Austausch mit Studierenden, einen Ideenaustausch, gemeinsame Programme. Die Wissenschaft hat immer schon Grenzen überschritten.»

Während er darauf wartete, in Cambridge eine grosse Exoplaneten-Forschungsgruppe zu übernehmen, war Quéloz auch Mitautor eines Artikels, der am 17. Oktober in Nature erschienen ist und die neuste Entdeckung des Genfer Teams ankündigte.

Weitere bedeutende Mitautoren waren Michel Mayor, Francesco Pepe, der Vater des Spektrographen HARPS, und Willy Benz von der Universität Bern, Verantwortlicher für das geplante Weltraum-Teleskop CHEOPS. Hauptautor allerdings war Xavier Dumusque, auch er ein Doktorand, wie es Didier Quéloz 1995 war. Die Nachfolge ist also gesichert.

«Pandora» im Backofen

Zusammen mit seinen Kollegen beschreibt der junge Forscher den kleinsten und zugleich nächsten Extrasolaren Planeten, der bis heute entdeckt wurde.

Man hatte diesen bereits längere Zeit im System Alpha Centauri gesucht, jenen drei Sternen, die sich nur 4,3 Lichtjahre entfernt von der Sonne entfernt befinden (trotzdem 40’000 Milliarden Kilometer entfernt) und wo die Macher des Films «Avatar» ihren mit Bäumen überwachsenen Planeten «Pandora» situiert haben.

Alpha Centauri Bb ist nur wenig grösser als die Erde. Ein Federgewicht im Vergleich zu den Super-Jupiters, welche die meisten anderen Exoplaneten sind. Je leichter ein Planet ist, desto kleiner sind die Veränderungen der Laufbahn, mit denen sein Stern auf ihn reagiert. Und dies macht eine Entdeckung umso schwieriger. Um diesen Exoplaneten zu entdecken, waren drei Jahre an Beobachtungen und Messungen nötig.

Doch die Chancen, auf diesem Planeten auf riesige Bäume oder blaue Humaniden zu stossen, sind gleich Null: Der Planet umkreist seinen Stern in 3,2 Tagen, und das in einer Distanz von lediglich sechs Millionen Kilometern, also zehnmal näher, als Merkur um die Sonne kreist. Das führt zu höllenähnlichen Temperaturen, einer Welt aus geschmolzener Lava.

Doch es könnte in seiner Nähe auch noch andere Planeten geben. Man weiss heute, dass Planeten oft als Familien um einen Stern herum entstehen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der Stern Alpha Centauri B ein ganzes Planetensystem besitzt. Doch je weiter sie vom Stern entfernt sind, desto schwieriger sind Planeten aufzuspüren.

HARPS, CHEOPS und die anderen

Man stösst hier bereits an die Grenzen der gegenwärtigen Instrumente. Doch mit HARPS haben die Schweizer Forscher der wissenschaftlichen Gemeinschaft den Rolls Royce der Spektrographen erbaut.

Dieses 2003 an einem europäischen Teleskop in La Silla, Chile, installierte Instrument ist in der Lage, Bewegungen eines Sterns zu messen, die langsamer sind, als ein Mensch laufen kann.

Und diesen Frühling wurde ein Zwilling von HARPS auf den Kanarischen Inseln in Betrieb genommen, um den Himmel der nördlichen Hemisphäre abzusuchen.

Doch die Methode, mit der Spektrographie die so genannte Radialgeschwindigkeit zu messen, sagt uns noch nichts aus über die Art eines festgestellten Planeten. Um dies herauszufinden, muss der Planet beim Transit vor seinem Stern beobachtet werden (siehe den Film Milliarden Welten zu entdecken, Link dazu rechts). Und genau dies wird die Mission von CHEOPS sein (CHaracterizing ExOPlanet Satellite), dem ersten Schweizer Weltraumteleskop.

Am 19. Oktober hat die europäische Weltraumagentur ESA das Projekt CHEOPS aus 26 eingereichten Vorschlägen ausgewählt, die für das neue Programm von «kleinen» Wissenschaftsmissionen eingereicht worden waren. Das Teleskop soll 2017 losgeschickt werden und 500 Sterne näher untersuchen, von denen man bereits weiss, dass sie von kleinen Planeten umkreist werden.

Anderes Leben im Universum?

Doch was ist die Motivation dieser Forscher, nach Welten zu suchen, die derart weit weg sind, dass niemand diese je zu sehen bekommen, geschweige denn einen Fuss darauf setzen wird? Für Francesco Pepe, der HARPS konzipiert hat, ist es zuallererst «diese Faszination für die Schönheit des Nachthimmels, die Idee der Sterne, von anderen Welten…».

Und anderes Leben? Der Astrophysiker ist «immer mehr davon überzeugt, dass es auch anderswo Leben geben kann. Wenn man bedenkt, dass es 100 Milliarden Galaxien gibt, jede mit etwa 100 Milliarden Sternen, von denen fast jeder von Planeten umkreist wird, habe ich Mühe, zu glauben, dass es nicht irgendwo eine Welt wie die unsere gibt», sagt er.

Auch wenn ein solcher Planet nicht ganz gleich wie die Erde wäre, könnte sich unter etwas anderen Bedingungen wohl auch Leben entwickeln. «Man redet oft so, als ob die Lebensformen auf der Erde die einzig möglichen wären. Doch glücklicherweise hat die Natur mehr Einbildungskraft als wir.» Im Moment sei dies aber nur ein Gefühl. «Den Beweis müssen wir noch erbringen», so Pepe.

Auch Willy Benz, Verantwortlicher für das Projekt CHEOPS, hat diesen Beweis noch nicht, doch ist er persönlich überzeugt davon, dass Leben ausserhalb der Erde existiert. «Für den Moment ist meine Meinung aber nicht mehr wert als jene von irgendjemand anderem», sagt er.

«Niemandem ist es bisher gelungen, Leben zu reproduzieren, auch nicht auf der Erde im Reagenzglase. Die Frage bleibt also offen. Entsteht Leben, wenn die Bedingungen stimmen, oder ist es etwas, das es nur einmal im Universum gibt? In diesem Fall wäre die Frage nach dem ‹Warum?› auch sehr interessant…»

Das «High Accuracy Radial velocity Planetary Search project» ist der beste Spektrograph der Welt. Seit 2003 ist er an ein 3,6 Meter grosses Teleskop des ESO (European Southern Observatory) in La Silla, Chile, angeschlossen, wo der Himmel auf der südlichen Hemisphäre am klarsten ist.

Im Frühjahr 2012 wurde sein Zwilling HARPS-Nord am italienischen Nationalinstitut für Astrophysik auf der Insel La Palma, Kanarische Inseln, ebenfalls an ein 3,6 Meter grosses Teleskop angeschlossen, um den nördlichen Himmel zu beobachten.

HARPS kann Variationen in den Bewegungen von Sternen in der Grössenordnung von 1 km/h feststellen. Die Signatur solcher Bewegungen auf dem Farbenspektrum des Sterns (eine Art Regenbogen aus der Fragmentierung seines Lichts) werden in Milliardstel Metern gemessen. Die Maschine muss sich in einem Vakuum (0,01 Millibar Druck) und in einer auf das Tausendstelgrad gleichbleibenden Temperatur befinden, denn die kleinste Temperatur- oder Druckveränderung kann eine Verzerrung provozieren, die das Hundertfache der gewünschten Messungen beträgt.

Messungen geschehen nicht in einer einzigen Nacht. Da lange Messperioden nötig sind, um einen Planeten zu finden, werden erste Resultate von HARPS-Nord erst in einigen Monaten erwartet.

Dagegen hat das inzwischen HARPS-Süd getaufte Instrument massgeblich dazu beigetragen, dass aus der Gruppe um Michel Mayor am Observatorium von Genf die erfolgreichste der Welt wurde: Ihm verdanken die Forscher die Entdeckung fast der Hälfte der mehr als 830 bis heute festgestellten Exoplaneten.

«Wären wir eine Industrie, könnten wir getrost das Label ‹Made in Switzerland› an HARPS anbringen, auch wenn sie in Zusammenarbeit mit verschiedenen Instituten aus der Schweiz, Frankreich, Italien, Grossbritannien und den USA entstanden sind», sagt Francesco Pepe, der «Vater» der beiden Spektrographen.

«Denn wir haben das Projekt entwickelt, und das Knowhow und die kleinen Details, die den Unterschied zwischen HARPS und anderen Instrumenten machen, stammen aus der Schweiz.»

(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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