Schweizer Drohnen und KI zählen Wildtiere in Afrika
Nach einem vielversprechenden ersten Testlauf in Namibia könnte ein Schweizer Projekt, das Drohnen und automatische Bildanalyse nutzt, die Naturschutz-Bemühungen in der Savanne unterstützen.
Um einen Eindruck zu erhalten, wie viele Tiere in einem bestimmten Gebiet leben, wird eine Wildzählung normalerweise in Echtzeit von Leuten mit scharfen Augen aus Autos oder Helikoptern heraus durchgeführt.
Das an der Eidgenössischen Technischen Hochschule LausanneExterner Link EPFL gestartete Projekt SavmapExterner Link, an dem Wissenschafter aus der Schweiz, Namibia und den Niederlanden beteiligt sind, nutzt jetzt Drohnen und Künstliche Intelligenz (KI), um wild lebende Tiere in Naturschutzgebieten effizienter zählen zu können.
«Das menschliche Auge ist sehr gut darin, Tiere zu erkennen, nicht aber darin, unzählige Bilder zu durchforsten. Computer können viel mehr Daten verarbeiten», erklärt der Schweizer Geoinformations-Experte Devis Tuia. Er hatte vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) einen persönlichen Förderungsbeitrag erhalten, um ein Labor aufzubauen, das datenwissenschaftlich Lösungen für die Nutzung von Fernerkundungs-Daten im Umweltbereich entwickelt.
Solche Technologien können genutzt werden, um die heute aktuellen Methoden zur Beobachtung oder Überwachung von Wildtieren an Orten wie zum Beispiel in Namibia zu verbessern.
Im Verlauf des vier Jahre dauernden Projekts, das letzten Monat abgeschlossen wurde, entwickelten Tuia und sein Team ein KI-System zur Untersuchung städtischer und natürlicher Umgebungen, einschliesslich umfangreicher Studien zur Erkennung von Tieren, die mit auf Drohnen montierten Kameras fotografiert wurden.
Felsen oder Oryx-Antilopen?
Das Grasland der Savanne ist sehr trocken, daher wachsen dort auch nicht viele Bäume – was die Savanne zu einem idealen Ort für die Forschung mit Unterstützung von Drohnen macht. Trotz der jährlichen Regenzeit können Überweidung und nicht nachhaltige Wassernutzung Dürren verschlimmern, zum Leidwesen der Tiere.
Das Kuzikus-NaturschutzgebietExterner Link in Namibia diente als Testgelände für das Schweizer Projekt. Forschende Studentinnen und Studenten überflogen 2014 und 2015 das ganze Reservat mit Drohnen, um Fotos zu machen. Pro Quadratkilometer sammelten die mit Kameras ausgerüsteten Drohnen etwa 150 Fotos. Der nächste Schritt war, jene Bilder zu sortieren, auf denen Tiere wie Oryx- und Kudu-Antilopen oder Zebras zu sehen waren.
«Dank Crowdsourcing konnten wir die KI-Arbeit wirklich an die Hand nehmen», sagt Tuia und erklärt, wie das Micromappers-TeamExterner Link des Computerforschungs-Instituts in Katar eine Plattform zur Verfügung stellte, die es Freiwilligen ermöglichte, die Luftbilder der Savanne zu durchforsten. So konnten die Daten zusammengetragen werden, die es brauchte, damit die Computer lernen konnten, alles identifizieren zu können, das wie ein grosses Tier aussieht.
Diese erste Phase des Eliminierens und Sortierens des Bildmaterials war die längste und mühsamste, wie Tuia sagt. Unterdessen kann ein Algorithmus mit hoher Genauigkeit Bilder markieren, auf denen Tiere zu sehen sind, und die Aufnahmen ohne Tiere aussondern.
«Damit das KI-System dies effizient tun kann, darf es kein einziges Tier übersehen. Es muss also eine ziemlich grosse Toleranz ausweisen, auch wenn das bedeutet, dass mehr falsch-positive Befunde erzeugt werden, zum Beispiel fälschlicherweise als Tiere identifizierte Büsche, die in einem nächsten Schritt manuell eliminiert werden müssen», sagt Tuia weiter.
«Am Anfang waren wir ziemlich skeptisch», erklärt Friedrich Reinhard, der Direktor des Naturschutzgebiets in Namibia. «Die Drohnen fertigten so viele Bilder an, dass ich dachte, es würde sehr schwierig sein, sie zu verwerten.»
Doch tatsächlich konnte dank der Vorarbeit des KI-Systems eine einzige Person in rund einer Woche eine vollständige Zählung der Tiere in dem Reservat durchführen, das eine Fläche von rund 100 Quadratkilometern hat.
«Es ist einfach für Parkaufseher, die vorselektionierten Bilder durchzusehen und mit einem ‹Ja› oder ‹Nein› zu markieren. Es verringert ihre Arbeitsbelastung, ohne ihren Job überflüssig zu machen», sagt Tuia.
Angst vor Wilderern
Anfangs waren Parkaufseher besorgt über das Teilen von Bildern, auf denen stark gefährdete Spitzmaul-Nashörner zu sehen waren: Aus Angst, dass Wilderer versuchen könnten, die Tiere aufzuspüren. Doch schliesslich konnten die Forschenden sie davon überzeugen, dass die Tiere bis zum Zeitpunkt einer Veröffentlichung der Bilder schon weitergezogen wären.
«Zu wissen, wo die Tiere sind und wie sie sich bewegen, hilft, sie zu schützen», erklärt Tuia und weist darauf hin, dass dieses Wissen über das Verhalten der wild lebenden Tiere hilfreich ist für deren Schutz. «So waren die Parkaufseher zum Beispiel interessiert zu sehen, ob die Tiere genug Futter zum Weiden hatten, und wenn nicht, konnten sie so bei Bedarf zusätzliche Nahrung bereitstellen.»
Die Möglichkeit, Tiere für Foto-Safaris aufspüren zu können, ist ein weiterer Weg, um touristische Einnahmen zu generieren, was die lokale Wirtschaft und die Schutzbemühungen ankurbeln kann.
Der Einsatz von Drohnen für die Wildzählung oder zum Aufspüren von Wilderern verringert auch das Risiko, dass Parkaufseher von illegalen Wildjägern umgebracht werden, die in der Regel schwer bewaffnet sind.
Nächste Schritte
Was nun optimiert werden muss, ist die Fähigkeit des KI-Systems, mit Bildern aus verschiedenen Tages- oder Jahreszeiten arbeiten zu können, wobei unterschiedlich lange Schatten und mehr oder weniger dichte Vegetation zu berücksichtigen sind.
«Das System befindet sich noch in der Prototyp-Phase. Es würde auch eine Benutzeroberfläche brauchen, um es auf die Desktops von Parkaufsehern zu bringen. Zudem sind wir gespannt darauf, zu sehen, wie es für Einsätze an anderen Orten, wie zum Beispiel Kenia, angepasst werden könnte», erklärt Tuia. Auch aus Südafrika gebe es Interesse.
Im Naturschutzgebiet Ol PejetaExterner Link in Kenia wird zurzeit ein ähnliches System getestet, das mit alternierenden Drohnen arbeitet, eine fliegt und macht Fotos, während die andere ihre Akkus lädt.
Tuia, der immer noch mit seinen ehemaligen Kollegen an der Universität Zürich und der EPFL zusammenarbeitet, ist heute Professor am Labor für Geoinformations-Wissenschaften und Fernerkundung an der Universität WageningenExterner Link in den Niederlanden.
Dort arbeitet er zurzeit an verschiedenen Geodaten-Projekten im Bereich Stadtplanung und Landnutzung, mit Blick darauf, bessere Städte zu gestalten sowie mit Abholzung und Pflanzenkrankheiten umzugehen.
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)
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