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Schweizer Hightech kreist bald um den Mars

Ein Mann und ein Planetenmodell
Nicolas Thomas beschäftigt sich seit 2001 intensiv mit dem roten Planeten. swissinfo.ch / Christian Raaflaub

Die Universität Bern hat einen prestigeträchtigen Auftrag an Land gezogen: den Bau einer Kamera, die 3D-Bilder vom Mars aus nächster Nähe schiessen soll. Professor Nicolas Thomas leitet den Schweizer Teil des Projekts, an dem sich auch die einheimische Industrie beteiligen soll.

«Es war mein Lehrer in England, in der Oberstufe. Er hat mich für die Physik begeistert», sagt Nicolas Thomas mit einem breiten Grinsen.

«Er hatte einen ganz langen Namen und war ein echt harter Kerl, total diszipliniert. Wir haben viel gelernt von ihm.»

Thomas sitzt in seinem Büro im Physikalischen Institut hoch oben über den Gleisen des Berner Bahnhofs und erzählt von seiner Faszination für die Physik, besonders für Vorgänge auf anderen Planeten.

«Ich wollte nie Astronaut werden, das ist nicht mein Ding. Ich will auch nicht die Filmfigur ET finden», betont er. Was ihn viel mehr interessiert, sind die Regeln, denen die Physik auf Planeten und Sternen unterworfen ist.

«Wo andere Bedingungen herrschen, wo es etwa viel kälter oder viel wärmer ist als auf der Erde, sehen wir faszinierende Dinge. Das ist fantastisch!»

Der Auftrag

Im Januar dieses Jahres hat Thomas einen Anruf von seinem Kollegen Alfred McEwen von der Universität Arizona erhalten, mit dem er bereits an einem anderen Marsbeobachtungs-Projekt zusammenarbeitet. Die beiden bewarben sich für das erste gemeinsame Projekt der Raumfahrt-Agenturen NASA (USA) und ESA (Europa), eine Mars-Mission.

Der «Exomars Trace Gas Orbiter» soll, wie der Name andeutet, auf der Marsoberfläche nach Gas suchen. «Das Hauptziel ist, Bilder der Oberfläche in Farbe und in Stereo zu machen», erklärt Thomas, der seit 2003 die Abteilung Weltraumforschung und Planetologie am Physikalischen Institut in Bern leitet.

So sollen interessante Stellen der Oberfläche quasi in 3D zu sehen sein, was die Suche nach möglichen Landeplätzen oder Methangas-Vorkommen erleichtert. «Bei Methan denkt man vielleicht eher an Schweizer Kühe», witzelt der Professor. «Aber wir sind an der geologischen Erklärung interessiert.»

Einmal geortet, könne man mit der Kamera ganz genau in die Gasquellen hineinschauen. «Für mich ist das der spannende Moment. Wir können dann diese Stellen untersuchen und analysieren, ob es mit Leben zu tun hat – ich bin skeptisch. Aber wenigstens werden wir mit der Kamera den geologischen Einfluss sehen können.»

Leben auf dem Mars?

Ist der eigentliche Grund für die Mission, eine Antwort auf die Frage nach Leben auf dem Mars zu finden?

«Alles, was wir machen, geht im Prinzip in diese Richtung», sagt der 49-Jährige. «Ich glaube nicht, dass es Leben gibt auf dem Mars. Aber wir wissen es nicht mit Bestimmtheit.»

Vor drei Milliarden Jahren sei es auf dem Mars viel wärmer gewesen. Möglicherweise habe es damals Leben auf dem roten Planeten gegeben –»vielleicht in einer sehr primitiven Form. Diese Frage gilt es zu beantworten».

Kamera-Gehäuse

Der Auftrag für den Bau einer Kamera kommt in der Raumfahrtforschung einem Ritterschlag gleich. Seit Thomas in diesem Bereich forscht, seien Kamera-Missionen und -Experimente quasi «heilig». Bei diesem Programm der Amerikaner dabeisein zu dürfen, «ist eine fantastische Möglichkeit für uns. Eine Prestige-Angelegenheit».

Die Universität Bern baut das Gehäuse und die mechanischen Teile der Teleskop-Kamera, die um 180 Grad gewendet werden kann, um die Stereobilder zu ermöglichen. Für den Bau der Geräteteile wird das Team um Thomas einen Wettbewerb für die Schweizer Industrie ausschreiben.

Obwohl der Start erst 2016 geplant ist, sei der Fahrplan «relativ rasant». Viele Schritte seien nötig, bis dass das gesamte System einsatzbereit sei. «Wir müssen das Teleskop planen, das Design machen, das Teleskop bauen und dann testen. Unser Liefertermin ist nicht 2016, sondern das zweite Quartal 2013.»

Und dann geht es erst richtig los: Zusammenbau des Teleskops, Einbau der Elektronik, weitere Tests, Lieferung an die ESA, Zusammenbau mit der Raumsonde, mehr Tests, Lieferung in die USA zur NASA, Anbau auf die Rakete, Schlusstests, Start der Mission.

Alter Bekannter

Der Mars ist für Thomas und sein Team kein unbekannter Planet: Bereits 2001 war er in Arizona bei der Entwicklung des «High Resolution Imaging Science Experiment» (HiRISE) dabei, der seit 2006 um den Mars kreist und Bilder in nie dagewesener Auflösung schiesst (siehe Bildergalerie).

Seither sucht sein Team im Turnus von zwei Wochen die Marsoberfläche nach wissenschaftlich interessanten Sujets ab. «Manchmal haben wir sogar ein wenig Platz im Programm, um ein paar Bilder mehr zu schiessen, als vorgeschrieben. Dann muss ich selber etwas aussuchen, relativ schnell», erzählt er. Es sind exklusive Blicke auf eine faszinierende, fremde Welt.

Und er führt gleich vor, wie diese Suche vor sich geht: «Ist das eine Möglichkeit, oder eher jenes? Nein, das sieht langweilig aus. Ah, vielleicht da, reinschauen. Ja, machen wir ein Bild da! Klick, klick, klick. Das ist Adrenalin pur. Es ist zwar stressig, aber es macht Spass.»

Der alte Physiklehrer mit dem langen Namen hätte wohl seine helle Freude an seinem damaligen Schüler.

Am Bau des «High Resolution Stereo Color Imager», der Kamera auf der Mission «Exomars Trace Gas Orbiter», sind drei Institutionen beteiligt.

Die US-Universität Arizona ist Projektleiterin und für alle Daten zuständig.

Die Universität Bern fabriziert und testet Teleskop, Spiegel, Rotations-Mechanismus und die Füsse zur Montage der Kamera auf eine Plattform.

Ball Aerospace in Boulder, Colorado, ist für das Design der Instrumente, alle elektronischen Teile und den Zusammenbau der Kamera zuständig.

Die Kamera kann Stereobilder herstellen und so die Marsoberfläche dreidimensional sichtbar machen.

Sie dient ab 2016 primär zum Aufspüren von Gas und möglichen Landeplätzen für andere Missionen.

Am Schweizer Teil des Projekts arbeiten 12 Wissenschafter. Sechs aus Europa, darunter ein Schweizer sowie sechs aus den USA.

Es ist Teil des ersten gemeinsamen Projekts von NASA und ESA.

Das Teleskop wird etwa 6 Mio. Fr. kosten, das gesamte Projekt wird auf rund 30 Mio. Fr. veranschlagt. Den grössten Teil übernimmt die NASA, einen kleineren Teil das Schweizerische Raumfahrtbüro.

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