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Horizon-Rauswurf: Schweizer Unis suchen verzweifelt nach neuen Partner:innen

Department of Social Sciences of the University of Bern
Departement für Sozialwissenschaften, Universität Bern. Keystone / Peter Klaunzer

Nach dem Ausschluss aus zwei europäischen Forschungs- und Bildungsprogrammen gehen Schweizer Universitäten andere Wege. Sie schliessen Allianzen mit europäischen Universitäten. Der vollständigen Einbindung in Horizon Europe oder Erasmus+ können diese jedoch nicht das Wasser reichen.

Die Universität Bern ist die bisher letzte in einer Reihe von Schweizer Hochschulen, die sich einer Allianz angeschlossen hat. Am 1. Dezember trat sie ENLIGHT beiExterner Link, einer Gruppe von neun Universitäten von Gent bis Bratislava.

«Die Mitgliedschaft bei ENLIGHT bietet der Universität Bern die Möglichkeit, sich aktiv an einer sich wandelnden europäischen Hochschullandschaft zu beteiligen. Unsere Mitgliedschaft wird der zukünftigen Entwicklung der Universität eine neue Dynamik verleihen», sagt Virginia Richter, Vizerektorin für Entwicklung an der Universität Bern, gegenüber SWI swissinfo.ch per E-Mail.

Der Schritt kommt zu einer Zeit, in der die Schweizer Universitäten um ihre Position in der europäischen Forschungs- und Bildungslandschaft kämpfen.

Obwohl die Schweiz nicht Mitglied der Europäischen Union ist, pflegen Bern und Brüssel traditionell eine gute Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung, Bildung und Innovation.

Nachdem die Schweiz die Gespräche über langfristige Beziehungen mit der EU im Jahr 2021 abgebrochen hatte, stufte Brüssel die Teilnahme der Schweiz an Horizon Europe – dem weltweit grössten Forschungsförderungsprogramm im Umfang von 95,5 Mrd. EUR (95 Mrd. CHF) – auf den Status eines nicht assoziierten Drittlandes zurück. Dies schränkt den Zugang der Schweiz zu bestimmten Zuschüssen und Finanzierungen stark ein.

Für die Schweizer Forschungs- und Bildungsgemeinschaft war es ein schwerer Schlag, auch wenn die Schweizer Behörden mit einer Übergangsfinanzierung eingesprungen sind.

Kommt hinzu, dass die Schweiz 2014 von der vollen Teilnahme am EU-Bildungs- und Mobilitätsprogramm Erasmus+ ausgeschlossen wurde, das den Austausch von Studierenden einschliesst. Grund für den Ausschluss waren frühere Meinungsverschiedenheiten mit dem Kreis der 27 Mitgliedsstaaten.

Das Vorzeigeprogramm

Im Jahr 2022 erlaubte die EU den Schweizer Hochschulen, sich als assoziierte Partner ihrem grossen Flaggschiffprogramm anzuschliessen, der Initiative «Europäische Hochschulen»Externer Link, die eigentlich Teil von Erasmus+ ist.

Die 2018 ins Leben gerufene Initiative erfreut sich grosser Beliebtheit. Sie ermutigt europäische Universitäten in ganz Europa, untereinander Allianzen zu bilden, um ihre Zusammenarbeit auf institutioneller Ebene zu stärken.

Ein Beispiel dafür, was Allianzen den Studierenden in der Praxis bringen, ist die Möglichkeit, einen Abschluss zu erwerben, indem sie Lehrgänge an mehreren Universitäten des Netzwerks kombinieren.

Das Programm unterstützt auch Innovation und Unternehmertum sowie die Zusammenarbeit in Forschung und Lehre. Die Idee ist, langfristig zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hochschulbildung beizutragen.

«Da die Pilotphase der Initiative ‹Europäische Hochschulen› den Vollmitgliedern von Erasmus+ vorbehalten war, konnte die Schweiz damals nicht mitmachen. Im Jahr 2022 wurde die Initiative interessierten assoziierten MitgliedernExterner Link zugänglich gemacht, die wie die Schweiz dem europäischen Hochschulraum angehören», sagt Amanda Crameri, Leiterin des Bereichs Hochschulbildung bei Movetia, der Schweizer Nationalagentur für Austausch und Mobilität.

Im Rahmen von Erasmus+ reichen die Allianzen auch ihre Anträge auf Projektfinanzierung ein. Als assoziiertes Mitglied kommt die Schweiz jedoch nicht in den Genuss dieser Mittel. Stattdessen müssen die Schweizer Hochschulen bei MovetiaExterner Link schweizerische Fördermittel beantragen, um ihren Anteil zu decken. Sie dürfen auch keine Erasmus+-Projekte koordinieren und leiten.

Ansturm auf Allianzen

Diese Einschränkungen haben die Schweizer Hochschulen nicht abgeschreckt: Sechs der 12 traditionellen Schweizer Universitäten sind bereits einer Allianz beigetreten. Darüber hinaus hat sich eine der Fachhochschulen des Landes ebenfalls einem Netzwerk angeschlossen. Weitere vier Hochschulen werden sich laut Movetia voraussichtlich auch 2023 an Ausschreibungen im Rahmen von Erasmus+ beteiligen. Dies zeige, dass europäische Netzwerke und Kooperationen für die Schweizer Hochschulen nach wie vor sehr wichtig seien.

Universität Zürich (als erste Teilnehmerin) – Una Europa*

Universität Lausanne – CIVIS*

Universität Genf – 4EU+*

Universität Basel – EPICUR (als Mitglied von EUCOR)*   

*Allianzen, die im Jahr 2022 von der EU gefördert werdenExterner Link und an denen die Schweiz mit Movetia-Mitteln beteiligt ist.

Die folgenden drei angekündigten Allianzen streben eine Finanzierung durch Erasmus+ im Jahr 2023 an:

ETH Zürich – Enhance

Universität Bern – ENLIGHT

HES-SO Fachhochschule Westschweiz – UNITA

Derzeit gibt es 44 europäische Hochschulallianzen, die 340 Hochschulen in 31 Ländern umfassen. Ziel der EU ist es, diese Zahl bis Mitte 2024 auf 60 Allianzen mit 500 Hochschulen zu erhöhen.

Sowohl der Universität Bern als auch der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, die im November 2022 der Enhance Alliance von zehn europäischen technischen Hochschulen beigetreten istExterner Link, bieten diese Allianzen über das Thema der Mobilität hinaus viele Chancen.

«Wir testen neue Formen der Kooperation in der Lehre, schaffen gemeinsame interaktive Lehrangebote sowie Formate, die die fachübergreifenden Kompetenzen unserer Studierenden weiter stärken», schreibt ETH-Rektor Günther Dissertori in einer Stellungnahme gegenüber SWI.

Die Universität Bern begrüsst auch, dass sechs der ENLIGHT-Mitglieder, darunter Bern, Mitglieder der prestigeträchtigen Guild of European Research-Intensive Universities mit Sitz in Brüssel sind, was ihre europäische Sichtbarkeit weiter erhöht.

Für die Fachhochschule Westschweiz (HES-SO) war der Beitritt zu einer Allianz ein klares Ziel. Sie wurde im Juni 2022 Teil von UNITA Universitas Montium. Rektorin Luciana Vaccaro beschreibt die Vision hinter dem Allianzprogramm als «Aufbau eines Ökosystems für europäische Bürger:innen der Zukunft».

«Das ist sehr gut [für uns], denn selbst wenn wir von Horizon Europe und Erasmus+ ausgeschlossen werden, können wir einen Weg finden, in dieser Vereinigung zu bleiben, die derzeit ein Flaggschiff der EU ist. Ich fühle mich sehr privilegiert, dass wir Zugang dazu haben», sagte sie gegenüber SWI.

Insgesamt stellt die Schweiz für den Zeitraum 2022-2025 6 Mio. CHF (6,5 Mio. $) für die Schweizer Beteiligung an der Europäischen Hochschulinitiative zur Verfügung. Das Geld stammt aus der Schweizer Finanzhilfe als Ersatz für die Erasmus+-Beteiligung.

Laut der Rektorin der HES-SO, Luciana Vaccaro, die im Februar die Präsidentschaft von swissuniversities, dem Dachverband der Schweizer Hochschulen übernimmt, soll die Finanzierung durch die Allianz gesichert und möglicherweise der jährliche Betrag erhöht werden.

«Es ist wichtig, dass die Schweizer Hochschulen Zugang zu diesem wichtigen Finanzierungsinstrument haben. Ohne eine stabile Finanzierung ist unsere effektive Teilnahme gefährdet», sagte sie gegenüber SWI.

Horizon Europe und Erasmus+ bleiben entscheidend

Für die Hochschulleiter:innen ist klar, dass Allianzen den vollen Zugang zu Horizon Europe oder Erasmus+ nicht ersetzen können.

«Viele in der Schweiz ansässige Forscher:innen gehören zu den führenden Wissenschaftler:innen in ihrem Bereich, doch exzellente Wissenschaft ist grenzüberschreitend», sagte Richter von der Universität Bern. «Um in einer führenden Position zu bleiben, müssen Schweizer Forscher:innen in der Lage sein, grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten sowie internationale Konsortien und Arbeitspakete zu leiten. Das ist ohne die Schweizer Assoziierung an Horizon Europe viel schwieriger geworden.»

Die Universität Bern musste bereits die Leitung einer Kollaboration zur Suche nach KI-basierten Lösungen für eine bessere Behandlung von Diabetes an die Universität Maastricht abtreten.

Im Rahmen von Horizon 2020, dem Vorläufer von Horizon Europe, beteiligte sich die Institution an 175 Projekten im Wert von rund 120 Millionen Franken und unterstützte die Arbeit von fast 500 Forschenden.

Für Dissertori signalisieren die Allianzen, dass die Schweiz «offen für europäische Zusammenarbeit» ist.

Dieses Signal ist wichtig. Die Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel über Horizon Europe, Erasmus+ (der Wiederbeitritt bleibt das erklärte Ziel der Regierung) sowie zu weiteren Themen sind momentan festgefahren. Die Schweizer Forschungs- und Bildungsgemeinschaft macht sich keine allzu grossen Hoffnungen darauf, dass sich dies im Jahr 2023 ändert.

Editiert von Virginie Mangin/ts, Übertragung aus dem Englischen: Michael Heger

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