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Solar Impulse glückt erster Nachtflug

Solar-Impulse fliegt die ganze Nacht hindurch. Keystone

Solar Impulse, das Schweizer Leichtflugzeug des Luftfahrtpioniers Bertrand Piccard, hat sein Ziel erreicht. Das erste solar-betriebene Flugzeug in der Aviatik-Geschichte war eine ganze Nacht lang in der Luft und ist am Donnerstagmorgen um 9 Uhr in Payerne gelandet.

Nach der Landung sagte Pilot André Borschberg, er habe eine «aussergewöhnliche Nacht» erlebt. «Ich freue mich, wieder hier zu sein.» Der Nachtflug ist die letzte Stufe des Solarabenteuers von Borschberg und Piccard.

«Als du gestartet bist, herrschte noch eine andere Aera», sagte Piccard zur Begrüssung seines Kollegen. «Und jetzt bist du in einer neuen Aera gelandet, in welcher die Leute verstehen, dass man mit erneuerbarer Energie unmögliche Sachen machen kann.»

Borschberg und die Missionskontrolle waren beim Erreichen des Rekords am Donnerstagmorgen in Jubel ausgebrochen.

Die Solar Impulse war am Mittwochmorgen gegen 7 Uhr in Payerne, Kanton Waadt, zu ihrem Testflug aufgebrochen. Grund für den frühen Start: Die Batterien mussten genügend Zeit haben, um Energie zu speichern. Nur so war es dem Flugzeug möglich, die Nacht hindurch ohne Treibstoff in der Luft zu bleiben.

Während der Nacht sank das Flugzeug aus einer Höhe von 8500 Metern wie vorgesehen auf 1500 Meter ab, um dort bis zur Landung zu verbleiben. Es kreiste während des ganzen Fluges über dem Neuenburger-, dem Murtensee und dem Jura.

Das revolutionäre neue Flugzeug verbirgt eine Fülle von State-of-the-Art-Technologie und wird von innovativem Design geprägt.

Beim Bau, bei Tests und dem Fliegen des Prototyps haben rund 80 Partner, darunter auch viele Schweizer Unternehmen, mitgewirkt.

Einer der Jubelnden ist André Borschberg, der Schweizer Pilot und CEO von Solar Impulse.

Er ist auf dem Flugplatz Payerne nördlich von Lausanne am Donnerstag nach einem 24-stündigen Flug über der Schweiz glücklich gelandet.

Der Nachtflug ist eine weitere Phase des Projekts der Solar-Abenteurer Borschberg und Bertrand Piccard. Der nächste Schritt, der in den kommen Wochen erfolgen soll, wird ein 36-Stunden-Nonstop-Flug sein. Dieser soll beweisen, dass ein Solarflug über einen grösseren Zeitraum möglich ist.

Langfristiges Ziel der beiden: 2013 mit einem zweiten, leichteren Flugzeug in fünf Etappen in 20 bis 25 Tagen die Welt zu umfliegen.

Rekorde brechen sei jedoch nicht das Hauptziel, auch nicht eine Erdumkreisung allein mit Solarenergie, erklärte Piccard, dem 1999 die erste Nonstop-Ballonfahrt um die Welt gelang.

«Es ist viel mehr als nur ein luftfahrtechnisches Abenteuer, es ist eine technische Demonstration von dem, was die Gesellschaft in Bezug auf erneuerbare Energien zu bieten hat», sagte er. «Wir wollen den Einsatz dieser Technologie in Autos, Heizungen, Computer oder Klimaanlagen, usw. fördern.»

Sieben Jahre hat es gedauert, bis sich Piccards und Borschbergs «unmöglicher» Traum erfüllte. Realisiert wurde er dank der Mitarbeit von 50 Ingenieuren und Technikern, die von 100 Experten und Wissenschaftern unterstützt wurden.

Die Herausforderung bestand darin, ein grösseres und leichteres Flugzeug zu konstruieren, als vorher je gebaut worden war, damit es Tag und Nacht aus eigener Kraft fliegen kann, komplett mit Solarenergie angetrieben.

Unter Vorwegnahme des künftigen technischen Fortschrittes präsentierte das Team 2006 das Ergebnis eines Kompromisses zwischen Auftrieb, Aerodynamik und der grösstmöglichen Oberfläche für die Solarzellen: Ein segelflugzeugähnliches Gerät mit einer Spannweite von 63,4 Metern – das entspricht einem Airbus A340 – aber mit einem Gewicht von lediglich 1600 kg (entspricht etwa einem kleinen Mittelkassewagen).

Schweizer Know-how

Auf der Suche nach Flugzeugbauern und Solar Know-how begab sich Piccard zuerst in die Vereinigten Staaten. Tatsächlich aber sind viele der 80 Partner Schweizer Firmen.

«Es ist beruhigend, dass wir in einem Land wie unserem alles haben, um ein solches Projekt zu verwirklichen», sagte er.

Das ultraleichte Skelett des Rumpfes, die Kabine und die Flügel wurden durch die Spezialfirma Decision SA in Ecublens gefertigt. Die Firma hatte schon beim Bau der Yacht Alinghi mit der mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) zusammengearbeitet.

«Zu Beginn hatten wir zwar ein Gewichtsziel, aber wir wussten nicht, wie wir es realisieren könnten. Wir dachten, das sei unmöglich», erklärte Decision-Direktor Bertrand Cardis.

«Nach einem Jahr und unzähligen Tests kamen wir schliesslich auf eine Wabenstruktur aus einer Kohlefaser Sandwich-Bauweise mit Karbon, die nur 93 g pro Quadratmeter wiegt», erklärte Cardis.

Technologischer Fortschritt

Die 200 m2 grosse Flügeloberseite ist mit einer flexiblen Haut von 11’000 monokristallinen Siliziumsolarzellen bedeckt, jede 150 Mikrometer dick, entwickelt von SunPower, in Zusammenarbeit mit der Universität Neuenburg.

Die jüngsten Fortschritte in der Solarzellen- und Akku-Technologie seien wirklich unglaublich», sagte Piccard. «Verglichen mit 2003 hat sich die Energieeffizienz von 16 auf 22% erhöht. Und die Zellen sind jetzt nur noch halb so dick.»

Ingenieure von Solvay haben ein Elektrolyt entwickelt, das dem Batteriebauer Kokam erlaubt, die Energiedichte der Lithium-Polymer-Akkus von 150 auf 240 Wattstunden pro Kilogramm zu erhöhen.

Die besten Aerodynamik-Experten aus Deutschland gestalteten die Propeller und die Schweizer Firma Etel aus Môtiers baute die vier «leichtesten und effizientesten Motoren» die gleich viel produzieren wie ein kleiner Roller.

Wachsam bleiben

Um grösstmögliche Effizient zu erreichen, muss Solar Impulse sehr langsam fliegen – 43 bis 70 Kilometer pro Stunde. Das macht das Gerät sehr empfindlich für Turbulenzen und Seitenwind. Daraus ergibt sich eine schwierige Handhabung.

«Das Flugzeug verlangt viel Aufmerksamkeit. Es besitzt keinen Autopiloten, man kann also nicht dösen», sagte Claude Nicollier, der ehemalige Schweizer Astronaut, der das Piloten-Team leitet.

«Es reagiert langsam, da es nur manuelle Steuerungsmöglichkeiten hat – Schubstangen, Kabel und Direct-Input-Mechanismen. Man muss sich daran gewöhnen, dass es eine Tendenz zur Überkompensation hat.»

Der Schweizer Uhrenhersteller Omega hat ein spezielles Instrument entwickelt zur Anzeige von Flugrichtung und Querneigung, die unter 5% gehalten werden muss. Die Firma hat mit der EPFL auch bei der Entwicklung einer vibrierenden Jacke und einer akustischen Warneinrichtung zusammengearbeitet. Diese soll den Piloten bei ungewöhnlichen Bewegungen warnen.

Nächsten Monat beginnen Designarbeiten bei einem zweiten Flugzeug. Im Cockpit müssen Änderungen vorgenommen werden, damit es ein Pilot fünf Tage und Nächte darin aushält. Das Flugzeug muss auch über eine bessere Aerodynamik verfügen, bessere Flugleistungen aufweisen und ein Fahrwerk haben, mit dem überall auf der Welt landen kann. Weiterverwendet werden könnten dagegen die Flügel, sagte Nicollier.

Laut Plan werden sich Piccard und Borschberg im neuen Flugzeug abwechseln und die Welt in fünf Etappen umfliegen.

Zwar schreitet der technologische Fortschritt schnell voran», sagte Piccard. «Aber um in einem Zweisitzer non-stop um die Welt zu fliegen, bräuchten wir einen grossen technologischen Sprung, der sich derzeit aber am Horizont nicht abzeichnet.»

Simon Bradley, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

Solar Impulse ist ein Projekt von Bertrand Piccard und André Borschberg.

Sie möchten 2013 eine Erdumrundung in mehreren Etappen schaffen – mit einem speziell konstruierten Solarflugzeug.

Der Prototyp ist 2009 fertig gestellt worden – nach 7 Jahren Vorarbeit eines 70-köpfigen Teams.

Das 2. Flugzeug, das 2011 gebaut werden soll, ist für den eigentlichen Flug gedacht.

Ziel des Projektes ist es, die Menschen für die Notwendigkeit des Energiesparens und der Nutzung und Förderung von erneuerbaren Energien zu sensibilisieren.

Solar Impulse hat bereits erste erfolgreiche Flüge bei Tageslicht hinter sich.

Während Piccards und Borschbergs geplanter Flug um die Welt eine Premiere wäre, haben bereits einige Gruppen erfolgreich Solarflüge durchgeführt.

Die US-Raumfahrtbehörde Nasa konnte 1997 einen Erfolg vermelden, als ihr «Pathfinder» – ein leichter, unbemannter, fliegender Flügel – aus eigener Kraft auf 21’793 Meter aufstieg.

2001 erreichte das ferngesteuerte Flugzeug «Helios» eine Höhe von 29’534 Metern – eine inoffizielle Weltrekordhöhe für Solarflugzeuge. 2003 stürzte «Helios» in der Nähe von Hawaii ab.

Das erste wirklich ernstzunehmende Solarflugzeug war «Solar Challenger» von der Firma Aerovironment, das 1981 den Ärmelkanal überquert hatte.

Bertrand Piccards Grossvater war als erster Mensch in einem Ballon in die Stratosphäre aufgestiegen.

Sein Vater war vor 50 Jahren rund 11’000 Meter zum tiefsten Punkt der Meere getaucht.

Bertrand Piccard hat bereits 1999 als Erster mit einem Heissluft-Ballon die Erde umflogen.

Er plant nun zusammen mit Borschberg eine 20-tägige Weltumrundung in einem mit Solarenergie getriebenen Flugzeug.

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