«Lachs-Wiederansiedlung soll bis Basel gelingen»
Vor 60 Jahren wurde die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins gegründet. Sie setzt sich nicht nur für die Sauberkeit des Wassers ein, sondern auch für die Rückkehr des Lachses sowie die Renaturierung von Auenlandschaften.
1950 wurde die Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) von Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Luxemburg und der Schweiz gegründet, um Fragen der Rheinverschmutzung und -sanierung gemeinsam zu lösen.
60 Jahre später zieht Anne Schulte-Wülwer-Leidig, stellvertretende Geschäftsführerin der IKSR, eine positive Bilanz: «Es hat sich sehr viel getan, seit es die Kommission gibt. Heute haben wir wieder eine recht gute Wasserqualität.»
Das war nicht immer so. Um 1970 erreichte die Wasserqualität im Rhein einen absoluten Tiefpunkt. Es gab kaum noch Sauerstoff und daher kaum noch Leben darin. Der verheerende Chemieunfall 1986 beim Basler Konzern Sandoz in Schweizerhalle brachte schliesslich noch das wenige Leben vollends zum Erliegen. Damals gelangten mit dem Löschwasser etwa 20 Tonnen hochgiftige Pestizide in den Fluss. Tote Fische, insbesondere Aale, zwischen Basel und Mainz belegten die Verseuchung.
Aufgrund dieses Unfalls hat die IKSR ein Jahr später das «Aktionsprogramm Rhein» – ein umfassendes Sanierungsprogramm – ins Leben gerufen. Seither hat sich der Rhein zwar deutlich erholt, doch gelangen nach wie vor schädliche Stoffe in den Fluss, wie zum Beispiel Spurenelemente.
Mikroverunreinigungen als neue Herausforderung
Mikroverunreinigungen sind organische Spurenelemente, die in sehr niedrigen Konzentrationen in den Gewässern gemessen werden (in Milliardstel- bis Millionstel Gramm pro Liter). Meist handelt es sich dabei um Rückstände von Medikamenten, Kosmetika und Reinigungsmitteln. Trotz Abwasserreinigung gelangen diese Rückstände mit dem Abwasser über die Siedlungsentwässerung in die Gewässer.
«Heute stehen Mikroverunreinigungen im Blickpunkt, denn früher waren sie noch nicht messbar», sagt Schulte-Wülwer-Leidig. In der Schweiz sind über 30’000 synthetische organische Stoffe im täglichen Gebrauch.
Studien haben für mehrere Stoffe nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer nachgewiesen. Hormonaktive Stoffe rufen etwa Geschlechtsveränderungen bei Fischen hervor. Bestimmte Arzneimittel-Wirkstoffe führen zu Schädigungen von Fischen und Kleinkrebsen. Die Trinkwasser-Ressourcen für die Bevölkerung sind jedoch nicht gefährdet.
«Die Mikroverunreinigungen werden bei der normalen Klärtechnik nicht abgebaut», sagt die IKSR-Expertin und ergänzt: «In der Schweiz wird jedoch in diesem Bereich vorbildlich gearbeitet.»
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) plant zur Zeit die Aufrüstung von rund 100 Abwasserreinigungs-Anlagen mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe, die eine 80 prozentige Entfernung von Mikroverunreinigungen erreichen soll.
Klimawandel beeinflusst Rhein
Ein neues Thema für die IKSR ist der Klimawandel und seine Folgen für den Rhein. Vor zwei Jahren wurde erstmals an einer Konferenz der IKSR auf Ministerebene darüber diskutiert und beraten.
Wie die Expertin erklärt, beeinflussen zwei Faktoren die Erwärmung des Rheins: «Einerseits haben wir die natürliche Erwärmung über die Lufttemperatur. Daneben erwärmen auch Kühlwassereinleitungen den Rhein.»
Hohe Temperaturen mit entsprechend intensiver Sonneneinstrahlung und geringere Niederschläge führen zu Niedrigwasser. Dadurch wird der Fluss erwärmt und der Sauerstoffgehalt vermindert. Die Folgen sind fatal: in zu warmem Flusswasser sterben Fische, wie das im Sommer 2003 bereits lokal der Fall war.
«Werden heisse Sommer häufiger, wird die Problematik der Klimaerwärmung bei der IKSR noch grösseres Gewicht bekommen», ist Schulte-Wülwer-Leidig überzeugt.
Mehrere Jahrzehnte für Renaturierung
Grosse Priorität hat die Hochwasser-Prävention: «Wir brauchen mehr Raum für den Fluss. Das hilft beim Schutz vor Hochwasser», erklärt die Biologin. «Heute haben wir einen sehr monotonen Rhein. Aus Nutzungsgründen wurde er ausgebaut. Deshalb ist die IKSR bemüht, die Strukturvielfalt an den Ufern zu erhöhen.»
Eine Massnahme betrifft die Reaktivierung von Flussauen. Das sind natürliche Hochwasserpuffer, aber auch wichtige Ökosysteme. «Heute haben wir nur noch knapp 15% der früheren Auengebiete», stellt die Expertin fest.
Die Renaturierung von Auen und Auenwäldern geschieht jedoch nicht von heute auf morgen: «Das ist häufig eine Arbeit über mehrere Jahrzehnte hinweg.»
Der Lachs als Symbol
Ein weiteres Anliegen der IKSR ist die Erhöhung der Artenvielfalt: «Dafür haben wir als Indikator oder als Symbol unser Lachsprogramm, was ja schon lange läuft», erklärt die Biologin. Das Programm «Lachs 2000» wurde nach dem Sandoz-Unfall in Bewegung gesetzt.
Heute kann der Lachs von der Nordsee bis nach Strassburg wandern. Dies ist dank so genannten Fischpässen möglich, welche den Lachsen das Durchschwimmen ermöglichen.
Im Folgeprogramm «Lachs 2020» hat sich die IKSR weitere Ziele gesteckt, wie Schulte-Wülwer-Leidig erklärt: «Die Lachs-Wiederansiedlung soll bis nach Basel gelingen. Dafür braucht es noch einige Jahre, aber die IKSR wird auf jeden Fall weiter in diese Richtung arbeiten.»
Sandra Grizelj, swissinfo.ch
1950 wurde die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) auf Initiative der Niederlande gegründet.
Die IKSR entwickelt Programme, die national umgesetzt und finanziert werden.
Zu den Mitgliedstaaten gehören neben der Schweiz die Niederlande, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und die EU, welche durch die Europäische Kommission vertreten ist.
Eine Zusammenarbeit findet des weiteren mit Liechtenstein, Österreich und der belgischen Region Wallonien statt, da sie Anteile am Rheineinzugsgebiet haben.
Die IKSR setzt sich für das komplette Einzugsgebiet des Rheins ein. Schwerpunkte sind die Erhaltung, Verbesserung und nachhaltige Entwicklung des Ökosystems im Rheingebiet.
Im März 2010 wurde gemeldet, dass der Rhein 1230 km lang und damit 90 km kürzer ist als angenommen.
Dem Biologen Bruno Kremer von der Universität Köln fiel bei einer Forschungsarbeit auf, dass in Schriften aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Länge des Flusses noch mit 1230 km, in modernen hingegen mit 1320 angegeben wird.
Kremer vermutet, dass es sich um einen banalen Zahlendreher handle. Um 1960 wurde wohl aus 1230 eine 1320.
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