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Varroe-Milben jagen, um Bienensterben zu stoppen

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Unter Schweizer Koordination startet die Forschung eine neue internationale Offensive gegen die "Varroa destructor". Diese Milbe ist massgeblich am Bienensterben der letzten Jahre schuld.

Unerwartet und unerklärlich: So präsentiert sich das Bienensterben seit den 1990er-Jahren nicht nur in Europa, sondern auch in China und Nordamerika.

In der Schweiz seien in den Jahren 2003 und 2008 Mortalitäts-Höchstwerte erreicht worden, sagen Forscher von Agroscope Liebefeld-Posieux. Den Winter 2007/2008 hätten beispielsweise rund 18% der Bienenvölker nicht überlebt. Im Kanton Freiburg sei sogar jedes dritte Bienenvolk eingegangen.

Dieses Phänomen habe nicht nur die Imker in Alarmbereitschaft versetzt, sondern auch die ganze Wissenschaft im Agrarbereich. Denn die Bestäubung von Wild- und Kultur-Pflanzen hängt zu grossen Teilen von den Honigbienen ab.

Effizienteste Bestäuberin

«Die Honigbiene ist die effizienteste Bestäuberin im Tierreich», und sie tue dies ganz generell bei vielen Pflanzen, sagt der Agroingenieur Jean-Daniel Charrière. Zu dieser Effizienz gehöre, dass die Biene Informationen über bestäubbare Pflanzen innerhalb des eigenen Volkes weitergebe.

Ausser dem ökologischen Schaden, den das Verschwinden dieser Insektenart anrichte, ergäben sich laut Charrière enorme wirtschaftliche Beeinträchtigungen.

Eine deutsch-französische Studie schätzte 2008 den wirtschaftlichen Wert der Bestäubung von Pflanzen weltweit auf rund 153 Mrd. Euro pro Jahr. Diese Summe entspreche etwa einem Zehntel der gesamten Nahrungsmittelproduktion für die Menschheit.

Da die Biene auch Wildpflanzen bestäubt, erhält sie die Pflanzen- und Tierwelt, die Schönheit der Landschaft und die Qualität des Bodens.

Die ALP-Forscher beziffern den Wert der Frucht- und Beerenernte in der Schweiz, die auf Bienen-Bestäubung zurück geht, auf 270 Mio. Franken. Die Produkte aus der Bienenkultur wie Honig, Bienenwachs oder Gelée Royale dürften weitere 65 Mio. Franken ausmachen.

Die Bienenzucht figuriert somit innerhalb der aus Tierzucht hergestellten Produkte an dritter Stelle, nach der Rinder- und Schweinezucht, aber noch vor der Geflügelzucht.

Messen, Analysieren, Reagieren

Angesichts dieses Schadenpotenzials ist verständlich, weshalb die Forscher aufgerufen sind, den Ursachen auf den Grund zu gehen und mögliche Gegenmittel zu suchen.

Wichtig ist auch, entsprechende Statistiken zu erstellen und die Schäden zu beziffern.

Die Agroscope-Experten hätten deshalb begonnen, die Bienenvölker auf nationaler Ebene statistisch zu durchleuchten, sagt Charrière.

Parallel dazu haben die Forscher Umfragen unter den Bienenzüchtern gemacht, um diesem ungewöhnlichen Sterben nachzugehen.

Effizienter durch Netzwerke

Um das Problem bestmöglichst einzukreisen und Methoden herauszufinden, wie die Bekämpfung am besten anzugehen wäre, sei eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene wichtig, sagt Peter Neumann vom ALP-Zentrum für Bienenforschung.

So sei 2006 das Netzwerk «Coloss» entstanden (Prevention of Honeybee Colony Loss). Unter der Leitung der Agroscope tauschen zur Zeit rund 148 Mitglieder aus 35 europäischen, asiatischen und amerikanischen Ländern Daten aus.

Etliche Faktoren tragen dabei zum Bienensterben bei, aber der wichtigste Grund scheint die Milbe mit Namen Varroa destructor zu sein. Andere Gründe wie Krankheiten, Pestizide, Änderung in der Imkerwirtschaft helfen nur mit.

Die ALP-Forscher sind sich inzwischen sicher, dass der Bienenfeind Nr. 1 Varroa heisst – ihn gilt es zu bekämpfen. Der aus Asien stammende Parasit wurde Ende der 1970er-Jahre in Europa erstmals identifiziert – in der Schweiz erst vor rund 25 Jahren. Und bereits bedroht er die Existenz der Biene – einer Insekte, die schon seit über 30 Millionen Jahren existiert.

Neue Formen des biologischen Kampfs

Ist es möglich, die Varroa-Milbe auszurotten? Das bezweifeln die Experten. Besser wäre es, eine Art Gleichgewicht zwischen der Biene und ihrem Parasiten zu erreichen, wie dies bei der asiatischen Bienenart der Fall ist.

Zu Beginn wurden synthetische Akarizide eingesetzt, doch der Parasit entwickelte dagegen eine Resistenz. Seither entwickeln ALP und internationale Experten organische Säuren und ätherische Öle als eine Art biologische Kampfstoffe, um einerseits die Resistenz der Bienen zu erhöhen und andererseits die Reproduktion der Varroa zu dämpfen.

swissinfo, Sonia Fenazzi
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)

Die parasitäre Milbe beisst sich bei der Honigbiene fest, ähnlich wie der Blutegel beim Menschen.

Die Reproduktion findet nicht auf der erwachsenen Biene statt, sondern in der Bienenbrut.

Da die Bienen im Winterhalbjahr keine Brut pflegen, müssen die Milben vollständig auf die Bienen wechseln, um zu überleben.

1977 wurden von der Milbe befallene asiatische Honigbienen zu Forschungszwecken nach Deutschland geholt. So fand die Varroa ihren Weg nach Europa.

Forscher vermuten, dass die Parasiten beim Festbeissen auf den Bienen Viren übertragen, die Sekundärinfektionen auslösen.

Im Gegensatz zur europäischen kommen die asiatischen Bienen mit der Milbe zurecht.

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