Kampf gegen Klimaerwärmung: «Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend»
Eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5°C ist weiterhin möglich, aber die Netto-CO2-Emissionen sollten bis 2050 auf null reduziert werden. Das sagen die UNO-Klimaexperten in ihrem am Montag veröffentlichten Bericht. Überlegungen der beiden Schweizer Autoren des Dokuments.
Viel Zeit bleibt nicht. Dieser Satz wurde in den letzten Jahren oft wiederholt, aber im Lichte des jüngsten Sonderberichts Externer Linkdes zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen der UNO (IPCC) – der von den Staaten im Jahr 2015 angefordert wurde – wird diese Anweisung noch dringender. Um die globale Erwärmung auf 1,5°C (im Vergleich zur vorindustriellen Ära) zu begrenzen, muss das Nettogleichgewicht zwischen vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen und den von Ökosystemen absorbierten Emissionen bis 2050 Null betragen, sagt der IPCC.
Laut dem 2015 unterzeichneten Pariser Klimaabkommen soll «der Temperaturanstieg auf deutlich unter 2°C begrenzt werden, mit dem Ziel einer maximalen Erhöhung von 1,5°C». Diese Grenze wurde von den Inselstaaten festgelegt, die anfälliger sind, weil sie direkt von der Bedrohung durch den steigenden Meeresspiegel betroffen sind.
Schweiz in «grosser Verantwortung»
Die im Bericht SR15Externer Link des IPCC enthaltenen wissenschaftlichen Daten seien ein Warnsignal für die wichtigsten politischen Führer der Welt, wird Georg Klingler, Klimaexperte bei Greenpeace Schweiz, in einer Medienmitteilung zitiert. Die Schweizer Regierung, das Parlament (das in Kürze die Revision des CO2-Gesetzes in Angriff nimmt) und die Unternehmen müssten die Richtung weisen.
«Die Schweiz trägt eine grosse Verantwortung: Das vom Finanzplatz Schweiz in der Welt investierte Kapital verursacht zwanzigmal mehr Emissionen als die Bevölkerung und die Unternehmen in der Schweiz [….] Die Finanzierung von Unternehmen, die in den klimaschädlichsten Formen fossiler Brennstoffe wie Kohle und Ölschiefer tätig sind, muss sofort eingestellt werden», fordert der Greenpeace-Experte.
Der jüngste IPPC-Bericht basiert auf der Analyse von rund 6000 wissenschaftlichen Publikationen. Der wichtigste und neue Aspekt des Berichts ist, dass er zwischen 2°C und 1,5°C Erwärmung unterscheidet, wie Sonia SeneviratneExterner Link erklärt. Die Mitverfasserin des Berichts arbeitet am Institut für Atmosphären- und Klimawissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). «Ein halbes Grad mehr erhöht das Risiko von Hitzewellen und extremen Niederschlägen in der Welt, auch in der Schweiz», sagt sie. Und sie erinnert daran, dass ein Anstieg von 1,5 Grad auf globaler Ebene für die Schweiz einen Anstieg von fast 3°C bedeutet.
Seit 1850 ist die durchschnittliche globale Temperatur um ein Grad gestiegen. Das möge minimal erscheinen, doch seien die Auswirkungen bereits deutlich spürbar, so Seneviratne. «Denken Sie nur an diesen Sommer und die Brände in Kalifornien oder die Hitzewelle und Dürre in der Schweiz.»
Beitrag der Schweiz
Das Ziel von 1,5°C ist «grundsätzlich erreichbar», sagt Andreas FischlinExterner Link, Professor an der ETH Zürich und Prüfeditor des IPCC-Berichts. Damit dies geschehen könne, brauche es eine schnelle und tiefgreifende technische und soziale Transformation, betont er. «Die nächsten zehn Jahre werden entscheidend sein.»
Um dies zu erreichen, ist es insbesondere notwendig, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung zu erhöhen (70 bis 85% im Jahr 2050, gegenüber heute 25%) und die Kohle vollständig aufzugeben. Es wird auch notwendig sein, die CO2-Absorption in der Atmosphäre zu erhöhen, indem die Waldflächen erweitert und CO2-Abscheidungstechnologien entwickelt werden.
In letzterem Bereich sei die Schweiz «an vorderster Front» dabei und könne wichtige Impulse geben, sagt Seneviratne. «In Zürich ist das Start-up-Unternehmen ClimeworksExterner Link eines von drei Unternehmen weltweit, das an der CO2-Abtrennung arbeitet. Das Problem ist, dass das Verfahren im Moment teuer ist und es noch keine Lösungen für die grossflächige CO2-Speicherung gibt.»
Welche Auswirkungen wird der jüngste IPCC-Bericht auf die Regierungen der Welt haben? Das werden wir bald sehen. Im Dezember werden sich Verhandlungsführer und politische Entscheidungsträger im polnischen Katowice zur internationalen Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP24Externer Link) treffen. Insbesondere müssen die Länder einen Prozess zur Überprüfung der im Jahr 2015 eingegangenen Verpflichtungen einleiten, die voraussichtlich Externer Linknicht einmal ausreichen werden, um das «weniger ehrgeizige» 2°C-Ziel zu erreichen.
24’000 Forscher für 34 Seiten
Der IPCC-Bericht wurde von 91 Autoren aus 40 Ländern verfasst, darunter zwei Schweizer. Diese 34-seitige Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger ist das Ergebnis der Arbeit von rund 24’000 Forschern, die mehr als 6000 wissenschaftliche Publikationen analysiert haben.
(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)
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