Wasser der Ozeane stammt nicht von Kometen
Drei Monate nach Erreichen des Kometen Tschuri und einen Monat nach der Landung des Roboters Philae liefert die Rosetta-Mission ihre erste Überraschung: Falls das Wasser der Erde tatsächlich aus dem Weltall stammt, so waren es nicht Kometen, die es hergebracht haben. An der Universität Bern wurden eindeutige Resultate präsentiert.
«Wir erwarteten Überraschungen. Dieses aussergewöhnliche Resultat wird die Debatte um die Herkunft des Wassers auf der Erde wieder aufheizen», sagte Matt Taylor.
Der wissenschaftliche Chef der von der Europäischen Weltraumorganisation ESA durchgeführten Rosetta-MissionExterner Link sprach an der Universität Bern, dessen Physikalisches Institut das Rosina-ExperimentExterner Link geplant, gebaut und getestet hat. Zwei Massenspektrometer und ein Druckfühler «erschnüffeln» das Gas des Kometen und können dessen Zusammensetzung feststellen.
Dass bereits jetzt ein Resultat gemeldet werden kann, ist dem Umstand zu verdanken, dass es den Wissenschaftlern quasi direkt ins Auge gesprungen ist. Es wurde am 10. Dezember 2014 im renommierten Wissenschafts-Magazin «Science» publiziert: Das Wasser, aus dem der Grossteil der Masse des Kometen Tschurjumow-Gerassimenko besteht (in Form von Schnee und Eis), ist dreimal reicher an Deuterium als jenes auf der Erde. Es handelt sich also offensichtlich nicht um die gleiche Flüssigkeit.
Zu weit weg, zu kalt
Der Unterschied kommt vom Deuterium. Das Wasserstoff-Atom, das einfachste und am häufigsten im Universum vorkommende Atom, besteht aus einem Proton und einem Elektron. Das Deuterium-Atom hingegen enthält zusätzlich noch ein Neutron.
Damit sich Wassermoleküle (die aus Wasserstoff und Sauerstoff bestehen) mit Deuterium aufladen können, braucht es sehr tiefe Temperaturen, wie sie am kalten äusseren Rand des Sonnensystems herrschen, wo die Kometen kreisen. Und je weiter weg von der Sonne ein Komet entstanden ist, desto mehr Deuterium enthält er.
Die Überraschung ist nicht absolut. Die (ebenfalls an der Universität Bern durchgeführte) Analyse der Daten der Sonde Giotto nach deren nahem Vorbeiflug am berühmten Halley-Kometen 1986 zeigten eine zwei Mal höhere Deuterium-Konzentration als bei irdischem Wasser.
Überall Wasser
Wasser ist buchstäblich älter als die Erde. Es existierte bereits in riesiger Menge in jener Wolke, aus der die Sonne und die Planeten entstanden sind. Auch heute kommt es in gasförmiger, flüssiger oder solider Form überall im Sonnensystem vor, vom Grund der Krater auf dem Merkur bis zu den eisigen Monden von Saturn und Jupiter.
Und natürlich gab es auf der urzeitlichen Erde bereits Wasser. Doch in den letzten Phasen ihrer Entstehung wurde diese derart heiss, dass sich das Wasser in den Weltall verflüchtigte. Später kam es während eines massiven Beschusses der Planeten durch kleine Himmelskörper vor 3,8 Milliarden Jahren zurück. Davon zeugt heute noch die kraterübersäte Oberfläche des Mondes.
Doch wenn diese kleinen Himmelskörper, welche die Ozeane aufgefüllt haben, keine Kometen waren, können sie nur noch Asteroiden sein. Was ist der Unterschied? Asteroiden sind der Erde viel näher. Die meisten von ihnen kreisen zwischen Mars und Jupiter. Heute hat sie die Hitze der Sonne regelrecht «gebacken», und sie sind nur noch Gesteinsbrocken. Doch ursprünglich waren auch sie voller Wasser.
Darüber hinaus, schreiben die Autoren in «Science», sei es möglich, dass die Erde trotz der Gluthitze während ihrer Entstehung einen Teil ihres ursprünglichen Wasservorrats behalten habe. Namentlich im Felsgestein finde man Wassermoleküle im Kristallgitter von so harten Steinen wie Granit.
Und Leben?
«Als nächstes wird eine Publikation über pre-organische Moleküle folgen», sagte Kathrin Altwegg von der Universität Bern, die Hauptforscherin des Rosina-Experiments. Denn während sie die Kometen als Quelle des irdischen Wassers ausschliesst, stellt die Entdeckung ihrer internationalen Gruppe jene Hypothese nicht in Frage, nach der die grundlegenden «Bausteine» des Lebens aus dem All gekommen sein sollen.
Seit langer Zeit fangen Spektrometer die Spuren von langen Kohlen- und Wasserstoffketten aus den interstellaren Wolken ein, in denen Sterne und Planeten entstehen. Und wie das Wasser finden sich diese Ketten ebenfalls überall in unserem Sonnensystem – wie auch auf Kometen und Asteroiden.
Das bedeutet, dass die Wissenschaftler noch vor einigen tollen Entdeckungen aus den Daten der Sonde Rosetta stehen, die noch bis mindestens nächsten Sommer ihre Runden um den Kometen Tschuri drehen wird.
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
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