Ein Schweizer erforscht eine neue Idee zur Bekämpfung von Malaria
Jeremy Herren und sein Team in Kenia haben eine Mikrobe entdeckt, die in Stechmücken den Malaria-Erreger ausschaltet.
Als Jeremy Herren 2014 die Schweiz verliess und in Kenia ein kühnes, neues Forschungsprojekt startete, glaubten neben ihm nicht viele an einen möglichen Erfolg. Nun, nach sechs Jahren Forschung, konnte Herren und sein Team ihre Idee zur Bekämpfung der Malaria in der renommierten Wissenschaftszeitschrift «Nature CommunicationsExterner Link» publizieren. Internationale Medien berichteten anerkennend über die Studie, von der britischen BBCExterner Link über die deutsche ARDExterner Link, bis hin zur französischen Zeitschrift Le PointExterner Link, die Herrens Forschung als «revolutionär» bezeichnete.
Herren selbst hält sich mit Superlativen zurück. «Was wir entdeckt haben, ist sehr vielversprechend», sagt der 35-jährige Schweizer per Videokonferenz in seinem Homeoffice in Nairobi. «Doch es ist erst ein Anfang. Wir haben noch viele Herausforderungen zu meistern, bis uns in der Praxis eine neue Strategie gegen die Malaria zu Verfügung steht.»
Das möglicherweise Revolutionäre, das Herren und sein Team gefunden haben, ist eine Mikrobe, die natürlicherweise in etwa 5 Prozent einer in Ostafrika verbreiteten Mückenart vorkommt. Dieser Microsporidia MB genannte einzellige Pilz schadet den Mücken nicht, sondern hat im Gegenteil zur Folge, dass sie keine Malaria-Parasiten in sich tragen.
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Wegen des Malaria-Erregers kann man weibliche Anopheles-Mücken durchaus als die gefährlichsten Tiere der Tropen und Subtropen bezeichnen. Rund 400’000 Menschen, hauptsächlich Kleinkinder, sterben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedes Jahr an Malaria. Etwa 90 Prozent aller Malaria-Erkrankungen gibt es in afrikanischen Staaten südlich der Sahara.
Die betroffenen Staaten und internationale Organisationen konnten die Tropenkrankheit seit 2000 stark zurückdrängen, nicht zuletzt dank der Verteilung von insektizidbehandelten Moskitonetzen. Doch in den letzten Jahren ist der Kampf gegen Malaria ins Stocken geraten. Gemäss einer Studie der WHO könnte nun die Covid-19-Epidemie schlimmstenfalls gar dazu führen, dass sich die Zahl der Malaria-Toten verdoppelt, weil der Zugang zu Moskitonetzen, Insektiziden und Medikamenten eingeschränkt ist. Experten sind sich weitgehend einig, dass es für die Malaria-Bekämpfung neue Strategien braucht.
Dengue-Forschung als Vorbild
Jeremy Herren initiierte das Forschungsprojekt als Postdoktorand am Internationalen Insektenforschungsinstitut (icipe) mit Hauptsitz in Nairobi. In der kenianischen Hauptstadt hatte er bereits als Jugendlicher mit seinen Eltern gewohnt. Danach studierte er Biologie in Grossbritannien und den USA. Das Doktorat führte ihn an die ETH Lausanne. «Es war schön, wieder in der Nähe meiner Familie zu sein», sagt Herren über seine Zeit in der Heimat. «Und das Forschungsumfeld ist in der Schweiz wirklich gut.»
Das vor 50 Jahren von afrikanischen Wissenschaftlern gegründete icipe hat auch einen Forschungsstützpunkt im Westen Kenias. Dort, am Victoriasee, verbrachte Herren viele Wochen, um die wildlebenden Insekten zu studieren. «Anders hätten wir diese Mikrobe nicht gefunden», sagt Herren, «denn Moskitos, die man in einem Labor hält, verändern sich stark gegenüber ihren wildlebenden Artgenossen.»
Die Forscher fanden schliesslich eine pilzähnliche Mikrobe. Doch zuerst suchten sie nach einem Bakterium, was nach wissenschaftlichen Erfolgen in der Bekämpfung des Dengue-Fiebers nahelag. In Nordaustralien konnten ganze Dengue-Mücken-Populationen mit dem Wolbachia-Bakterium infiziert werden, wodurch diese Region über vier Jahre lang Dengue-frei blieb.
Offene Fragen
Das Schweizerische Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) ist selbst in der Malariabekämpfung aktiv und unterstützt als sogenanntes WHO-Kooperationszentrum in dieser Hinsicht auch die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO). Christian Lengeler, Abteilungsleiter am Swiss TPH und Professor für Epidemiologie an der Universität Basel, findet Herrens Forschung «biologisch gesehen sehr interessant». Doch er warnt vor übertriebener Euphorie, was die praktische Anwendung betrifft: «Vermutlich wird man noch zehn Jahre Entwicklung benötigen, um nur schon sagen zu können, ob dieser Ansatz für die Malariabekämpfung taugt.»
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Für Lengeler gibt es noch einige offene Fragen. Etwa, ob die Mikrobe auch in anderen Moskito-Arten vorkommt und wirkt, die in der Studie nicht untersucht wurden. Oder, wie man Microsporidia, die viel schwieriger zu züchten seien als Bakterien, genügend stark verbreiten kann, damit sich ganze Moskito-Populationen damit anstecken.
Genau solche Fragen treiben auch Jeremy Herren um. Derzeit sucht sein Team nach weiteren vielversprechenden Mikroben in verschiedenen Moskito-Arten; zumindest komme die gleiche Mikrobe auch in einer in Westafrika verbreiteten Art vor.
«Das Gute an Microsporidia MB ist, dass es von Männchen auf Weibchen übertragen wird und von diesen auf die Nachkommen», sagt Herren. «Eine Verbreitungsstrategie besteht darin, dass wir viele stark infizierte Männchen züchten und freilassen, dann könnte sich innert kurzer Zeit ein grosser Teil der Mückenpopulation anstecken.»
Mit entsprechenden Versuchen haben die Wissenschaftler um Herren begonnen – in Treibhäusern, die dem natürlichen Lebensraum nahekommen. Ob Jeremy Herren auch diese Herausforderung meistern kann, wird womöglich seine nächste wissenschaftliche Publikation zeigen.
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