In der Clean-Tech-Branche ist nicht alles sauber
Die Clean-Tech-Branche boomt. Bis zu 20 Milliarden Franken Bruttowertschöpfung soll sie in der Schweiz erbringen. Global aber sei nicht alles sauber, auch wenn man sich formal an die Kriterien halte, sagt ein Insider. Auch Patentverletzungen bereiten Sorgen.
Clean Tech bestehe nicht nur aus Solarzellen und Windpropellern, oder Grossprojekten wie Desertec und börsenkotierten Unternehmen wie Oerlikon Solar, sondern auch aus zahlreichen mittelständischen Betrieben und Zulieferern, sagt Joachim Esser, Geschäftsführer von Ecolistec mit Sitz in Kreuzlingen.
Essers Firma ist im Bereich Abwasser-Aufbereitung tätig und bietet nachhaltige Lösungen für die Transport- und Hebetechnik an.
Clean Tech sei für ihn jede Produktionsart, die sauber ist, sagt Joachim Esser: «Die eingesetzten Materialien müssen wieder- oder sogar mehrfach verwendbar sein, weil die Menschheit zur Zeit zu viele Ressourcen verbraucht.» Nur wenn die industriellen Hersteller nachhaltig produzierten, würden die Menschen überleben können.
Unter dem Begriff «Clean Tech» werden Produkte, Produktionsprozesse oder Dienstleistungen zusammengefasst, bei welchen die Effizienz gesteigert und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen, der Energieverbrauch, Abfälle und Verschmutzung reduziert werden. Je höher der Clean Tech-Anteil der Wirtschaft eines Landes ist, desto nachhaltiger und umweltschonender fällt dessen Wachstums aus.
Clean Tech ist Sache der Wahrnehmung
Die Bruttowertschöpfung dieses Sektors macht in der Schweiz rund 20 Mrd. Franken oder rund 3 bis 4% des Bruttoinlandprodukts BIP aus und beschäftigt zirka 160’000 Mitarbeitende.
Joachim Esser schätzt, dass Schweizer Hersteller wegen der hohen Qualität ihrer Produkte und ihrem guten Image bis zu 20% höhere Preise als ihre ausländische Konkurrenz verlangen können. Dafür dauerten die Garantiezeiten länger.
Er bedauert, dass die Wahrnehmung der Öffentlichkeit in Sachen Nachhaltigkeit sehr selektiv sei. Wenn es um die CO2-Verschmutzung durch Fahr- oder Flugzeuge gehe, wüssten alle Bescheid. «Doch die wenigsten rechnen mit ein, dass zum Beispiel die Herstellung von Beton für rund 3-5% des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich ist. Oder dass eine 10 cm dicke Massivholzwand die gleiche Wärmedämmwirkung wie eine 1,5 m dicke Betonwand hat.»
80 Tonnen Pneu-Partikel auf A1
In Marktnischen arbeite man ohnehin oft unbemerkt von der Öffentlichkeit, sagt Esser. «Wer weiss schon, dass auf einem Kilometer Autobahn auf der A1 vor Zürich jährlich rund 80 Tonnen Pneugummi-Partikel jeweils durch den Erstregen in die Betonbecken geschwemmt werden, die den Regen als Abwasser aufnehmen.» Gereinigt würden diese nicht. «Die Grobstoffe werden zwar gefiltert, aber kleinere Gummipartikel sind unsichtbar.»
Wie viel Schwermetalle und sonstiges Gift auf den europäischen (Gross-)Baustellen in den Boden sickern, sei auch nicht bekannt. «Die Schweiz ist in diesem Bereich cleantech-mässig führend», sagt Esser. Denn Abwasser auf Grossbaustellen sei wegen den darin aufgelösten Bauzusätzen sehr alkalisch und müsse durch CO2-Zusatz neutralisiert werden (wie gespritztes Mineralwasser).
Entwässerungspläne seien in der Schweiz obligater Teil der Baugenehmigung, in Europa jedoch längst nicht überall. Esser schätzt die Umsätze in der Abwasser-Aufbereitung allein für die Lebensmittelindustrie und Tierzucht in der Schweiz auf eine halbe Milliarde Franken.
Kein Thema, kein Hype, kein Hedge
Während also das Interesse der Öffentlichkeit für diesen Bereich vergleichsweise beschränkt bleibe, sei das bei den Investoren anders. Geldgeber scheinen sich im Clean-Tech-Bereich zur Zeit richtiggehend zu drängeln.
«Viele geben sich heute als Clean-Tech-Unternehmer aus, nur um Geld zu sammeln», sagt Esser. «In der Erstphase eines Unternehmens bleiben Geldgeber zwar immer noch rar. Aber wenn sich die Firma einmal etabliert hat, wird ihr jede Menge Geld förmlich nachgeschmissen.»
Hedge Funds, Venture Kapitalisten, Private Equity- respektive Beteiligungs-Financiers: Alle tummelten sich im Clean-Tech-Bereich. Nach der Dot-Com-Blase und nach der Subprime-Krise sei auch eine Clean-Tech-Blase nicht ganz auszuschliessen.
Clean-Tech Patentverletzung
Doch mehr als eine Finanz-Blase fürchtet Esser Patentverletzungen. Sehr oft liessen sich Clean-Tech-Produkte ziemlich einfach kopieren. Ihr Wert ergebe sich aus der Nachverfolg- und Wiederverwendbarkeit der Einzelteile und des Ausgangsmaterials im Kontext von Qualität und Nachhaltigkeit.
«So kann ein Grossunternehmen ein Produkt eines KMU-Pioniers relativ einfach auseinanderschweissen und in Serie günstiger wieder zusammenbauen. Und gleichzeitig darauf hoffen, dass der KMU-Betrieb, der das Patent besitzt, kein Geld für Patentanwälte aufbringt.»
Denn noch gelte, dass jenes Unternehmen, welches das Patent halte, bei Patentverletzungen über Anwälte beim Amt für Geistiges Eigentum klagen müsse, um seine Rechte durchsetzen zu können. «Und Anwälte arbeiten nur gegen Vorschuss», weiss Esser.
Ausserdem sei es möglich, dass ein Schweizer KMU die Patente für die Schweiz und die EU halte, nicht aber für China. «Ich zum Beispiel bemerke seit einiger Zeit sehr viele Klicks aus China auf meiner Website. Viele Chinesen interessieren sich offenbar äusserst intensiv für meine Produkte. Aber ich werde nie oder zu spät herausfinden, ob und wie viele chinesische Unternehmen diese längst nachbauen.»
Transportkosten als Kriterium für Nachhaltigkeit
Der Umstand, dass sich China innerhalb der BRIC-Staaten viel intensiver um Nachhaltigkeit kümmert, hat laut Esser nicht nur mit einer zunehmenden Sensibilisierung für die Umwelt im Reich der Mitte zu tun, sondern mit der Erkenntnis, dass sich nachhaltig produzierte Produkte besser exportieren lassen – «ein Vorteil, den zum Beispiel die Brasilianer noch weniger erkannt haben».
Das beste Mittel, sich illegale Kopierer aus fernen Ländern vom Hals zu schaffen, wäre die konsequente Einberechnung der hohen Transportkosten, sagt Esser. Denn der CO2-Ausstoss für lange Transportwege belaste die Ökobilanz der Clean-Tech-Produkte.
Esser bedauert, dass dies bei öffentlichen Ausschreibungen, insbesondere von staatlichen Aufträgen, in Europa nicht konsequent genug beachtet werde.
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«Cleantech Switzerland» ist die Exportplattform für den Schweizer Cleantech-Sektor, der Link in die Exportmärkte.
«Cleantech Switzerland» wurde im Rahmen der Stabilisierungs-Massnahmen des Bundes entwickelt und hilft Unternehmen beim Etablieren von Beziehungen zu potentiellen Kunden, Investoren, Regierungsstellen und Partnerfirmen im Ausland.
Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschafts (Seco) hat der Aussenwirtschaftsförderer Osec diese Exportplattform lanciert. Experten aus dem Osec-Netzwerk unterstützen die KMU in den Zielmärkten.
«Cleantech Switzerland» stützt sich dabei auf eigenes Wissen, auf diplomatische Vertretungen, Swiss Business Hubs und Handelskammern.
Im März 2010 hat die Sozialdemokratische Partei eine Volksinitiative «Neue Arbeitsplätze dank erneuerbaren Energien» lanciert.
Die Initiative heisst auch «Cleantech-Initiative».
Sie möchte bis 2030 einen Anteil von 50% an erneuerbaren Energien vorschreiben. Zur Zeit beträgt er rund 19%.
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