Südafrikas Waschproblem: Hat eine Schweizerin die Lösung?
Schweizer Forschende haben einen wasser- und energieautarken Waschsalon entwickelt. Er soll in südafrikanischen Siedlungen ohne Wasseranschluss zum Einsatz kommen.
Die Situation in Kapstadt war dramatisch im September 2017: Der Millionenstadt ging das Wasser aus. Das Hotel, in dem die Schweizerin Devi BühlerExterner Link übernachtete, forderte die Gäste dazu auf, so wenig wie möglich zu duschen und die Handtücher nicht in die Wäsche zu werfen.
Devi Bühler war mit einer Delegation der Schweizer Botschaft an den Innovation Summit in Kapstadt gereist. An diesem jährlichen Anlass tauschen sich Forschende und Unternehmer aus. In diesem Jahr stand alles im Zeichen der Wasserkrise.
Eine Dürre führte in der Region Westkap ab 2015 zu einer schweren Wasserknappheit. Die Regierung der Provinz erklärte die Region zum KatastrophengebietExterner Link. Mit drastischen Restriktionen bekam sie die Lage bis 2019 in den Griff. Das Wasserproblem ist aber nicht gelöst. Südafrika zählt zu den trockensten Ländern der Welt. Klimawandel, Bevölkerungswachstum sowie die Landwirtschaft verschärfen das Problem. Die Wasserknappheit führt zu sozialen Spannungen und Diskussionen über die Verteilungsgerechtigkeit.
Devi Bühler ist Wissenschaftlerin am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Sie hat sich unter anderem auf biologische Wasseraufbereitung und Reinigung von «Grauwasser» spezialisiert. Dazu zählt Abwasser von Bad, Küche und Waschmaschine. Ebenso forscht Bühler im Bereich dezentrales Wassermanagement, nachhaltiges Bauen und der sozialen Akzeptanz dieser Technologien.
Am Innovation Summit tauschte sie sich mit südafrikanischen Unternehmern aus. Es war die Geburtsstunde des LaundReCycle, des ersten energie- und wasserautarken Waschsalons. Der Container mit Waschmaschine benötigt keinen Strom-, Frischwasser- oder Abwasseranschluss und ist deshalb ideal für das wasserarme Südafrika. «Dass ich vor Ort sah, welche Probleme es gibt, hat mich enorm motiviert», sagt Bühler.
So sah sie beispielsweise, dass in informellen Siedlungen ohne Wasseranschluss und mit instabiler Energieversorgung die meisten Menschen die Wäsche von Hand waschen. «Manche betreiben ein Minibusiness, indem sie Wäsche für andere waschen», sagt Bühler. «Ich sah dort eine Marktlücke.»
So funktioniert der Waschsalon
Zurück in der Schweiz beantragte Bühler beim Bund erfolgreich eine finanzielle Unterstützung des Forschungsprojektes, das insgesamt 300’000 Franken kosten soll.
Letztes Jahr baute sie zusammen mit weiteren Forschenden einen Prototyp, der auf dem Areal der Hochschule in Wädenswil betrieben wird.
«Die Wäsche wird mit Frischwasser gewaschen, das Abwasser kommt in einen Tank und wird in einem zweistufigen Verfahren gereinigt sowie mit einer UV-Lampe desinfiziert und anschliessend für den nächsten Waschgang verwendet», erklärt Bühler. Das zweistufige Reinigungsverfahren umfasst eine mechanisch-physikalische sowie eine biologische Reinigung mittels Mikroorganismen im Biofilter.
Pro Waschgang gingen im ersten Pilotbetrieb 30% an Wasser verloren. Aktuell sind die Forschenden dabei, diesen Wasserverlust weiter zu reduzieren. Der Wasserverlust wird mit aufgefangenem Regenwasser ausgeglichen. Betrieben wird die Anlage mit Solarenergie. Eine Solarbatterie kann überbrücken, wenn die Sonne mal zu wenig scheint.
Ein südafrikanischer UnternehmerExterner Link wird vor Ort den gleichen Waschsalon aufbauen. Eine NGOExterner Link stellt ein Grundstück zur Verfügung, wo sie den Waschsalon betreibt und damit Arbeitsstellen schafft.
Die ZHAW plant im Januar mit der Schweizer Botschaft in Südafrika einen offiziellen Eröffnungsevent der Anlage in Kapstadt – wegen Corona im kleinen Rahmen.
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Grauwasser zu nutzen, ist in Südafrika normal
Ziel ist es, den Waschsalon in Südafrika zu einer marktfähigen Lösung weiterzuentwickeln. Wenn alles gut geht, soll dereinst ein Spin-off gegründet werden. «Die Idee ist grundsätzlich skalierbar», sagt Bühler. «Wenn es erfolgreich läuft, könnte die NGO mehrere solcher Waschsalons betreiben. Einerseits in informellen Siedlungen ausserhalb Kapstadts, aber auch im Stadtzentrum für Obdachlose.»
Devi Bühler ist auch mit Forschenden von Universitäten in Südafrika in Kontakt. Diese haben als Freundschaftsdienst angeboten, in ihrem Labor Wasserproben des Waschsalons zu untersuchen. Damit soll überprüft werden, ob die Reinigungsleistung vor Ort funktioniert und das recycelte Wasser unbedenklich wiederverwendet werden kann.
Es ist wichtig, dass das aufbereitete Wasser keine Verfärbungen verursacht. «Wir haben das in unserem Pilotbetrieb mit weisser Wäsche getestet», sagt Bühler. Die Wäsche sei weiss geblieben. Dennoch solle dieser Punkt im Pilotbetrieb in Kapstadt weiter untersucht und verbessert werden.
Die Stellenbosch Universität nutzt auf dem CampusExterner Link übrigens ähnliche Prinzipien des Wasser-Managements wie der LaundReCycle: Regenwasser einfangen, Grauwasser wiederverwertenExterner Link – zum Beispiel wird Duschwasser aufbereitet und für die WC-Spülung benutzt – und Verbrauch reduzieren.
«Südafrikaner sind sehr offen dafür, Grauwasser zu nutzen», sagt Bühler. Auf die Idee mit dem energie- und wasserautarken Waschsalon sei ihres Wissens aber noch niemand gekommen.
In der Schweiz ist Wassersparen kaum ein Thema
Für die Schweiz ist Devi Bühlers Erfindung übrigens nur bedingt geeignet: Da im Winter die Sonne selten scheint, müsste die Solarbatterie enorm gross sein, um einen komplett energieautarken Betrieb sicherzustellen. «Irgendwann wird das völlig sinnlos», so Bühler.
«Auf einer abgelegenen Alp ohne Anschlüsse könnte man den Container theoretisch benutzen», so Bühler. «Aber in der Schweiz müsste man das System der Grauwasser-Wiederverwertung auf Bad und Küche ausweiten, damit es Sinn macht.» In Südafrika sei die Idee viel interessanter, nicht nur wegen des Klimas, sondern auch wegen der Marktsituation. «Und je teurer und instabiler die Energie- und Wasserversorgung, desto interessanter ist diese Lösung.»
Was für die Schweiz aber interessant sein könnte, ist die verwendete Reinigungstechnologie. Angesichts des Klimawandels wäre es laut Bühler begrüssenswert, wenn auch in der Schweiz vermehrt Grauwasser genutzt würde. Leider sei von Seiten der Behörden keine grosse Begeisterung zu spüren. Es bestehe wenig Anreiz, denn Wassersparen sei in der Schweiz – dem Wasserschloss Europas – weniger ein Thema als Energie zu sparen.
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