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Frauen sollen mehr Platz in der Wissenschaft erhalten

IBM Rüschlikon
Eine Assistentin im IBM-Labor in Rüschlikon bei Zürich vor einem Rastertunnel-Mikroskop desselben Typs, für das ihre männlichen Kollegen 1986 den Nobelpreis für Physik erhielten. Keystone / Alessandro Della Bella

Auch in der Schweiz sind wissenschaftliche Karrieren für Frauen immer noch schwieriger. Die Vereinten Nationen haben den 11. Februar zum internationalen Tag der Frauen in der Wissenschaft erklärt.

«Die Welt darf sich das Potenzial, die Intelligenz, die Kreativität dieser tausenden Frauen, die Opfer von anhaltender Ungleichheit oder Vorurteilen sind, nicht entgehen lassen. (…) Die Menschheit kann dabei nur gewinnen, wie auch die Wissenschaft», schreibt Audrey Azoulay, Generaldirektorin der Unesco, zum Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der WissenschaftExterner Link 2020.

Laut der UNO-Organisation sind weltweit gegenwärtig weniger als 30% der Forschenden Frauen. Und weniger als ein Drittel der Universitäts-Abgängerinnen wählen Fächer aus dem so genannten Mint-Bereich (Wissenschaft, Technik, Ingenieurwesen, Mathematik).

Und in der Schweiz?

In diesen Sektoren schneidet die Schweiz nicht unbedingt besser ab als andere Länder, wie der Bericht She Figures 2018Externer Link der Europäischen Kommission zeigt. Und wie in den Nachbarländern ist auch in der Schweiz zu beobachten, dass sich je höher in der Hierarchie immer weniger Frauen befinden.

Die letzte Ausgabe des Indikators Frauen und WissenschaftExterner Link des Bundesamts für Statistik (BFS) von 2018 zeigt: 51% der Studierenden sind Frauen, bei den Abschlüssen (Bachelor und Master) machen sie sogar 54% aus. Auf Stufe Doktorat sind die Frauen mit 44% aber bereits in der Minderheit. Im Mittelbau finden sich noch 41% Frauen, in den höchsten Posten auf der akademischen Karriereleiter, den Professuren, noch lediglich 23%.

«Undichtes Rohr»

Dieses progressive «Verschwinden» der Frauen in der Wissenschaft, je höher auf der Karriereleiter man schaut, ist ein Phänomen, das universell erscheint. Es wird auch in anderen Bereichen wie der Politik, in Behörden oder der Privatwirtschaft beobachtet. In der angelsächsischen Welt hat das Phänomen den Begriff «leaky pipe» (undichtes Rohr) erhalten, wie wenn die Pipeline, welche die Institute mit Forscherinnen versorgt, Löcher hätte.

Ein Beispiel wurde kürzlich in der Westschweizer Zeitung Le Temps publiziert: Im Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV), dem Waadtländer Universitätsspital in Lausanne, waren die Frauen 2017 nicht nur unter den Studierenden in der Mehrzahl, sondern auch unter den Assistenzärztinnen (62%). Dann aber kommt der freie Fall: Lediglich 28% der leitenden Ärzte und 12% der Chefärzte waren Frauen. Und es dauerte bis zum Januar 2018, bis das CHUV die erste Frau zur Abteilungsleiterin ernannte.

Kai Reusser / swissinfo.ch

Strukturen, aber auch Mentalität verändern

Eine Karriere muss – in der Schweiz wie auch anderswo – schon früh und in einem sehr kompetitiven Umfeld aufgebaut werden. Zu einer Zeit, in der die Männer aufs Tempo drücken, treten viele junge Frauen zur Seite und ziehen es vor, eine Familie zu gründen.

2014 schrieb Susan Gasser, Präsidentin der Gleichstellungskommission des Schweizerischen Nationalfonds (SNF): «Ich bin überzeugt, dass dies auf falschen und unbewussten Annahmen und Überzeugungen beruht, zum Beispiel, dass eine Familie und eine wissenschaftliche Karriere sich gegenseitig ausschliessen, oder, noch schlimmer, dass Männer bessere Wissenschaftler abgeben als Frauen.»

Denn das Klischee ist tief verankert: Ein Wissenschaftler muss ein Mann sein. Dafür reicht ein Blick auf die Statistik der Nobelpreise für Chemie, Physik und Medizin: Weniger als 5% der Preisträger in mehr als einem Jahrhundert waren Frauen.

Wenn ein Professor ein Team für ein Forschungsprojekt zusammenstellt, wird er natürlich eher dazu neigen, auch junge männliche Kollegen auszuwählen. Die Mentalitäten ändern sich zwar, aber langsam.

Externer Inhalt

Exklusiv für Frauen

Um talentierten Forscherinnen, die über das Potenzial verfügen, Professorin zu werden, etwas Schub zu verleihen, hat der SNF 2017 das Subventionssystem PrimaExterner Link (promoting women in academia) lanciert.

Der Fonds übernimmt dabei das Salär der Beitragsempfängerin und die Projektkosten für eine Dauer von fünf Jahren. So soll sichergestellt werden, dass die Forscherin unabhängig arbeiten kann. Im ersten Jahr profitierten 22 junge Forscherinnen, im zweiten Jahr 19. Sie kamen mit einer Vielzahl von Projekten, die zeigen, dass Frauen in allen Bereichen der Wissenschaft hervorragende Leistungen erbringen können.

(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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