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Herausforderung vegane Ernährung: Warum ich mehr «Tech-Food» esse

Frau sitzt am Tisch, mit nachdenklichem Blick
Unsere Journalistin Sara Ibrahim hat auf eine pflanzliche Ernährung umgestellt. Die Umstellung war nicht immer einfach und erforderte in der Küche viel Fantasie und Anpassungsfähigkeit. Es gibt jedoch viele pflanzliche Lebensmittel-Alternativen, die heute auf dem Markt erhältlich sind. Und an originellen und schmackhaften Rezepten herrscht kein Mangel. Helen James / swissinfo.ch

In der Schweiz ist es einfach, auf eine Ernährung mit wenig tierischen Produkten umzustellen: Das Land verfügt über eine grosse Auswahl an vegetarischen und veganen Restaurants und Lebensmittelgeschäften, der Markt für pflanzliche Alternativen zu Fleisch, Fisch und Käse boomt. Die Umstellung unserer Autorin auf eine nachhaltigere Ernährung verlief jedoch weniger reibungslos als erwartet.

Der Entscheid, tierisches Eiweiss fast vollständig aus meinem Leben zu verbannen, kam im Januar 2021 wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ich hatte ein Weihnachtsfest mit chinesischem Fondue, Würstchen und Mascarponecreme überlebt und wollte für all diese Sünden der Völlerei büssen.

Eine entscheidende Lektüre, Yoga und die Pandemie hatten mir die Augen dafür geöffnet, wie sehr das, was auf meinem Teller landet, die Umwelt, meine Gesundheit und das Tierwohl belastet.

Und mit dem Beginn von «Veganuary», der einmonatigen veganen Challenge, an der seit 2014 mehr als zwei Millionen Menschen teilgenommen haben, hatte ich einen weiteren guten Grund, meinen Neujahrsvorsatz umzusetzen.

Als Italienerin war das Essen schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich esse nicht nur, «um satt zu werden»: Gutes Essen ist mindestens genauso wichtig wie ein gutes Buch zu lesen, gute Freunde zu haben, sich geschmackvoll zu kleiden. Zu wissen, wie man isst, bedeutet zu wissen, wie man lebt.

Von klein auf wusste ich jedoch, dass Essen ein doppeltes Gesicht hat: Es hat die Macht, uns ein sehr gutes, aber auch ein sehr schlechtes Gefühl zu geben. Aufgrund einer eher katastrophalen Familiengeschichte mit Diabetes, Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Problemen wurde mir schon früh klar, dass Essen sowohl unser Kreuz als auch unsere Freude ist.

Deshalb hatte meine Mutter schon immer eine Vorliebe für gesundes Kochen. Jahrelang wiederholte sie am Esstisch bis zur Erschöpfung die vorteilhaften Eigenschaften aller Lebensmittel, die wir assen: die Polyphenole im Zimt zur Senkung des Blutzuckerspiegels, das Curcumin in Kurkuma zur Gewichtkontrolle, das Sulforaphan in Kreuzblütlergemüse als Allheilmittel für alle Beschwerden.

Jedes Mal, wenn sie ihren Vortrag hielt, schauten meine Brüder und ich uns an und grinsten. So versuchten wir, sie davon abzulenken, dass wir den bitteren Rosenkohl oder den scharfen Rucola zerkleinerten und unter das Essen mischten, weil wir die sonst nicht gerne essen mochten.

Trotzdem war tierisches Eiweiss ein fester Bestandteil unseres täglichen Speiseplans. Während meiner gesamten Kindheit hat kein Familienmitglied jemals über die Auswirkungen der Ernährung auf die Umwelt und die Tiere gesprochen. So wuchs ich auf, indem ich die Konsequenzen meiner Ernährungsentscheide ignorierte – oder ignorieren wollte.

Klimawandel, Pandemien, Kriege, Bevölkerungswachstum: All diese Phänomene, die unsere Zeit prägen, zwingen uns dazu, unsere Ernährung zu verändern. Immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz und auf der ganzen Welt entscheiden sich für nachhaltigere Lebensmittel.

Dank der Lebensmittel-Technologie ist es endlich möglich, unseren Lebensstil zu ändern, ohne auf die Lebensmittel zu verzichten, die wir lieben. Die Schweiz wird diesen Wandel vorantreiben: Ihre starke Lebensmittel-Industrie und zahlreiche wegweisende Startups prägen bereits Bereiche wie die nachhaltige Proteinforschung und die Präzisions-Landwirtschaft.

In dieser neuen Serie erzählen wir Ihnen von der Reise einer Journalistin auf der Suche nach den innovativsten und interessantesten Lebensmittel-Technologien in der Schweiz.

Ein Gemüseparadies

Meine Umstellung zur Veganerin begann überraschend gut. Die Schweiz ist das Land des Greyerzerkäses, des Trockenfleischs und der Cervelat, der typischen Schweizer Wurst. Doch in den Supermarktregalen – vom Discounter bis zum Bioladen – finden sich interessante Alternativen zu den beliebtesten tierischen Lebensmitteln: Sojaschnitzel, Erdnuss-Brie, Karottenlachs.

In den letzten fünf Jahren hat die Innovation in der Lebensmittel-Industrie es ermöglicht, das Angebot an innovativen Lebensmitteln weiter auszubauen, um die zahlreichen Bedürfnisse zu befriedigen und nachhaltigere Alternativen anzubieten. Es gibt so viele Produkte auf dem Markt, dass ich sie noch nicht alle ausprobiert habe.

Der Markt für alternative Proteine wächst rasant: Er ist heute weltweit mehr als 50 Milliarden Dollar wert und könnte bis 2027 die Marke von 150 Milliarden Dollar übersteigenExterner Link. Verglichen mit dem Fleischmarkt, der bis 2025 von 838,3 Milliarden Dollar (Stand 2020) auf 1157,6 Milliarden anwachsen soll, handelt es sich zwar immer noch um einen Nischenmarkt, aber der erhebliche Zuwachs deutet darauf hin, dass sich die Essgewohnheiten ändern.

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«Pouletflügeli» aus Sojabohnen und Kichererbsen könnten bald auf dem Markt erhältlich sein. Der Schweizer Gigant Nestlé hat Millionen von Dollar in diese rein pflanzliche Lebensmittel-Ttechnologie investiert. Keystone / Cyril Zingaro

In der Schweiz hat sich allein der Verkauf von Fleischersatz-Produkten seit 2016 fast verdoppelt. Mehr als eine von vier befragten PersonenExterner Link gab an, regelmässig pflanzliche Alternativen zu Fleisch, Milch und Käse zu essen.

Viele Menschen haben, so wie ich, ihre Essgewohnheiten bereits auf vegetarische oder vegane Ernährung umgestellt. Laut einer Schweizer UmfrageExterner Link bezeichnen sich heute etwa 4% der Bevölkerung als Vegetarierinnen oder Vegetarier. Nur 0,2% der Männer geben an, einen veganen Lebensstil zu führen. Bei den Frauen sind es 1%.

Generell zeigen die Statistiken, dass sich vor allem junge Menschen, Personen mit höherer Bildung und wohlhabende Familien für eine pflanzliche Ernährung entscheiden. In wohlhabenden Städten vervielfachen sich daher die Möglichkeiten. Ich wohne in Bern, und vegetarisches und sogar veganes Essen kann ich fast überall kaufen, sogar an Strassenständen.

In Zürich ist es noch einfacher. Das Hiltl, 1898 eröffnet, ist das älteste vegetarische Restaurant der Welt. Die Schweiz verfügt auch über eine der höchsten Dichten an vegetarischen Restaurants in Europa. Weitere beliebte europäische Reiseziele für Vegetarierinnen und Vegetarier sind das Vereinigte Königreich, Deutschland und Schweden.

Externer Inhalt

Ich muss zugeben, dass ich anfangs den Geschmack und die Konsistenz von Fleisch und vor allem von Fisch vermisst habe, die ich so gern mochte. Manchmal habe ich nachts davon geträumt.

Aber die vielen Überlegungen zur Ethik und Nachhaltigkeit der Lebensmittel, die ich früher gegessen habe, und das grosse Angebot an pflanzlichen Produkten hatten mich dazu veranlasst, meinen «Veganuary» über den einen Monat hinaus zu verlängern. Ich wollte nicht aufgeben.

Ich wurde auch kreativer in der Küche und lernte, köstliche pflanzliche Versionen der vielen Gerichte zu kochen, die ich liebte: Linsenragout, Pesto Genovese mit Basilikum, Edamame und Nährhefe (statt Parmesan), Spaghetti Carbonara mit Kichererbsen-Mehl und geräuchertem Soja. Meine Haut wurde strahlender und glatter, mein Haar weicher und glänzender. Was könnte ich mir mehr wünschen?

Auf der Suche nach der idealen Ernährung

Nachdem ich mich einige Monate lang vegan ernährt hatte, lief jedoch etwas schief. Ich habe früher viel trainiert, um mich auf einen Marathon vorzubereiten, doch nun hatte ich manchmal grosse Energietiefs. Manchmal wurde mir vor Müdigkeit und Hunger schwindlig, und ich fühlte mich wie betrunken.

An dieses Gefühl war ich nicht gewöhnt. War die vegane Ernährung wirklich so gesund und richtig für mich, wie ich dachte? Oder hatte ich etwas falsch gemacht? Um meine Zweifel zu zerstreuen, kontaktierte ich Alexander Mathys, Leiter des Labors für nachhaltige Lebensmittelverarbeitung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH).

Als wir das erste Mal telefonisch zusammen sprachen, sprudelte es nur so aus Mathys heraus. Mit seinen Kolleginnen und Kollegen diskutiert er ständig über die Nachhaltigkeit und den gesundheitlichen Nutzen verschiedener Ernährungsweisen.

In einer StudieExterner Link verglichen Mathys und sein Forschungsteam verschiedene Ernährungsformen unter ökologischen, ernährungswissenschaftlichen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gesichtspunkten.

Die Studie legte nahe, dass die vegane Ernährung die ökologisch nachhaltigste ist, aber einen Mangel an Nährstoffen wie Vitamin B12, Cholin und Kalzium aufweist. «Wenn wir die Gesamtheit aller Mikro- und Makronährstoffe berücksichtigen, die unser Körper braucht, ist die vegane Ernährung nicht die beste», sagt Mathys.

Die ideale Ernährung, so zeigt die Studie, besteht darin, den Verzehr von Fleisch und Pflanzenölen massiv zu reduzieren. Ausserdem sollte man weniger Getreide, Knollen und Fischprodukte verzehren und dafür mehr Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen, Obst und Gemüse zu sich nehmen.

Dank Mathys und einer Ernährungsberaterin, die ich konsultierte, wurde mir klar, dass ich meinen Konsum von pflanzlichen Proteinen erhöhen musste (etwa, indem ich Sojamilch zu meinem Frühstück hinzufügte) und immer Nüsse als Zwischenmahlzeit oder auf Reisen dabeihaben sollte, um mich besser zu fühlen.

Mit diesem Trick gelang es mir, die Hungerattacken unter Kontrolle zu halten, und ich begann, mich wieder energiegeladen zu fühlen. Am Ende bin ich den Marathon gelaufen – bis ins Ziel.

Laura Nyström, Lebensmittel-Biochemikerin an der ETH Zürich, bestätigt, dass es möglich ist, eine ausgewogene vegane Ernährung einzuhalten, die dem Körper guttut. Pflanzliche Produkte bestehen häufig aus Hülsenfrüchten und Getreide und sind daher reich an Ballaststoffen, die für die Regulierung der Darmtätigkeit und der Zucker- und Fettaufnahme wichtig sind.

«Ich bin sicher, dass eine vegane Ernährung vollwertig sein kann. Aber es erfordert eine Menge an Organisation, und nicht alle haben die Zeit, sich im Voraus Gedanken über ihre Mahlzeiten zu machen», sagt Nyström. Deshalb sei eine vegane Ernährung nicht für alle geeignet.

Nach mehreren Versuchen habe ich endlich meine ideale Ernährung gefunden: zu Hause überwiegend vegan, auswärts vegetarisch, mit einigen Ausnahmen im Lauf des Jahres für Fisch und seltener für Fleisch. Aber immer mit einer Regel: Manchmal muss man sich etwas gönnen – ohne Schuldgefühle.

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Sara Ibrahim

Wie haben sich Ihre Essgewohnheiten verändert?

Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine vegetarische oder vegane Ernährung oder reduzieren ihren Konsum von Lebensmitteln tierischen Ursprungs. Wie sieht das bei Ihnen aus?

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Technologie prägt die Zukunft der Lebensmittel

Zwar schmecken mir das Linsenragout und andere vegane Rezepte, die ich erfolgreich zu kochen gelernt hatte, gut. Die Sehnsucht nach den Speisen, die ich ein Leben lang gegessen hatte – etwa Pouletbrust in Rahmsauce oder Piccata Milanese – veranlasste mich aber, die Schweizer Lebensmitteltechnologie-Szene näher zu erkunden. Ich wollte herausfinden, ob es wirklich möglich ist, sich pflanzlich zu ernähren, ohne auf die Geschmackserlebnisse der Kindheit zu verzichten.

Wenn ich an die Möglichkeiten denke, die Beschaffenheit, das Aussehen und sogar den Geschmack von Fleisch und anderen Lebensmitteln im Labor zu reproduzieren, bin ich fasziniert, aber auch beunruhigt. Ich wollte sehen, wie diese «Aliens», die den Wandel der kulinarischen Kultur in der Schweiz vorantreiben, Biss für Biss aussehen. Und ich habe die Betriebe besucht, wo diese entstehen.

(Übertragung aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

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(Übertragung aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

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