Investoren greifen nach den Sternen
Der Weltraum gehört längst nicht mehr den Regierungen allein. Neben SpaceX, Blue Origin oder Virgin Galactic – den Grossen der privaten Weltraumindustrie – mischen Tausende von Unternehmen im Weltraum-Business mit - und mit ihnen private Investoren.
46 Milliarden Dollar ist der geschätzte Wert von SpaceXExterner Link, dem Weltraum-Unternehmen von Tesla-Gründer Elon Musk. Sein wiederverwendbarer Space-Transporter brachte soeben Astronauten zur Internationalen Raumstation (ISS). Das Unternehmen hat bereits fast fünfeinhalb Milliarden Dollar verbraten, die Investitionsfonds aufgebracht hatten.
Diskreter ist Blue OriginExterner Link: Das andere grosse private Raumfahrtunternehmen erhält von seinem Gründer Jeff Bezos eine Milliarde Dollar pro Jahr. Er kann es sich leisten: Der Chef von Amazon gilt als reichster Mensch der Welt.
Virgin GalacticExterner Link seinerseits, das von einem anderen Milliardär, Richard Branson, gegründet wurde und verspricht, in naher Zukunft Touristen auf suborbitale Flüge zu schicken, hat erhebliche Mittel aus Staatsfonds mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten erhalten. Es ist das erste grosse Raumfahrt-Unternehmen, das an der Börse kotiert ist.
Die drei Hauptakteure sind bei weitem nicht die einzigen. In den letzten zehn Jahren wuchsen die Raumfahrt-Unternehmen wie Pilze aus dem Boden. Im Jahr 2009 belief sich die Mittelbeschaffung für solche Unternehmen auf knapp eine Milliarde Dollar. Im Jahr 2019 waren es bereits sechs Milliarden Dollar, von denen mehr als die Hälfte in drei Bereiche flossen: Satellitenkommunikation, Erdbeobachtung und Raketenbau.
Vom Finanzmanagement in den Weltraum
Die Zahlen stammen aus «Hoch Hinaus. Die neue Weltraumwirtschaft»Externer Link, einem Buch, das soeben beim Berner Verlag Spacewatch.globalExterner Link erschienenen ist. Autor Raphael Röttgen kennt sich mit Zahlen aus. Der Deutsche, der am Zürichsee lebt, verfügt über zwanzig Jahre Erfahrung im Finanzbereich – er arbeitete unter anderem bei JP Morgan und der Deutschen Bank.
Im Jahr 2017 beschloss Röttgen, sich völlig auf den Weltraum auszurichten – seine lebenslange Leidenschaft. Er machte einen Abschluss an der Internationalen Weltraum-Universität in Strassburg (Frankreich) und gründete zu Beginn dieses Jahres E2MC, ein Beratungsunternehmen für Investoren im Raumfahrt-Sektor.
Man braucht keinen Abschluss in Finanzmanagement, um die 236 Seiten zu verschlingen. Der Autor breitet ein riesiges Panorama der Weltraumforschung aus. Es reicht von den ersten Raketen bis zur fernen Vision einer Kolonisierung des Mondes oder des Mars durch Menschen. «Ich wollte kein Handbuch für Investoren schreiben, das in den Fachregalen der Buchhandlungen verstaubt», erklärt der Autor.
So richtet sich Röttgen ebenso an diejenigen, die im Weltraum arbeiten wollen, wie auch an Laien, die einfach nur schauen, verstehen und staunen wollen, was der Mensch da draussen vollbracht hat und welche Pläne er wälzt.
Als Vielreisender – seine Firma hat Büros in Zug, Florida und Brasilien – sagt Raphael Röttgen, dass er überall der gleichen Begeisterung begegne. «Der Weltraum lässt einen träumen, die Aussichten sind sehr aufregend, das Potenzial ist enorm – das All ist die neue Grenze», sagt er.
«Und diejenigen, die schon einmal dort waren, schwärmen oft von diesem Effekt der ‹universalen Sicht›: Vom Himmel aus gesehen präsentiert sich die Erde als grenzenlos. Das ist eine Lektion für unsere Politiker, die sich dafür in den Orbit begeben sollten. Vielleicht kommen wir mit Weltraumtourismus dorthin. Aber im Ernst, ich sehe den Weltraum als einen einigenden Faktor für die Menschheit.»
Röttgens Perspektive ist sehr optimistisch. Aber auch er schliesst dunklere Entwicklungen nicht aus. Zum Beispiel ein Wettrüsten im Weltraum. Konkret: den Tag, an dem eine Seite versucht, die Handelswege zum Mond oder zu den Asteroiden zu schützen, deren Bodenschätze schon heute einigen das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen.
Das Monopol durchbrochen
Bis es soweit ist, können Anleger jederzeit auf bestehende Techniken zurückgreifen. Denn der Raumfahrt-Sektor ist in unserem Leben bereits sehr präsent, und zwar schon seit langem. Ob man nun an Telekommunikation, GPS und andere Ortungssysteme denkt oder an die Überwachung unseres Planeten. Wir alle kennen die Satellitenbilder, die Wirbelstürme, Flächenbrände oder andere Phänomene und Katastrophen aus dem All zeigen.
Ein Sektor, der boomt, ist der Raketenbau. Vor langer Zeit bezogen die nationalen Raumfahrt-Behörden exklusive Lieferungen von den Giganten des jeweiligen militärisch-industriellen Komplexes.
Arianespace, dann SpaceX und Blue Origin haben diese Monopole gebrochen. Im vergangenen Jahr wäre Israel fast die vierte Nation geworden, die eine weiche Landung auf dem Mond geschafft hätte. Und obwohl die Beresheet-Sonde letztlich auf dem Mond zerschellt ist, handelt es sich immer noch um das erste Raumschiff mit hauptsächlich privater Finanzierung, das eine andere Welt erreicht hat.
Die Herausforderung im Weltraum-Markt ist klar: Die Preise pro Kilogramm Nutzlast müssen sinken. Bisher kostet jedes Kilogramm, das die Erdanziehung überwinden muss, noch mehrere zehntausend Dollar. Innovationen wie die Falcon 9 von SpaceX, die erste wiederverwendbare Rakete, sollen dazu einen wesentlichen Beitrag leisten.
Die Liebe zum Risiko
Doch bevor das Unternehmen von Elon Musk dieses Kunststück vollbrachte, musste auch SpaceX eine Reihe von Unfällen und Abstürzen einstecken. Denn es ist eine alte Weisheit: Der Start einer Rakete ist niemals eine Routineoperation.
Analog dazu haben auch Investitionen in den Weltraum auch ihre Risiken. In der Schweiz haben wir den Zusammenbruch von Swiss Space Systems nicht vergessen, jenem Waadtländer Startup, das versuchte, Kleinsatelliten günstiger in die Umlaufbahn zu bringen. Wie sich zeigte, beruhte der gesamte Businessplan auf übertriebenem Optimismus, um nicht zu sagen, auf einem grossen Bluff.
Raphael Röttgen ist sich solcher Risiken sehr wohl bewusst. «Investitionen in die Grenzen der Technologie stellen immer ein Risiko dar. Aber im Weltraum wird es tendenziell immer kleiner, weil die staatlichen Raumfahrt-Agenturen Garantien für seriöse Projekte geben. Darüber hinaus ist der Return on Investment nicht unbedingt in weiter Ferne. Es sei denn, Sie investieren in die Nutzung des Wassers auf dem Mond für zukünftige Kolonien oder für Marsmissionen. Aber wenn Sie zum Beispiel eine Firma wählen, die Satellitendaten verarbeitet, kann der Gewinn schnell kommen.»
Und wie nachhaltig sind solche Investitionen? «Wenn man sich Bereiche wie die Erdbeobachtung ansieht, die zum Verständnis des Klimawandels oder zur Optimierung der landwirtschaftlichen Planung dient, oder an die Produktion neuer Medikamente in der Schwerelosigkeit, würde ich sagen, dass dies sehr gut mit den Zielen der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung übereinstimmt», meint Röttgen.
«Der Weltraum wartet auf die neue Greta Thunberg», schreibt Raphael Röttgen im Kapitel über das All als Müllhalde, zu der die Erdumlaufbahn seit 1957 geworden ist.
Seit damals der sowjetische Sputnik 1 erstmals um die Erde kreiste, hat der Mensch bis heute fast 8000 Objekte ins All geschossen. 5000 kreisen noch immer über unseren Köpfen, aber nur 2000 davon sind unter Kontrolle.
Beim Rest handelt es sich um Wracks, die manchmal explodieren oder kollidieren. Die Folge davon: Heute schwirren fast eine Million Trümmerteile mit einem Durchmesser von mindestens einem Zentimeter durch den Orbit.
Das mag als mickrige Grösse erscheinen. Aber da sich diese Objekte mit der 20-fachen Schallgeschwindigkeit um die Erde drehen, hat dort oben der Aufprall eines Reiskorns die Wucht einer explodierenden Handgranate.
Für Astronauten wie Satellitenbetreiber ist es deshalb lebensnotwendig, zu wissen, wie sich diese Trümmer bewegen. Oft sind kleine Kurskorrekturen erforderlich, um eine Kollision zu vermeiden. Eine solche musste Anfang Oktober auch das Schweizer Weltraumteleskop CHEOPS vornehmen.
Es ist eine Art Schneeballsystem: Jede Kollision erzeugt neue Trümmer und erhöht damit das Risiko künftiger Kollisionen.
Clearspace, ein Schweizer Startup, das aus der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) hervorging, konnte die Europäische Weltraumorganisation ESA von der Bedeutung seines Projekts überzeugen: Für die Entwicklung von «Aufräum-Satelliten» wird die ESA 86 Millionen Euro geben.
Diese sollen Wracks im Weltraum auffangen und sie anschliessend so umlenken, dass sie beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühen.
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