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Härteprüfung für den Schweizer CO2-Deal

Reisanbau
Die Schweiz will in Ghana klimafreundliche, methanarme Reisanbautechniken fördern und soll im Gegenzug Emissionsreduktionsgutschriften erhalten. Keystone / Legnan Koula

Die Schweiz setzt sich für Kompensationsgeschäfte in der Klimafrage ein. Die sind aber nicht nur schwierig umzusetzen – sondern auch umstritten.

Mitte November kündigte die Schweiz ihr erstes Klima-Abkommen mit GhanaExterner Link an, nachdem auf der COP26-Konferenz 2021 in Glasgow Regeln für solche Verträge festgelegt worden waren. Das Projekt ermöglicht es der Schweiz, in Ghana klimafreundliche Methoden für den Reisanbau zu fördern, um den eigenen CO2-Ausstoss zu kompensieren.

Das Programm folgt auf ein früheres mit Peru von 2020, das die Finanzierung von Kochherden in ländlichen Gebieten vorsieht, um den Holzverbrauch zu drosseln. Damit soll der Schadstoffausstoss des Schwerverkehrs in der Schweiz ausgeglichen werden.

Solche Kompensationsverträge ermöglichen es Staaten oder Unternehmen, die der Umwelt schaden, Emissionsgutschriften zu erwerben, um so ihre eigenen Luftverunreinigungen auszugleichen. Das Geld fliesst danach in Schutzprojekte rund um den Globus.

Im Zug dieser länderübergreifenden Vereinbarungen stellt sich auch die Frage der Fairness, zumal die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Entwicklungsländer zusätzliche Mittel fordern.

Einige Kritiker:innen sagen, dass die Kompensationen die Bemühungen der reicheren Staaten um eine Verringerung der Emissionen im eigenen Land abschwächen könnten, während ärmere stärker belastet würden.

Artikel 6 des Pariser Abkommens, der während den COP26-Gesprächen präzisiert wurde, legt die Grundsätze der Kooperationen fest. Doch detaillierte Verträge, welche die Art der Umsetzung festlegen, könnten noch Jahre entfernt sein.

Zu den ungelösten Problemen gehört das Fehlen eines globalen Rechtsrahmens, und es stellt sich die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass Länder nicht in Projekte investieren, die auch ohne Kompensationsprogramme durchgeführt worden wären.

Die Schweiz hat sich verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1996 um 50% zu senken. Der Bundesrat geht davon aus, dass ein grosser Teil dieser Emissionssenkungen aus Kompensationsvereinbarungen mit ärmeren Ländern wie Georgien, Senegal oder dem Inselstaat Dominica hervorgehen wird.

Im Jahr 2021 lehnte die Schweizer Stimmbevölkerung das revidierte CO2-Gesetz ab, das ehrgeizigere Senkungsziele vorsah. Die aktuellen CO2-Reduktionsziele gelten nun bis 2024.

Kürzlich begann das Parlament mit der Diskussion über die Überarbeitung des Gesetzes, das für die folgenden fünf Jahre gelten soll. Insgesamt sollen bis zu 12 Millionen Tonnen CO2-Emissionen kompensiert werden, was einem Drittel der geplanten Reduktionen entspricht.

Hürdenlauf zum Klimaabkommen

Da weitere Abkommen in Arbeit sind, verteidigt die Schweiz ihre Strategie zur Emissionsreduzierung und bestärkt ihr Vertrauen in Kompensationsprogramme. Umweltministerin Simonetta Sommaruga sagte gegenüber swissinfo.ch, dass die Schweiz über die im Rahmen des Pariser Abkommens zugesagten Emissionsreduktionen hinaus Projekte fördern könne.

«Es wäre eine Win-Win-Situation, wenn die Schweiz Projekte anstossen könnte, von denen Entwicklungsländer profitieren. Es sind Investitionen, die in diesen Staaten sonst nicht getätigt werden könnten und deren Klimaschutz verbessern, während die Schweiz die CO2-Reduktionen anrechnen kann», sagte sie.

Veronika Elgart, stellvertretende Leiterin des Bereichs Internationale Klimapolitik beim Bundesamt für Umwelt, betont, dass es wichtig sei, die Bedürfnisse der Gastländer zu berücksichtigen. «In jedem Land sollte es Strategien geben, wie der Kompensationshandel am besten und zum Wohle beider Vertragsparteien genutzt werden kann.»

David Knecht von der NGO Fastenopfer, die viele Projekte zur nachhaltigen Entwicklung unterstützt, hat aber Zweifel an den Programmen. Gerade das Projekt in Peru sollte nicht von der Schweiz gefördert werden, sagt er.

«Die Technologie, die dort geteilt wird, ist seit vielen Jahren bekannt und somit schlicht nicht innovativ. Wir sollten sicherstellen, dass echte technologische Fortschritte erzielt werden, damit die Partnerländer auch wirklich profitieren.»

Oft beinhalten die Kompensationsabkommen Projekte, die auch ohne Vereinbarung stattgefunden hätten, was dem Pariser Abkommen zuwiderläuft, konkret den Vorgaben zum Thema «Zusätzlichkeit» (additionality): Die Klimaschutz-Massnahmen müssten über die bestehenden Praktiken und die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen, heisst es dort.

Ein weiteres grosses Thema sind die Hürden der Umsetzung. An einem Podium im Rahmen der COP-Konferenz sagte Umweltwissenschaftler Christian Fleischer, dass die Teilnahme an Kompensationsabkommen komplex und schwierig sei.

Viele Entwicklungsländer befürchteten, dass die hohen Kosten, die mit der Teilnahme verbunden sind, die Vorteile überwiegen. Es sei schon nur schwierig, sicherzustellen, dass die Vertragspartner:innen ihre Emissionen korrekt in einem Register erfassen würden.

Aufgrund der Komplexität raten Expert:innen wie Fleischer, der für die Beratungsfirma Perspectives Climate Group tätig ist, den Entwicklungsländern, sich untereinander auszutauschen. So hat Japan ein Programm angekündigt, das Entwicklungsländern Unterstützung beim Abschluss von Vereinbarungen bieten soll.

Fleischers Kollegin Aayushi Singh sagte am COP-Podium: «Oftmals passt das System auf dem Papier, aber nicht in der Realität. Wir brauchen Leitfäden, die uns bei der Umsetzung helfen und auch sicherstellen, dass der Preisverfall bei den EmissionsgutschriftenExterner Link sich nicht wiederholt und die Nachfrage weiter sinkt.»

Die Preise für Emissionsgutschriften brachen nach der russischen Invasion in der Ukraine drastisch ein. Wegen des anhaltenden Rezession befürchten Expert:innen, dass die Preise weiter sinken werden.

Seit 2015 stieg in der EU der Preis von Kohlenstoffemissionen von 5 Euro pro Tonne auf heute etwa 25 Euro, wie Zahlen der European Energy Exchange zeigen. Im vergangenen März sank er dann auf 15 Euro pro Tonne.

Die Weltbank schätzt, dass inzwischen mindestens 46 Länder ihre Emissionen durch Kohlenstoffsteuern oder Emissionshandelssysteme bepreisen. Im Jahr 2015 waren es noch 40.

Einige Entwicklungsländer sind der Meinung, dass speziell die Preise für Emissionsgutschriften aus Projekten, die auf natürlichen Ressourcen wie Holz basieren, zu niedrig sind und dass es dem Preisbildungsprozess allgemein an Transparenz mangelt.

Viele der Staatsvertreter:innen, die im November während der COP27-Konferenz in Ägypten von Gruppen wie Perspectives Climate Research beraten wurden, haben Techniken von privaten Kompensationsinitiativen übernommen, die bereits in den 1990er-Jahren begannen, sowie von Vereinbarungen, die von Ländern wie der Schweiz als Folge des Pariser Abkommens geschlossen wurden.

Grosses Thema bei COP27 war auch der Prozess zur Einrichtung von Kompensationsmöglichkeiten. «Es benötigt viel Zeit, den Ball ins Rollen zu bringen. Wir würden uns wünschen, dass es schneller vonstatten geht», sagte Hugh Galway, Leiter des Bereichs Kohlenstoffmärkte bei The Gold Standard, einer in Genf ansässigen Organisation, die Standards festlegt. «Sicher ist, dass in vielen Ländern zusätzliche Kapazitäten aufgebaut werden müssen.»

Zuverlässige Standards gefordert

Im Vorfeld des COP27-Klimagipfels in Ägypten äusserte sich Ngozi Okonjo-Iweala, Generaldirektorin der Welthandelsorganisation, besorgt über die «zunehmende Fragmentierung» der Systeme für den Handel mit Emissionszertifikaten und die Preisgestaltung. «Wir können nicht zulassen, dass die Fragmentierung so spät im Kampf gegen den Klimawandel einsetzt», sagte sie.

Ein kürzlich erschienener Bericht über so genanntes Greenwashing durch Fussball-WM-Gastgeber Katar, der umstrittene Mittel zur Emissionskompensation eingesetzt hat, unterstreicht das Problem der fragwürdigen Standards.

Besonders die so genannten freiwilligen Kohlenstoffmärkte, die vor allem vom privaten Sektor bespielt werden, seien anfällig, sagte Galway. «Wir sind sehr besorgt über einige Organisationen, die ungenügende Standards aufstellen. Das Thema ‹Zusätzlichkeit› wird oft zu wenig beachtet, ebenso Sicherheitsvorkehrungen und der Einbezug lokaler Interessengruppen.»

Editiert von Virginie Mangin, Übertragung aus dem Englischen: Christoph Kummer

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