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Wärme aus dem Boden, statt eingepackte Häuser

Fnoxx / Hettrich

Forscher der ETH Zürich haben ein System entwickelt, dass die Sommerwärme im Boden versenkt und im Winter wieder heraufholt. Damit soll der Campus Zürich bis 2025 praktisch kein CO2 mehr ausstossen. Wärmedämmung ist dazu nicht nötig.

Sommerhitze verlangt nach leichter Kleidung. In der Winterkälte packen sich die Menschen dick ein. Keiner kann die überschüssige Wärme in die kalte Jahreszeit hinüber retten.

Genau das tut jedoch die Eidgenössische Technische Hochschule mit ihren Campus-Gebäuden auf dem Zürcher Hönggerberg: Die im Sommer anfallende überschüssige Wärme wird im Boden eingelagert, statt wie bisher klimatisiert und anschliessend an die Umgebungsluft abgeführt. Im Winter wird die gespeicherte Wärme zum Heizen verwendet. Das geschieht – vereinfacht ausgedrückt – mit Hilfe eines Wasserkreislaufes und eines Erdspeichersystems.

Das Wasser wird im Sommer erwärmt und 200 Meter unter der Erdoberfläche in Erdsonden gespeichert. Im Winter werden die Gebäude mittels einer Wärmepumpe geheizt, das Wasser kühlt ab. Das hat zur Folge, dass das Wasser im Sommer zur Klimatisierung verwendet werden kann.

Eine Million jährlich sparen

«Mich fasziniert die Tatsache, dass lediglich mit der Sonne eine Nachhaltigkeit möglich ist und dass die Erde das Mittel gibt, diese Energie saisonal zu speichern», sagt Hansjürg Leibundgut, Professor für Gebäudetechnik an der ETH Zürich, gegenüber swissinfo.ch.

Leibundgut will bis 2025 die C02-Emissionen des ETH Campus auf dem Hönggerberg bei Zürich sukzessive auf ein Minimum senken und Erdöl durch Energie aus dem Erdspeichersystem ersetzen.

Der Anteil des Stroms zum kühlen und heizen an der benötigten Energiemenge soll bis 2025 noch 10% betragen. Damit kann die ETH – quasi als positiver Nebeneffekt – jährlich rund eine Million Franken Energiekosten einsparen.

Verzicht auf Gebäudeisolation

Leibundgut wehrt sich gegen den Begriff Erdwärme. «Erdwärme würde bedeuten, dass man den Energiestrom vom Erdkern verwenden würde. Das ist nicht der Fall. Wir verwenden Solarenergie, denn jede Form der Energie – ausser Uran – und damit auch Erdöl, Wind oder Wasserkraft, ist letztlich Solarenergie.»

Weil die ETH – ausser dem Strom für den Betrieb der Wärmepumpe – keine zusätzliche Energie in den Kreislauf einspeisen muss, um zu heizen und zu klimatisieren, verzichtet sie auf zusätzliche energiephysikalische Massnahmen wie Gebäudeisolation oder Wärmerückgewinnung, wie sie bei Minergie-Gebäuden zum Energiesparen eingesetzt werden.

«Früher hat man die Luft mit einem Kachelofen erwärmt, hat das Fenster geöffnet und sie rausgelassen. Im Zuge der Energiesparmassnahmen haben wir gesagt, wir müssten Wärmerückgewinnung machen. Wenn ich aber nicht Erdöl sparen will, weil ich gar keines brauche, kann ich auf die Wärmerückgewinnung aus der Abluft verzichten», sagt Leibundgut.

Kommt dazu, dass der Erdspeicher die Sommerwärme lediglich dann aufnehmen kann, wenn das Wasser im Winter ausgekühlt wird und sich somit eine möglichst hohe Energieeffizienz im Winter also kontraproduktiv auswirken würde.

800 Erdsonden im Endausbau

Der ETH-Campus Hönggerberg ist eine Ansammlung verschiedener Gebäude, die mehrheitlich zwischen 1970 und 1995 gebaut worden sind. 2006 wurde mit dem Aufbau des Erdspeichernetzes und der Sanierung der Gebäude begonnen.

Ein Vorteil ist, dass sämtliche Gebäude von Anfang an durch eine Heizzentrale versorgt wurden. Deshalb sind die Gebäude durch einen mit Fahrzeugen befahrbaren unterirdischen Gang miteinander verbunden. Die Wasserrohre zwischen den Erdspeichern und den Gebäuden konnten so relativ einfach eingebaut werden.

Im Endausbau werden 800 untereinander vernetzte Erdsonden die Energie von rund 1500 Tonnen Erdöl jährlich ersetzen. Bisher wurden 230 Erdsonden verlegt. Das System ist seit April 2012 in Betrieb und an die bisher sanierten Gebäude angeschlossen.

Einfacher als Abwasserleitungen

Leibundgut und etliche seiner Kollegen des Departements Architektur der ETH Zürich sehen in dem Erdspeichersystem eine Alternative zum «Einpacken» der Häuser, also zu den verschiedenen Minergie-Standards. Die Einhaltung der Standards sei bei Altbauten, deren Fassaden unter Denkmalschutz stehen, nicht möglich, bei Neubauten schränkten sie die architektonische Kreativität ein, argumentieren sie.

Fortschritte beim Baumaterial

Nun hat eine Grossbank in Zürich eine Wohnüberbauung aus dem Jahr 1995 nach dem Modell des ETH-Campus saniert. Im Innenhof der Häuser mit insgesamt 55 Wohnungen wurden 16 Erdsonden verlegt, und auf dem Dach wurde eine hybride Sonnenkollektoren-Anlage für Strom- und Warmwasseraufbereitung gebaut.

Das Ziel, die CO2-Emissionen auf ein minimales Mass zu bringen, ist ohne Wärmedammplatten an den Fassaden erreicht worden. «Man sieht nur die neu gestrichene Fassade und die Hybridkollektoren auf dem Dach. Der alte Verputz wurde durch einen neuen, wärmedämmenden Putz von gleicher Dicke ersetzt», so Leibundgut.

1957 hat die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich beschlossen, neben den Gebäuden in der Innenstadt einen zweiten Standort zu suchen.

Die Wahl fiel auf den Hönggerberg. Dort wurden zwischen 1960 und 2004 und in drei Etappen neue ETH-Gebäude gebaut.

Neben dem Departement Architektur sind unter anderen auch die Departemente Umwelt und Geomatik, Physik, Chemie, Biologie und Material-Wissenschaften auf dem Hönggerberg angesiedelt.

Im Jahr 2000 wurde das Ausbauprojekt Science City lanciert. Dieses sieht den Bau von Studentenwohnungen auf dem Campus vor.

Die 22 Gebäude auf dem Campus weisen eine Brutto-Geschossfläche von 265’000 Quadratmetern auf.

Bisher verbrauchte der Campus ungefähr so viel Energie wie eine Kleinstadt.

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