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Bedeutet die Rettung von Bienenvölkern einen Bruch mit der Tradition?

bees near opening of hive
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Honigbienen in der Schweiz sind mit vielen Bedrohungen konfrontiert. Experten haben neue Ideen vorgestellt, die mehr auf das Wohlergehen der Bienen als auf die Honigproduktion ausgerichtet sind. Das stösst bei traditionellen Imkern auf Widerstand.

In der Schweiz gibt es rund 18’000 Imkerinnen und Imker mit 165’000 Honigbienenvölkern. Die Bienendichte ist mit 4,0 Völkern pro km2 im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hoch. In Deutschland sind es 1,9, in Frankreich 2,5 und in Grossbritannien nur 1,3 Bienenvölker. Die Schweizer Zahlen stammen aus dem Jahr 2014, die anderen aus dem Jahr 2010. (Quelle: Agroscope)

Honigbienen und Wildbienen sind für 80% der Pflanzenbestäubung verantwortlich, so dass sie eine Schlüsselrolle bei der Nahrungsmittelproduktion spielen. Aber sie sind durch Lebensraumverlust, Krankheiten und Pestizide bedroht.

«Mehr als jedes andere Insekt hat die Honigbiene die Macht, unsere Herzen zu erobern und uns emotional mit den Wundern und Geheimnissen der Natur zu verbinden.» – Thomas Seeley

Eine Gruppe amerikanischerExterner Link und deutscherExterner Link Biologen und Biologinnen argumentiert seit Jahren, dass Bienen besser aufgestellt wären, wenn die Imkereipraktiken besser mit der Lebensweise von Wildbienen übereinstimmen würden. Die jüngste Veröffentlichung ist Torben Schiffers «Evolution der Bienenhaltung».

Doch ihre Ideen kommen bei Schweizer Imkern und Imkerinnen nicht immer gut an, die mehr wissenschaftliche Beweise für die Wirksamkeit der Vorschläge fordern. Sie weisen darauf hin, dass bienenfreundliche Anpassungen oft mehr kosten, schwierig oder unpraktisch umzusetzen sind und den Honigertrag reduzieren können.

Umgang mit Parasiten

Eine der grössten Herausforderungen für die Gesundheit von Honigbienen ist die aus Asien stammende Varroa Milbe. Wie sollten Imker mit ihr umgehen? 

Laut Jean-Daniel Charrière, Forscher am Zentrum für BienenforschungExterner Link von Agroscope, verwenden die meisten Schweizer Imker Ameisen- und Oxalsäure, um die Milben unter Kontrolle zu halten. Doch die Milben entwickeln Resistenzen gegen synthetische Substanzen.

Biologen befürchten, dass auch alternative Chemikalien den Bienen schaden könnten. In seiner Rede vor dem Landwirtschaftlichen Institut des Kantons Freiburg im November verglich er die Bienenzucht in der Schweiz mit intensiver Massentierhaltung, wie die «Freiburger NachrichtenExterner Link» berichteten. «Wir können die Bienen nicht gleichzeitig ausbeuten und erhalten», sagte er. Er erläuterte auch seine Vorstellungen über eine artgerechte, behandlungsfreie Bienenhaltung.

Mathias Götti Limacher, Präsident des Imkerverbandes BienenSchweizExterner Link, sagt: «Wir sind sehr dankbar für neue Ideen. Aber bevor wir praktische Empfehlungen aussprechen können, müssen wir sicherstellen, dass sie eine breite wissenschaftliche Unterstützung haben.»

Bessere Bienenhäuser

Manche Wissenschaftler plädieren für die präventive Tötung aller Kolonien, die keine Varroa-Resistenz aufweisen. Dieser Ansatz wird in der Schweiz nicht empfohlen. Die Imkerausbilderin Isabelle Bandi ist der Meinung, dass ein genereller Verzicht auf Chemikalien zu drastisch ist und ein Bestäubungsrisiko darstellt. Sie argumentiert, dass die Imker zuerst die Lebensbedingungen der Bienen verbessern sollten.

Resistente Bienen

Im Jahr 2019 unternahm eine Delegation von Schweizer Imkern eine Exkursion nach Wales, wo einheimische Bienen in isolierten Gebieten überlebt haben, die weniger anfällig für Krankheiten zu sein scheinen, da sie sich den örtlichen Bedingungen angepasst haben. Durch die vermehrte Züchtung dieser einheimischen resistenten Bienen hoffen die walisischen Imker, den durch den Befall mit Varroamilben verursachten Rückgang auszugleichen.

Die Reise gab den Schweizern einige neue Ideen zur Bekämpfung des Parasiten, aber BienenSchweiz ist gegen den Import von Bienenvölkern und meint, die Imkerei müsse an die lokalen Bedingungen angepasst werden. Götti erklärt: «Wir können nicht einfach Bienen aus Wales importieren und ihre Art der Bienenhaltung imitieren.»

Um das Risiko einer Kreuzkontamination von Varroa-Milben-infizierten Bienen zu verringern, plädieren einige Forscher für einen Abstand der Bienenstöcke von 30 bis 50 Metern. Dies ist in Ländern wie der Schweiz mit dichten Bienenpopulationen und traditionellen Haltungssystemen (bei denen die Bienenstöcke dicht übereinandergestapelt sind und alle Bienenvölker die gleiche Flugbahn haben) schwer zu erreichen.

So richtet Bandi ihre Bienenstöcke ein.

«Das Ziel ist, dass wir uns bei der Entwicklung der Bienenzucht dem Ideal nähern und nicht davon entfernen», findet Götti. Bandi fügt hinzu: «Wir müssen naturnahe Empfehlungen für die Bienenzucht in unsere Ausbildung einführen. Was jeder Imker bei sich selbst umsetzen kann, ist eine andere Sache.» 

Gefahr durch Insektizide

Die Bedrohung der Bienen durch in der Landwirtschaft eingesetzte Chemikalien wird auf politischer Ebene angegangen. Im Jahr 2019 wurde eine parlamentarische Gruppe für Bienen eingerichtet, und seit 2013 ist der Einsatz von drei Arten von Insektiziden auf Mais- und Rapspflanzen in der Schweiz verboten. Mit dem nationalen Massnahmenplan für die Gesundheit der BienenExterner Link (2014) wurden Bestimmungen eingeführt, um die pestizidbedingten Risiken für Bienenvölker in der Nähe von Kulturpflanzen zu verringern. Zwei Volksinitiativen gegen Pestizide sind eingereicht worden. Die eine zielt darauf ab, den Einsatz aller synthetischen Pestizide, die Bienen töten, zu verbieten. Die zweite Initiative, «Sauberes Wasser für alle», fordert, dass Subventionen künftig nur noch an Bauern gehen, die auf den Einsatz von Pestiziden verzichten.

(Übertragung aus dem Englischen: Sibilla Bondolfi)

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