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«Versprechen nicht eingehalten»: South Pole zieht Simbabwe-Projekt den Stecker

Kariba forest protection project in northern Zimbabwe.
Gebiet in Binga mit Jungwald, das früher als Ackerland genutzt wurde. Das Kariba REDD+ Waldschutzprojekt im Norden Simbabwes ist eines der grössten Klimaschutzprojekte des Schweizer CO2-Kompensationshändlers South Pole. Zinyange Auntony / Keystone

South Pole, der weltweit führende Verkäufer von Klimaschutzprojekten, hat seine Beteiligung an seinem Vorzeigeprojekt zum Schutz der Wälder in Simbabwe eingestellt. Nachdem Kritik aufkam, dass gewisse Versprechen der Schweizer Firma nicht der Realität entsprechen. Rund ein Fünftel der South-Pole-Mitarbeitenden könnten ihren Arbeitsplatz verlieren.

Kompensationsgeschäfte ermöglichen es Unternehmen und Einzelpersonen, die von ihnen verursachten Kohlenstoffemissionen – beispielsweise durch einen Flug oder ein Bauprojekt – zu kompensieren. Sie bezahlen einen Betrag, dass an anderer Stelle CO2 aus der Luft geholt wird. Freiwillige Kompensationen haben sich zu einem weltweiten Milliardenmarkt entwickelt.

Das Schweizer Unternehmen South Pole hat nun eingestanden, dass das Projekt namens Kariba-REDD+, das von Carbon Green Investments (CGI) entwickelt wurde, die von seinen Partnern erwarteten Standards wohl nicht erfülle.

Das Kariba-REDD+-Waldschutzprojekt im Norden Simbabwes ist eines der grössten Waldschutzprojekte der Welt. REDD steht für «Reducing emissions from deforestation and forest degradation in developing countries».

«Alle Aktivitäten im Zusammenhang mit der Kohlenstoffzertifizierung und den Kohlenstoffgutschriften aus dem Kariba-REDD+-Projekt liegen nun in der Verantwortung von CGI, und die Rolle von South Pole als Entwickler von Kohlenstoffgutschriften ist beendet», so South Pole in einer Erklärung vom 27. Oktober. Carbon Green Investments reagierte nicht sofort auf eine Anfrage von Reuters, um einen Kommentar abzugeben.

Für das REDD+-Grossprojekt wurden seit 2011 rund 36 Millionen Emissionsgutschriften vergeben, die für die Entfernung von CO2 aus der Luft durch den Erhalt des Waldes bestimmt sind. Eine Kohlenstoffgutschrift entspricht einer Tonne des klimawärmenden Kohlendioxids oder dessen Äquivalent, das entweder aus der Atmosphäre entfernt wurde oder gar nicht erst in die Atmosphäre gelangen konnte.

Laut South Pole behalten die bisher verkauften Kohlenstoffgutschriften ihre Gültigkeit, unabhängig davon, dass South Pole seinen Vertrag mit CGI beendet.

«Der grosse Geld-für-Kohlenstoff-Schwindel»

Die plötzliche Entscheidung des Schweizer Unternehmens, seine Partnerschaft zu beenden, kommt zu einem Zeitpunkt, an dem das Kariba-Projekt im Speziellen und Kohlenstoffausgleichsprogramme im Allgemeinen mit zunehmender Kritik konfrontiert sind. Die Skepsis wächst bezüglich der Integrität des Projekts und der damit verbundenen Kohlenstoffgutschriften.

Letzte Woche gab die in Washington D.C. ansässige Zertifizierungsstelle Verra, das führende Unternehmen für internationale Standards im Kompensationsmarkt, bekannt, dass sie eine Untersuchung des Kariba-Projekts eingeleitet hat.

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Dies geschah nach einem kritischen Bericht des Magazins New Yorker vom 16. Oktober mit dem Titel «The Great Cash-for-Carbon Hustle» (Der grosse Geld-für-Kohlenstoff-Schwindel). Darin wurde behauptet, South Pole habe Millionen von Gutschriften für Kohlenstoffreduzierungen verkauft, die nicht echt waren.

Verra erklärte am 17. Oktober, man sei «zutiefst beunruhigt» über die Anschuldigungen des Magazins, die «ernste Fragen über die Kohlenstoffkompensationsfirma South Pole und das Kariba-Projekt in Simbabwe aufgeworfen» hätten. Die gemeinnützige Zertifizierungsstelle teilte mit, dass sie eine Untersuchung des Projekts eingeleitet habe, das bis zum Abschluss der Untersuchung auf Eis gelegt sei, ebenso wie «alle weiteren Kreditvergaben».

South Pole, das vehement bestreitet, wissentlich wertlose CO2-Zertifikate verkauft zu haben, erklärte letzte Woche gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Schweizer Radio SRF, dass es die Untersuchung von Verra voll und ganz unterstützen werde und dass die Rolle des Unternehmens im Kariba-Projekt im Lichte der Enthüllungen «aktiv überprüft» werden würde.

Das 2011 gestartete Kariba REDD+-Projekt ist eines der weltweit ersten gross angelegten Waldschutzprojekte, das 785’000 Hektar Wald im Norden Simbabwes erhalten soll. Das Projekt ist das Flaggschiff im Portfolio von South Pole. Multinationale Unternehmen wie Gucci, Nestlé und Volkswagen haben ihre Emissionen freiwillig durch Investitionen in das Projekt ausgeglichen, berichtete das Schweizer Fernsehen SRF.

Branche zunehmend unter Generalverdacht

Das Kariba-Projekt führte zu einem spektakulären Wachstum von South Pole, aber das Projekt in Simbabwe und die Kompensationsprogramme im Allgemeinen sehen sich in den letzten Monaten mit zunehmender Kritik und Schwierigkeiten konfrontiert.

Studien, die im Januar und März von verschiedenen Medien veröffentlicht wurden, zeigten, dass South Pole und Verra mit Waldschutzkrediten verbunden waren, die nicht die versprochenen Kohlenstoffeinsparungen erbrachten.

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Eine Nachuntersuchung des Kariba-Projekts vom Juli 2023 durch SRF in Zusammenarbeit mit der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» und dem niederländischen Forschungskollektiv «Follow the Money» ergab, dass nur ein Bruchteil der zugesagten Investitionen in Simbabwe vor Ort nachverfolgt werden konnte.

Berichten zufolge haben sich mehrere Unternehmen aus dem Kariba-Projekt zurückgezogen. Im Mai berichtete die britische Zeitung «The Guardian», dass Gucci seine Zusammenarbeit mit South Pole und dem Wald in Simbabwe beendet habe.

Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Ökonomen unter der Leitung der Universität Cambridge und der Universität Amsterdam hat herausgefunden, dass Millionen von Kohlenstoffgutschriften auf groben Berechnungen beruhen, welche die Erfolge von freiwilligen REDD+-Projekten im Bereich des Naturschutzes aufblähen. Laut der im August in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Studie überschätzen die meisten Kompensationsprogramme das Ausmass der durch sie verhinderten Entwaldung massiv.

«Methodik des Kohlenstoffausgleichs ist nicht perfekt»

Der CEO von South Pole, Renat Heuberger, verteidigte sein Unternehmen gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters und erklärte, man habe sich zu jeder Zeit an die genehmigte Methodik für das Kariba-Projekt gehalten.

«Es gibt keine andere Möglichkeit, Projekte zur Abholzung von Wäldern durchzuführen. Man kann nicht zehn Jahre im Voraus wissen, wie hoch die Abholzungsraten sein werden», sagte er im September.

Die Zertifizierungsstelle von Emissionsgutschriften, Verra, die rund drei Viertel aller freiwilligen Gutschriften weltweit kontrolliert, begrüsste die Überprüfung des freiwilligen Kohlenstoffmarktes durch Journalistinnen, Wissenschaftler und Umweltgruppen und betonte gleichzeitig dessen Bedeutung.

«Es wird nicht möglich sein, die globalen Klimaziele ohne die Finanzierung durch die Kohlenstoffmärkte zu erreichen, daher müssen wir die Transparenz auf den Märkten fördern und uns zu einer kontinuierlichen Verbesserung verpflichten», schrieb Verra in einer Erklärung.

REDD-Projekte hätten bisher eine enorme Wirkung erzielt, aber das System sei nicht perfekt, so die Zertifizierungsfirma.

«Die Berechnung der Emissionsreduktionen, die sich aus dieser Arbeit ergeben, ist zwangsläufig weniger eindeutig als in anderen Fällen. Deshalb bemühen wir uns ständig, unsere REDD-Methode und alle anderen Methoden des Verified Carbon Standard-Programms zu aktualisieren. Damit stellen wir sicher, dass sie die besten Praktiken, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und unsere Lehren aus dem letzten Jahrzehnt widerspiegeln.»

Investoren wenden sich ab

Bis zu diesem Jahr hielt das Wachstum für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt an, da immer mehr Unternehmen unter dem Druck der Aktionär:innen standen, eine Netto-Null-Politik für CO2 zu verfolgen. Der Markt hatte im Jahr 2021 einen Wert von etwa zweiMilliarden Dollar, und Shell und die Boston Consulting Group prognostizierten im Januar übereinstimmend, dass er bis 2030 zwischen 10 und 40 Mrd. Dollar erreichen könnte.

Im September berichtete Reuters jedoch, dass die freiwilligen Kohlenstoffmärkte zum ersten Mal seit mindestens sieben Jahren geschrumpft sind, da die Unternehmen ihre Käufe reduziert haben.

Die Nachfrage nach Emissionsgutschriften wird 2023 gemäss von Branchenkenner:innen zurückgehen. Die Zahl der von Unternehmen genutzten Emissionsgutschriften ging in der ersten Jahreshälfte um sechs Prozent zurück, wie Daten von BloombergNEF zeigen. Die Daten des Beratungsunternehmens Ecosystem Marketplace zeigen für den gleichen Zeitraum einen stärkeren Rückgang von acht Prozent.

«Wir bewegen uns weg von Investitionen in Emissionsausgleiche für unsere Marken und investieren stattdessen in Programme und Praktiken, die dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen in unserer eigenen Versorgungskette und in unseren Betrieben zu reduzieren,» erklärte Nestlé gegenüber Reuters. Hier mache es den grössten Unterschied, um die eigenen Netto-Null-Ziel zu erreichen.

Die jüngsten Entwicklungen scheinen Konsequenzen für die Mitarbeitenden von South Pole zu haben. SRF berichtete, dass das Unternehmen vor zwei Wochen intern bekannt gegeben habe, dass es ein Fünftel der Belegschaft aufgrund einer «grösseren Umstrukturierung» entlassen müsse.

South Pole lehnte einen Kommentar ab und erklärte gegenüber SRF: «Wie jedes Unternehmen prüfen wir regelmässig, ob unser globales Team auf der Grundlage der Marktdynamik und der Nachfrage nachhaltig strukturiert und besetzt ist.» South Pole beschäftigt rund 1200 Mitarbeitende in über 30 Ländern.

Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi

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