In Europa soll die Batterie der Zukunft entstehen
Batterien sind allgegenwärtig. Aber die idealen, kostengünstigen und leistungsstarken Technologien der Zukunft haben sich bisher noch nicht offenbart. Europäische und schweizerische Forschungsinitiativen versuchen, die Nachfrage nach Batterieinnovationen und Energiespeicherung zu befriedigen.
«Batterien könnten 30% der erforderlichen Reduktion der Kohlenstoff-Emissionen im Verkehrs- und Energiesektor ermöglichen, 600 Millionen Menschen den Zugang zu Elektrizität verschaffen und weltweit 10 Millionen sichere und nachhaltige Arbeitsplätze schaffen», schreibt das Weltwirtschaftsforum mit Sitz in Genf in einem kürzlich publizierten Bericht.
Bisher dominiert Asien den Markt für Standardbatterien, mit über 90% der Produktion in China, Korea und Japan. Aber Europa will schnell aufholen. Angetrieben von ihrer Automobilindustrie möchte die EU die Herstellung von Batteriezellen auf dem Kontinent etablieren und die technologische Abhängigkeit von Dritten abschütteln.
«Im Moment sind wir Nachzügler. Aber die Idee der EU ist, eine gute Basis für die Batterieforschung und -innovation zu haben», erklärt Corsin Battaglia, Experte an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). Die Schweiz, obwohl nicht Mitglied der EU, ist eng in die europäischen Batterieforschungsprojekte eingebunden.
Vor vier Jahren hat Brüssel die European Battery Alliance ins Leben gerufen, um die Produktions- und Forschungskapazitäten auszubauen. Im Rahmen dieser Entwicklung sind laut der NGO Transport & Environment europaweit fast 40 Megabatterie-Fabriken, so genannte Gigafabriken, geplant. Werden alle in Betrieb genommen, könnte der Kontinent bis 2025 einen Anteil von 20% am globalen Batteriemarkt gewinnen – mit einem jährlichen Wert von 270 Milliarden Franken (250 Milliarden Euro).
Eine der ersten vollständig europäischen Gigafabriken ist Northvolt Ett, die in Nordschweden gebaut wird. Die riesige Fabrik für Lithium-Ionen-Batterien erstreckt sich über 500’000 Quadratmeter oder 70 Fussballfelder. Northvolt gibt an in der Lage zu sein, genug Batterien für eine Million Elektrofahrzeuge pro Jahr zu produzieren.
In der Schweiz sind derzeit keine Gigafabriken geplant, aber das Alpenland ist über seine Forschungsinstitute und Spezialfirmen eng mit der Entwicklung der Industrie verbunden.
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«Ob es um Materialien, Zell- und Packungsintegration, Elektronik, Batteriemanagementsysteme, Recycling und Mobilität oder stationäre Speicherung geht: In der Schweiz gibt es viele Unternehmen, die im Bereich Batterien aktiv oder sogar weltweit führend sind», sagt Battaglia.
Selbstheilende Batterien
Lithium-Ionen-Batterien sind seit Jahren die vorherrschende Speichertechnologie, und es wird erwartet, dass sich die Nachfrage im nächsten Jahrzehnt verzehnfachen wird. In den letzten 30 Jahren ist der Preis massiv gesunken, aber die Wissenschaft dahinter ist weitgehend unverändert geblieben. Um die künftige Nachfrage zu befriedigen, werden alternative Batterietechnologien benötigt – beispielsweise Komponenten mit längerer Lebensdauer, die mehr Energie speichern.
Hier setzt die mit 40 Millionen Euro dotierte europäische Forschungsinitiative Batterie 2030+ an. Sie wurde letztes Jahr ins Leben gerufen und umfasst sieben grosse Projekte, die von neun europäischen Ländern, darunter auch der Schweiz, unterstützt werden. Eines dieser Projekte heisst HIDDEN und zielt darauf ab, die durchschnittliche Lebensdauer und Energiedichte von Lithium-Ionen-Batterien um 50% zu verbessern.
Das Wachstum winziger faserartiger Gebilde im Inneren von Batterien, so genannter Dendriten, ist ein echtes Problem für die Langlebigkeit von Lithium-Metall-Batterien, erklärt Axel Fuerst, HIDDEN-Projektleiter an der Berner Fachhochschule. «Lithium-Metall hat eine sehr hohe Energiedichte und kann daher für leichtere und effizientere Batterien verwendet werden. Aber die Dendriten wachsen sehr schnell, und die Lebensdauer solcher Zellen ist kurz», sagt er.
Um das Problem zu lösen, arbeitet das Team an einem Selbstheilungsprozess innerhalb der Batterie. Sie hoffen, dass speziell entwickelte thermotrope ionische Flüssigkristallelektrolyte zusammen mit Additiven und einem piezoelektrischen Separator, der ein elektrisches Feld erzeugt, das Wachstum von Dendriten aufbrechen und unterdrücken können. Das Team baut ein erstes Konzeptmodell, das bis 2023 validiert und später vergrössert werden soll.
Weniger seltene Metalle verwenden
In der Zwischenzeit koordinieren Battaglia und sein Empa-Team das europäische Forschungsprojekt SENSE, das eine Lithium-Ionen-Batterie der so genannten «Generation 3b» mit einer Silizium-Graphit-Verbundanode und einer nickelhaltigen Nickel-Mangan-Kobalt-Kathode herstellen will. Ziel ist es, die Energiedichte zu verbessern, um die Reichweite von Fahrzeugen zu erhöhen, die Schnellladefähigkeit zu verbessern und weniger seltene Metalle zu verwenden. «Wir wollen den Anteil an Kobalt reduzieren und den Anteil an Nickel erhöhen», so der Empa-Forscher.
Kobalt ist eines der teuersten Materialien in einer Batterie. Die Hersteller versuchen, seinen Einsatz zu reduzieren, da seine Beschaffung problematisch sein kann. Rund 70% des weltweit geförderten Kobalts stammen aus der Demokratischen Republik Kongo, wo die Bedingungen für die Bergleute problematisch sind, und die meisten Raffinerien für Kobalt befinden sich in China.
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Dreckiges Mineral für saubere Autos
Die Entwicklung der idealen Batterie ist kompliziert und oft ein Kompromiss, erklärt Battaglia. Nickel erhöht die Energiedichte der Batterie und ist billiger, aber es führt zu einer schnelleren Degradierung der Batterie.
Das Team arbeitet auch an der Entwicklung neuer Schnellladesensoren, damit Batterien schneller und effizienter aufgeladen werden können. «Wir wollen die lokale Temperatur und das Potenzial innerhalb der Batterie verstehen und innerhalb der Zelle schneller messen, damit wir die Schnellladung vorantreiben können», sagt Battaglia.
Festkörperbatterien
In der Batteriewelt gibt es viel Aufregung um Festkörperbatterien, die feste Elektrolyte verwenden, um die brennbare flüssige Lösung in Lithium-Ionen-Batterien zu ersetzen. Sie sollen effizienter und sicherer sein und weniger Rohstoffe verbrauchen. Prototypen deuten darauf hin, dass sie bis zu 80% mehr Energie speichern könnten als Lithium-Ionen-Batterien mit demselben Gewicht und Volumen.
Battaglia zufolge bieten solche Technologien zwar viele Vorteile, aber im Moment bleiben sie auf das Labor beschränkt. Es sei schwierig, eine Batterie mit hoher Speicherkapazität und langer Lebensdauer zu entwickeln.
«Es ist kein Problem, eine Batterie mit doppelter Energiedichte herzustellen, aber vielleicht kann ich sie nur 20-mal aufladen und dann ist sie leer», erklärt der Forscher. Während die Energiedichte der Batterie verdoppelt werden kann, indem Graphit durch Lithiummetall ersetzt wird, führt ein zu schnelles Aufladen einer lithiumlastigen Batterie zur Bildung von Dendriten, die die Lebensdauer der Batterie verringern.
Wenn sie sich durchsetzen, könnten Festkörper-Lithiumbatterien sowohl das Problem der Energiedichte als auch das der Langlebigkeit lösen. Die Empa arbeitet mit einem Dutzend europäischer Partner am Projekt SOLIDIFY, das darauf abzielt, Herstellungsverfahren für so genannte «Generation 4b»-Batterien zu entwickeln, also Festkörperbatterien, die in zehn Jahren marktreif sein könnten.
Effiziente stationäre Speicherung
Stationäre Systeme, die erneuerbare Energie speichern können, werden in den kommenden Jahrzehnten ebenfalls massiv ausgebaut. Lithium-Ionen- und Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Oxid-Batterien werden bereits zur Speicherung von Solar- und Windenergie in Haushalten eingesetzt. Wissenschaftler:innen erforschen nun Alternativen auf der Basis von Zink, Vanadium oder Natrium, die sich für die stationäre Speicherung eignen. Um die steigende Nachfrage zu befriedigen und wettbewerbsfähig zu werden, müssen sie jedoch in grösserem Umfang eingesetzt werden.
Die KonferenzExterner Link, die am 2. und 3. September in Winterthur stattfindet, bringt Teilnehmer:innen aus dem öffentlichen und privaten Sektor zusammen, um Herausforderungen und Lösungen zur Erreichung der von den Vereinten Nationen festgelegten Ziele für nachhaltige Entwicklung zu diskutieren. Erneuerbare Energien und die Beschaffung von Rohstoffen sind eines der Hauptthemen der Veranstaltung im Jahr 2021.
Als Medienpartner organisiert und moderiert SWI swissinfo.ch am diesjährigen Symposium ein Forum über wirksame und nachhaltige Kommunikation, unter anderem mit einem Referat über «Lösungsjournalismus». Weitere Informationen finden Sie hierExterner Link.
Die Empa ist einer von zwölf Partnern, die im Rahmen des europäischen Batterieprojekts SOLSTICE, an dem auch die Schweizer Firmen Fzsonick und Quantis beteiligt sind, daran arbeiten. Ihr Ziel ist die Entwicklung von Natrium-Zink-Schmelzsalzbatterien, die bei hohen Temperaturen arbeiten und zur Energiespeicherung verwendet werden können.
Da die Bedeutung von Batterien mit der Zunahme von Speichersystemen für erneuerbare Energien und Elektrofahrzeugen zunehmen wird, wollen Schweizer Unternehmen davon profitieren, sagt Battaglia. Und zwar nicht nur die bestehenden: «Ich werde oft von Schweizer Unternehmen angesprochen, die nicht in der Batteriebranche tätig sind, aber sich mit ihrem Fertigungs- oder Integrations-Know-how überlegen in diesen Markt einzusteigen.»
Ein weiteres grosses Energiespeicherprojekt in der Schweiz ist die Zusammenarbeit zwischen dem Walliser Chemieunternehmen Lonza und dem amerikanischen Unternehmen Natron Energy. Im April 2021 gaben sie eine strategische Vereinbarung über die Lieferung von Preussischblau-Pulver für Natrium-Ionen-Batterien bekannt.
Lonza Specialty Ingredients wird dies an ihrem Standort in Visp für Natron herstellen. Ab Ende nächsten Jahres werden die Materialien zur Herstellung von Batterieelektroden in einer neuen Anlage in der Nähe von Sion verwendet, die für 100 Mitarbeiter geplant ist. Die in der Schweiz hergestellten Elektroden werden dann in die USA transportiert, wo sie in die Energiespeicherprodukte von Natron integriert werden.
(Übertragung aus dem Englischen: Giannis Mavris)
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