Mit Wasser statt Luft gegen den Energieverschleiss
Europas schnellster Supercomputer wird mit Wasser statt mit Luft gekühlt und spart damit 40% Energie. Die Neuerung basiert auf einem Forschungsprojekt, an dem die ETH Zürich und der Computerhersteller IBM beteiligt sind.
Wer fliegt oder mit dem Auto unterwegs ist, ist ein Sünder. Wer chattet, sich auf Facebook austauscht oder an einer Video-Konferenz teilnimmt, trägt Sorge zur Umwelt: Diese Meinung ist weit verbreitet, aber falsch.
Es gibt keine offiziellen Zahlen, aber Schätzungen. Demnach stossen die Computer dieser Welt ungefähr die gleichen Mengen CO2 aus wie der gesamte Flugverkehr. Mit anderen Worten: Energieverbrauch und Effizienz-Steigerung sind zentrale Themen der Computerentwicklung, und das auch aus Kostengründen.
Die Ausgaben für den Bau und Betrieb eines Supercomputers, also eines grossen Hochleistungs-Rechenzentrums, entfallen je zur Hälfte auf die Bau- und Energiekosten. Bei Baukosten von rund 100 Millionen Franken sind die Energiekosten ein wesentlicher Faktor. Allein die Luftkühlung, die in den allermeisten Rechenzentren eingesetzt wird, macht die Hälfte des gesamten Stromverbrauchs aus.
«Computer wandeln die elektrische Energie zu hundert Prozent in Wärme um. Mit der Luftkühlung verschwindet diese Energie nutzlos an die Umgebung. In den meisten Fällen müssen wir die Luft vorher kühlen. Dazu kommt, dass wir zusätzliche Energie für die Ventilatoren aufwenden müssen, welche die austretende heisse Luft entfernen», sagt Dimos Poulikakos, Leiter des Laboratoriums für Thermodynamik in neuen Technologien der ETH Zürich gegenüber swissinfo.ch.
Wärmeaustauscher: die sensible Schnittstelle
Poulikakos steht vor dem Versuchs-Grossrechner Aquasar, der im Mai 2010 in Betrieb genommenen wurde. Gebaut hat ihn der Computerhersteller IBM. Die ETH hat das Kühlsystem entwickelt. Anstelle von gekühlter Luft fliesst Wasser durch die Anlage, kühlt sie, erwärmt sich dabei und versorgt anschliessend das Heizungs- und Warmwassersystem der ETH-Gebäude.
«Das Wasser fliesst in einem Kreislauf. Das System ist universell einsetzbar. Wir verwenden es zum Heizen. In heissen Ländern kann es in der Prozessindustrie, beispielsweise zum Entsalzen von Meerwasser verwendet werden», sagt Poulikakos. «Wir halbieren damit die Energiekosten, weil wir weder Luft kühlen, noch entfernen müssen. Zudem gewinnen wir die Wärme, statt sie zu verlieren.»
Das tönt relativ einfach, ist es aber nicht, denn Wasser leitet im Gegensatz zu Luft die Elektrizität. «Deshalb haben wir spezielle Wärmetauscher entwickelt und diese auf die nicht aktive Unterseite der Chips geklebt», sagt Poulikakos. «Der Prototyp Aquasar funktioniert seit Jahren problemlos.»
Gezielt wie Chirurgen
Doch die Forscher der ETH haben sich damit nicht zufrieden gegeben. «Die Kunst besteht darin, näher und näher an den Chip zu kommen, um die Wärme zu entfernen. Wir müssen also gezielt wie Chirurgen auf die Ebene Chip gehen, dorthin, wo es wirklich heiss ist, und von dort die Wärme wegnehmen. Die neue Technik, die wir entwickelt haben, führt das Wasser mit Mikrokanälen viel direkter an den Chip. Das ist effizienter. Das System scheint zuverlässig zu sein. Es ist eine Frage der Zeit bis zur Serienreife», sagt Poulikakos.
Serienreif ist hingegen das mit Aquasar angewendete und über Jahre erprobte System. «Aquasar ist ein gutes Beispiel dafür wie die Zusammenarbeit der Forschung mit der Industrie zu einem bahnbrechenden Produkt führen kann», freut sich Poulikakos.
IBM ist marktführend
Der Computerhersteller IBM wendet das Aquasar-System der Wasserkühlung seit einigen Monaten zum ersten Mal in einem grosstechnischen Massstab an: SuperMUC heisst der schnellste Supercomputer Europas, der im Sommer in der Nähe von München in Betrieb genommen wurde.
Die Leistung des Mega-Rechners ist enorm. Er kann bis zu drei Billiarden (das ist eine drei mit 15 Nullen) Rechenoperationen pro Sekunde durchführen. Genutzt wird er von der Forschung und der Industrie.
«Dank der Wasserkühlung können wir 40% der Energiekosten einsparen. Das sind auf die gesamte Lebensdauer bezogen rund 20% der Gesamtkosten», sagt Bruno Michel vom IBM-Forschungszentrum Zürich gegenüber swissinfo.ch: «Wir bieten das SuperMuc-System nun auf dem Markt an. In diesem Bereich sind wir führend.» Aber auch die Konkurrenz werde nun mit wassergekühlten Systemen auf den Markt kommen, so Michel.
Der Superrechner des Leibnitz-Rechenzentrums in Garching bei München verfügt über eine Rechenleistung, die derjenigen von 110’000 herkömmlichen Computern entspricht.
Konkret beträgt die Leistung des 100 Tonnen schweren SuperMUC drei Petaflops pro Sekunde. (FLOP = Floating Point Operations Per Second).
Das entspricht einer theoretischen Situation, in der drei Milliarden Menschen mit Taschenrechnern gleichzeitig pro Sekunde eine Million Berechnungen durchführen würden.
Der Superrechner wurde anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Leibnitz-Rechenzentrums im Juli 2012 eröffnet.
Damit ist Deutschland auf Platz vier der Weltbestenliste für Supercomputer aufgestiegen.
Der Spareffekt durch die Warmwasser-Kühlung macht gut eine Millionen Euro im Jahr aus.
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