Krebs-Wundermittel aus neuer Forschungs-Kooperation?
US-Behörden haben ein Medikament des Schweizer Pharmariesen Novartis gegen Leukämie freigegeben. Dieses soll den Durchbruch für die Therapie gegen eine besonders aggressive Art von Blutkrebs bringen. Das grüne Licht ist aber auch wegweisend für die Biotech-Forschung, denn Novartis hat den Wirkstoff zusammen mit Forschern von Universitäten entwickelt.
Die Freigabe des Leukämie-Medikaments Kymriah von vergangener Woche durch die US-Arzneimittelbehörde FDA (US Food and Drug Administration) machte Schlagzeilen rund um den Globus. Dies nicht zuletzt wegen des schwindelerregenden Preises für das neue Medikament: Die einmalige Behandlung, eine Wiederholung ist nicht nötig, kostet 457’000 Schweizer Franken, also fast eine halbe Million.
Hauptgrund dafür: Novartis stellt für jeden Patienten eine individuelle, spezifisch auf dessen Krebsbild zugeschnitte Formel her.
Die Freigabe kam auch viel rascher als erwartet. Grund war der Erfolg einer klinischen Testreihe: Darin überwanden 52 von 63 Patienten, also 83%, nach der Einnahme von Kymriah ihre Krankheit innert dreier Monate.
Nicht nur das Mittel ist neu, sondern auch die Art, wie es entwickelt, also «erfunden» wurde: Es ging aus einer fünfjährigen Zusammenarbeit Novartis› mit Forschern der US-Universität von Pennsylvanien hervor.
So wirkt Kymriah
Es ist das erste zugelassene Medikament, das auf der so genannten CAR-T-Technologie beruht. Es wird gegen eine besonders gefährliche Art von Leukämie bei Kindern eingesetzt. Diese war bisher kaum therapierbar, sind doch nach fünf Jahren nur noch 10% der Kranken am Leben. Das Medikament wirkt, in dem es bestimmte Zellen im Blut des Patienten verändert. In der Folge greifen die veränderten Zellen die Krebszellen an und vernichten sie.
Zentraler Punkt der Vereinbarung von 2012 war der Bau eines gemeinsamen Forschungszentrums auf dem Campus der US-Universität. Das Novartis-Penn Center for Advanced Cellular Therapeutics, an dem sich der Schweizer Multi mit knapp 20 Mio. Franken beteiligt, nahm seinen Betrieb 2016 auf.
Novartis erhofft sich davon einerseits bahnbrechende Entwicklungen im Bereich der spezifischen Immuntherapie. Die Schweizer haben sich andererseits aber auch die exklusive, weltweite Lizenz und somit die kommerziellen Rechte an dieser so genannten CAR-T-Technologie gesichert (siehe Box).
«Die Entwicklung vom Medikamenten ist ein Team-Sport, niemand kann das alleine tun. Kooperationen mit Hochschulen sind von entscheidender Bedeutung», sagt Novartis-Sprecherin Sileia Urech gegenüber swissinfo.ch.
«Es ist sehr anspruchsvoll, den richtigen Partner zu finden und Wege zu einer Zusammenarbeit zu entwickeln. Aber funktioniert es einmal, resultieren für beide Seiten grosse Vorteile daraus. Dazu zählen der Zugang zu unterschiedlichen Ideen und verschiedenen Technologien, die dazu beitragen können, die Entwicklung neuer Medikamente voranzutreiben.»
Im Zuge des Novartis/Pennsylvanien-Deals muss sich zeigen, ob solche Kooperationen punkto Forschung und Entwicklung künftig mehr Erfolge bringen. Immerhin gilt es dabei den historischen Graben zwischen den industriellen und den akademischen Forschungswelten zu überwinden. Auch müssen die von der Industrie geförderten klinischen Studien ethischen Standards entsprechen.
Schweizer Investment
In der Schweiz investierte Novartis im letzten Jahr knapp 3,5 Milliarden Franken in Forschung und Entwicklung. Der Pharmariese unterhält zurzeit mehrere Kooperationen mit Schweizer Hochschulen und Instituten, darunter der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) und dem Paul Scherrer Institut. Mit dem Universitätsspital Basel betreibt der Pharmagigant auch ein gemeinsames Projekt zur Erforschung von Leberkrankheiten. Darin untersucht Novartis Gewebeproben, die von Spitalpatienten stammen.
«Das aktive Zusammengehen mit dem akademischen Ökosystem in der Schweiz wird auch weiterhin eine unserer Prioritäten sein», sagt Urech.
Der grösste Teil des Budgets der Schweizer Hochschulen stammt nach wie vor von der öffentlichen Hand, sprich von Bund undKantonen. Aber in den vergangenen zehn Jahren haben Finanzierungsbeiträge von Privatunternehmen wie Novartis in der Schweiz zugenommen. 2014 machten sie immerhin schon 8,4% von der Gesamtfinanzierung aus, Tendenz steigend.
Dies hat Gegner auf den Plan gerufen. Sie sehen durch die Einbindung von Privatinteressen die Freiheit und Unabhängigkeit der Forschung in Gefahr.
Im April 2016 liessen sich laut einem Bericht des Schweizer Fernsehens SRF über 300 Schweizer Hochschulinstitute von Dritten, meist privaten Sponsoren, unterstützen. So finanziert das Pharmaunternehmen Sandoz, respektive dessen Stiftung, sechs Professuren in den Bereichen Chemie und Mikrobiologie, die sich auf vier Schweizer Universitäten verteilten. Neuere Zahlen sind nicht erhältlich.
Renat Kuenzi
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