Mit Schweizer Präzision die Sonne erforschen
Weshalb ist die Sonne ein Feuerball? Um unseren Stern besser zu verstehen, wird eine europäische Sonde sehr nahe an diesen herangeschickt. Mit einem Schweizer Röntgendetektor an Bord.
Bis auf eine Distanz von 42 Millionen Kilometern wird sich die Sonde dem Feuerball nähern. Das ist eine kurze Strecke, wenn von der Entfernung zur Sonne die Rede ist. Die Strecke ist nämlich vier Mal kürzer als jene zwischen Sonne und Erde, also kurz genug, um sich die Flügel zu verbrennen.
Die Sonde Solar OrbiterExterner Link, die am 10. Februar im Morgengrauen (Schweizer Zeit) gestartet werden soll, muss sich hinter einem soliden Hitzeschild verstecken, der Temperaturen von rund 520 Grad Celsius aushalten wird – während das Vakuum rund herum mit -170°C so kalt wie das Weltall bleibt.
Das Raumschiff der Europäischen Weltraumorganisation (ESAExterner Link) von der Grösse und dem Gewicht eines grossen Autos, wurde in Zusammenarbeit mit den Amerikanern der NASAExterner Link entwickelt. Es kostete 1,5 Milliarden Euro. Die Sonde wird die Stimmungsschwankungen des Sterns überwachen.
Die Wissenschaftler müssen noch viel über die Sonne lernen. Warum gibt es zum Beispiel Aktivitätszyklen von 11 Jahren? Oder wie ist es möglich, dass die Temperatur in der Krone der Sonne eine Million Grad überschreitet, während sie an ihrer Oberfläche nur 6000°C beträgt?
Das Verständnis der Mechanismen, die hinter diesen Phänomenen stehen, könnte helfen, diese zu antizipieren. Die Launen von Helios sind für Astronauten und Satelliten gefährlich. Die von der Sonne ausgestossenen, sehr energiereichen Strahlen (also auch jene, die das Polarlicht verursachen) greifen lebende Zellen an. Und sie stören die Übertragung, sobald die Schutzhülle des Strahlengürtels verlassen wird, der die Erde umgibt.
Eine Premiere für eine Schweizer Fachhochschule
Solar Orbiter führt zehn wissenschaftliche Instrumente mit sich, darunter STIXExterner Link, ein von der Fachhochschule Nordwestschweiz entwickeltes Röntgenteleskop. Das ist eine Premiere für die Institution. Die Schweizer sind allerdings nicht ganz allein. «Solche Instrumente werden immer in internationaler Zusammenarbeit gebaut», räumt Samuel KruckeExterner Linkr ein, der Hauptforscher des Projekts, der sich seit mehr als 20 Jahren in der Schweiz und in Kalifornien mit Physik der Sonneneruptionen beschäftigt.
«Für STIX haben wir Beiträge von Kollegen aus sieben europäischen Ländern. Aber mehr als die Hälfte der Kosten hat die Schweiz übernommen, es ist also ein Schweizer Projekt. Hier haben wir mit dem Paul Scherrer InstitutExterner Link zusammengearbeitet, und unser wichtigster Industriepartner ist AlmatechExterner Link in Lausanne», sagt der Professor.
STIX wird hochenergetische Röntgenstrahlen analysieren, die nur bei sehr hohen Temperaturen erzeugt werden. «Es handelt sich nicht um ein klassisches Teleskop mit einem Spiegel. Man muss sich eher ein Fenster vorstellen, vor dem zwei Vorhänge aus Metall angebracht werden. Wir messen sozusagen den Wind, der die Vorhänge bewegt. Es ist eine indirekte Bildherstellung», erklärt Krucker.
Bei diesem Abstand zur Sonne werden die Messungen so präzise sein wie nie zuvor. Durch die Kombination der Ergebnisse von STIX mit jenen der anderen Instrumente hoffen die Wissenschaftler, ein sehr genaues Bild der phänomenalen Energiefreisetzung zu erhalten, die von unserem Stern ausgeht.
Richtung Sonne, über Venus und Erde
Solar Orbiter wird an der Spitze einer amerikanischen Atlas V-Rakete der Erdanziehung entkommen. Die Rakete wird die Sonde auf eine sehr elliptische Umlaufbahn um die Sonne transportieren, die sie mindestens 22 Mal umkreisen muss. Dort, wo die Distanz zwischen Umlaufbahn und Sonne am kürzesten ist, kommt die Sonde dem Stern näher als der Planet Merkur.
Eine Sonde wird nicht einfach auf einer geraden Linie Richtung Sonne geschickt. Die Flugbahn des Solar Orbiter wurde so geplant, dass sie mit jener der Venus synchronisiert ist. Während seiner Reise wird das Raumschiff acht Mal den Planeten passieren (und einmal die Erde), dessen Schwerkraft die Umlaufbahn verändern wird, so dass es jedes Mal eine andere Perspektive auf die Sonne und insbesondere ihre Pole hat.
Das folgende Video zeigt dieses grossartige kosmische Billardspiel, wie es von Astronauten entworfen wurde:
Und in diesem Video können Sie die ersten, zuvor noch nie gezeigten Bilder der Sonnenoberfläche vom Sonnenteleskop «Daniel K. Inouye» auf Hawaii sehen:
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)
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