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Schweizer Hochschule surft auf E-Learning-Welle

Keystone

Kostenlose Online-Studienkurse, die allen offen stehen, sind aus den USA in Europa angekommen. Nach der ETH Lausanne wollen auch andere Schweizer Hochschulen so genannte Moocs (Massive Open Online Courses) ins Studienangebot aufnehmen.

Freie Bildung für alle! Lehrgänge im Internet auf höchstem Niveau, die von Massen absolviert werden, boomen. Ebenso rasch sind Kritiker auf den Plan getreten: Moocs sind eher Marketing-Instrument als Bildungs-Innovation, sagen sie.

Im letzten Jahr eroberten die E-Studien die höchste Bildungsstufe. Um den Trend nicht zu verpassen, sprangen die besten Hochschulen der Welt auf den Zug, respektive auf die Internet-Plattformen Coursera und Udacity. Oder sie stellten gleich eigene solche auf die Beine wie etwa edX und Futurelearn. Dazu gibt es auch private Anbieter.

Die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL) wurde im letzten Jahr zur 33. Partner-Uni von Coursera. Der erste E-Learningkurs betraf die Programmiersprache Scala und wurde von 53’000 Studierenden begonnen, das sind fünf Mal mehr als die Gesamtzahl der EPFL-Studierenden.

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Als einzige Elite-Hochschule Kontinental-Europas figuriert die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL) im Verbund. 2012 schrieben sich 53’000 Studierende für den EPFL-Kurs in der Programmiersprache Scala ein, die Schlussprüfung absolvierten 10’000. Ende 2013 will die EPFL mindestens 10 Online-Kurse anbieten. (RTS-swissinfo.ch)

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Begeistert

EPFL-Präsident Patrick Aebischer beschrieb das Potenzial der neuen Studienform als «Tsunami». Karl Aberer, Professor für Computer-Wissenschaften an der EPFL, ist derselben Meinung. «Ich bin mir fast sicher, dass Moocs grundlegende Änderungen bringen werden. Bereits wird diskutiert, dass es keine grossen Vorlesungssäle an Hochschulen mehr braucht.»

Im Frühling bietet die Hochschule neben dem Scala-Kurs weitere Online-Lehrgänge an, darunter digitale Signalverarbeitung, Computational Mathematics, Java-Programmierung und Wissenschafts-Informatik. Im Herbst sollen zehn weitere Kurse dazu kommen.

Ebenfalls im Herbst will die Schwesterhochschule ETH Zürich den ersten Online-Lehrgang anbieten. In Zürich will man in Sachen Moocs aber behutsam vorgehen und hat sich deshalb einen Zeitrahmen von zweieinhalb Jahren gesetzt, indem der neue Trend geprüft wird.

Die Moocs verkörpern laut Pablo Achard, dem Vizerektor der Universität Genf, die neueste Entwicklung im Bereich der höheren Bildung, die da sind Internationalisierung, Zusammenschluss von kleineren Elite-Universitäten und Erschliessen eines neuen Publikums. Im März wollen die Genfer ihre Moocs-Premiere ankünden. Ob auf der Coursera- oder edX-Plattform, steht noch nicht fest.

Die englische Open University startete die ersten Fernstudien-Programme in den 1970er-Jahren. US- und europäische Unis bieten seit über 10 Jahren Vorlesungen im Internet an.

Pilot der Schweizer Unis war von 1999-2008 der Swiss Virtual Campus, der mit 75 Mio. Franken alimentiert war. 

Nach Auslauf des Projekts lancierten die Unis eigene E-Learning-Programme, wodurch das Ziel des Swiss Virtual Campus erreicht wurde.

Nur ein Mode-Hype?

«Der Boom ist unzweifelhaft, namentlich in den USA. Aber es bleibt abzuwarten, ob Moocs nur eine Modeerscheinung sind, die vorüber geht, oder einen tiefgreifenden Wandel in der höheren Bildung darstellen», sagt Achard.

An der Universität Bern werden die Online-Kurse als Verbesserung des Lehrangebots betrachtet, geniessen aber keine Priorität. Kein Interesse haben bisher die Unis in Zürich, Basel und Lausanne gezeigt.

Letztere verfolgt eine andere Strategie. Seit 2009 ist die Uni Lausanne Partnerin von iTunes U, der Online-Plattform von Apple mit einem Angebot von tausenden von Kursen. Unter den hunderten von Hochschulen, die darauf vereint sind, figurieren auch Yale, das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Berkeley.

Massive Open Online Courses gibt es seit mehreren Jahren. Der Durchbruch erfolgte aber 2012, als die Start-ups Udacity und Coursera von der US-Universität Stanford abhoben. Im Dezember stiessen edX und Futurelearn auf den Moocs-Markt.

Nach vier Monaten wies Coursera in August 2012 über eine Million Kursteilnehmer aus über 190 Länder auf. Die aktuelle Teilnehmerzahl liegt bei über 2,5 Mio. Lernende. Sie können aus über 215 Kursen von 33 angeschlossenen Hochschulen auswählen.

Moocs ermöglichen Unis virtuelle Lernveranstaltungen, die hohe Qualität und soziales Networking inklusive Spiele verbinden.

Teilnehmer lernen daheim mittels kurzer Videos und können sich mit einer riesigen Gemeinde online über die Lerninhalte austauschen. Die Kurse umfassen einen Aufgabenteil sowie ein Schlussexamen.

Wirtschaftliche Gründe

Viele Hochschulen schliessen sich dem Trend aus ökonomischen Gründen an, versprechen sie sich doch von den Moocs eine Steigerung der Produktivität.

Für Aberer stehen aber andere Sachen im Vordergrund: neue Lernmethoden, Zugang zu tausenden neuer Kursteilnehmer und neue Wege für die Forschung und Analyse der Daten.

Die Ziele der EPFL sind aber noch höher gesteckt. Präsident Aebischer wird sich in diesem Jahr eine halbjährige Auszeit gönnen, während der er in Boston, San Francisco und Afrika das Potenzial der Moocs-Systeme als neue Lernform ausloten will. Bereits jetzt ist er überzeugt, dass sie eine einmalige Chance bei der Weiterentwicklung der höheren Bildung in Europa darstellten.

Als französischsprachige Hochschule habe die EPFL eine gewisse Verantwortung gegenüber den rund 220 Mio. französisch sprechenden Menschen auf der Welt. 2050 dürften es 750 Millionen sein, die meisten von ihnen in Afrika.

Zweifel

Nicht alle aber sind so enthusiastisch wie Aebischer, sehen doch einige Kritiker in den Moocs nicht viel mehr als ein neues Marketinginstrument.

Konrad Osterwalder, Verantwortlicher für Lehrentwicklung und –technologie an der ETH Zürich kann in den neuen Online-Lehrgängen nicht viel Innovatives erkennen. «In der Regel sind zehn Jahre alte, gut aufgebaute E-Learning-Kurse von höherer Qualität», ist er überzeugt.

Moocs sei ein Format, das man auffüllen müsse, was besser oder schlechter getan werde. Das meiste, was er gesehen habe, müsse kritisch gesehen werden, Perlen wären nur selten zu entdecken, lautet Osterwalders Kommentar. Interessant findet er immerhin den Community-Effekt des Lernens in Gruppen sowie ein grösserer Anfall von Daten aufgrund erhöhter Teilnehmerzahl.

Geld und andere offene Fragen

Moocs-Plattformen haben bisher Millionen von Dollar Risikokapital generiert. Noch nicht geklärt ist aber das ideale Geschäftsmodell, das Unis erlaubt, die Rechnungen zu bezahlen. Dies könnte über Gebühren für Lizenzen oder Abschlüsse geschehen. Eine Form wäre auch der Verkauf von Datenmaterial zur Personalrekrutierung an Firmen. Schweizer Hochschulen mit ihren vergleichsweise tiefen Studiengebühren müssen sich aber anderweitig orientieren.

«Es kann nicht darum gehen, einen hohen Gewinn zu machen. In der akademischen Welt dreht sich sehr viel um Präsenz. Ist man präsent, erhält man gute Studierende, die mehr Qualität bringen, und diese wiederum bringt mehr Sponsoren», sagt Aberer.

Unklar ist auch noch die Frage der Qualität und Anerkennung von Moocs-Abschlüssen. Die meisten Kurse werden noch nicht anerkannt. Namentlich in den USA gibt es aber starke Bemühungen in diese Richtung. Als Möglichkeiten nennt Aberer zertifizierte Prüfungszentren, überwachte Online-Prüfungen oder Unis, welche die Prüfungen durchführten.

«Wenn wir einen Kurs offen ausschreiben, ist es klar, dass wir ihn nicht anerkennen können. Sollten wir das aber künftig ändern, gäbe es nur für jene Moocs-Bestätigungen, die an der ETH Zürich immatrikuliert sind.»

Osterwalder ist überzeugt, dass die Frage der Anerkennung noch länger für Diskussionen sorgen wird. «Auch die ETH Zürich wird sich dem Thema eines Tages stellen müssen. Die heutige Diskussion ist heikel, so dass die meisten Unis sich ihr nicht ernsthaft stellen.»

(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)

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