Suche nach Leben im All: Ein Schweizer Trumpf
Die Technologie, mit der im Weltall nach Lebenszeichen geforscht wird, ist seit den 1970er-Jahren dieselbe – auch im Rover "Perseverance", der im Februar auf dem Mars gelandet ist. Eine Forschergruppe der Universität Bern arbeitet an der Revolution.
«Rein statistisch gesehen ist es unvorstellbar, dass wir die Einzigen im Universum sind», sagt Astrophysiker Andreas Riedo in einem Labor der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie des Physikalischen Instituts.
Das Treffen an der Universität Bern findet zufälligerweise am gleichen Tag statt, an dem später der Rover «Perseverance» erfolgreich auf den Mars abgesetzt wird. «Eventuell identifizieren wir das erste Mal Signaturen von Leben», sagt er.
Für den 36-Jährigen liegt die Faszination für den Weltraum in der Beantwortung einer der fundamentalsten Fragen: «Sind wir allein?» Riedo würde die Frage schon für das Sonnensystem, zu dem die Erde gehört mit Nein beantworten.
«Wir gehen davon aus, dass wir Kleinstleben finden könnten, vielleicht unterhalb der kilometerdicken Eischichten in den flüssigen Ozeanen der Eismonde von Jupiter und Saturn.» Er meint damit sehr primitive Lebensformen wie Bakterien, Mikroben und so weiter.
Grundbausteine des Lebens
Aus diesem Grund leitet Riedo das Forschungsprojekt «ORIGIN» – zusammen mit einem Chemiker. Niels Ligterink (32) von der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie ist unter anderem für die Messungen zuständig.
«Für einen Chemiker ist der Weltraum ein spannender Ort, um Moleküle zu studieren, denn die Bedingungen sind ganz anders als auf der Erde», antwortet Ligterink aus Holland, wo er zu jenem Zeitpunkt wegen Covid-19 festsitzt.
«Natürlich ist die Suche nach ausserirdischem Leben an sich schon ein sehr spannendes Unterfangen, aber was mich in diesem Zusammenhang am meisten interessiert, sind die molekularen Bausteine des Lebens», sagt er.
Mit «ORIGIN» wollen die beiden spezifisch nach Aminosäuren suchen, den Grundbausteinen des Lebens. «Wir hoffen, solche Moleküle auf Eismonden zu entdecken. Denn die würden darauf hindeuten, dass es dort Leben gibt oder gegeben hat», sagt Riedo.
Besonders im Visier haben die Forschenden den Jupiter-Mond Europa und den Saturn-Mond Enceladus. Dort haben die Missionen Cassini-Huygens und Galileo globale, flüssige Ozeane unterhalb kilometerdicker Eisschichten nachgewiesen.
Das Messinstrument sei speziell zur Analyse von Flüssigkeiten entwickelt worden. «In den Wasserozeanen auf diesen Eismonden könnte es solche Biosignaturen geben», sagt Riedo.
Ein neuer Ansatz
Von der Universität Bern aus haben schon verschiedenste Apparaturen den Weg ins All gefunden. Angefangen beim berühmten Sonnensegel der Apollo 11 Mission bis zur derzeit laufenden Mission des Weltraumteleskops «CHEOPS». Sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Das Herzstück von «ORIGIN» ist ein Massenanalysator. Eigentlich wurde er bereits 2003 vom Weltraumforscher und Professor Peter Wurz für die Merkur-Mission «BepiColombo» entwickelt, die 2018 startete. Doch weil schliesslich auf ein Landemodul verzichtet wurde, blieb das Instrument am Boden und in Bern. Seither entwickelten die Forschenden der Universität Bern es stetig weiter und verfeinerten die Messempfindlichkeit.
«ORIGIN» sei unterdessen zehn- bis tausendmal sensitiver als vergleichbare Instrumente, die momentan im Einsatz sind oder zum Einsatz kommen. Diese Sensitivität erhöhe die Chance massiv, ausserterrestrische Lebenszeichen zu finden, sagt Riedo.
Wie ist das möglich? Der Physiker muss dafür etwas ausholen: Seit den 1970er-Jahren – als die erste Mission auf dem Mars landete – sei die Technologie an Bord der Rover praktisch gleich geblieben: «Man brauchte heisse Öfen, um das Material zu verdampfen und hat das verdampfte Material gemessen.»
«ORIGIN» verfolge einen ganz anderen Ansatz, ohne Lösungsmittel und Hitze. «Wir brauchen Laserimpulse und fügen der Materie damit nicht solche thermischen Effekte zu wie in einem Ofen», sagt Riedo. Alles in allem sei die Messmethode direkter und viel unverfälschter als die momentan gebräuchliche. Und einen Ofen braucht es auch nicht mehr. Weniger Kilos, die bei einer Weltraum-Mission Millionen einsparen können.
«Mit einem neuen Instrument erhalten wir einen neuen Blickwinkel auf die Suche nach Biomolekülen und schaffen neue Erkenntnisse, die den Nachweis von Biomolekülen ermöglichen könnten», ergänzt Ligterink.
Der Massenanalysator sei – einfach gesagt – eine «sehr fortschrittliche Waage», mit der per Laserimpulsen die Masse eines Moleküls gemessen werde, sagt der Chemiker. Anhand dieser Gewichtsmessung eines Moleküls könne es als normales oder als Biomolekül identifiziert werden. Letztere seien ein Hinweis auf die Anwesenheit von Leben.
Einige Hürden
Bereits zeigten sich verschiedene internationale Weltraumkonsortien, allen voran die Nasa, interessiert daran, «ORIGIN» für künftige Missionen zu testen. Laut Angaben der Universität Bern plant die US-Weltraumagentur, um 2030 herum mit einer Mission auf dem Jupiter-Mond Europa zu landen und vor Ort Messungen vorzunehmen. Mit dem erklärten Ziel der Identifizierung von Lebensformen. Die Flugzeit dorthin dauert etwa sieben Jahre.
Die Vorarbeiten gestalten sich kompliziert. So seien sie von der die Nasa eingeladen worden, das Instrument in der Arktis zu testen, sagt Riedo. Doch wegen der Coronavirus-Pandemie seien solche Tests im ewigen Eis gegenwärtig nicht möglich. «Die Corona-Situation hat einen starken Einfluss auf die ganzen wissenschaftlichen Anträge», sagt der Physiker.
«Wir können aber eine erfolgreiche Kollaboration vermelden – der Antrag wurde kürzlich angenommen – hinsichtlich einem Antarktis-Projekt mit unseren Kollegen in England. Von ihnen werden wir Eisproben erhalten und diese dann mit ‹ORIGIN› analysieren können.»
Frische Proben werden im All noch viel wichtiger sein, sagt der Forscher. So könnten möglichst viele intakte Biosignaturen gemessen werden. Dabei seien die tiefen Temperaturen zwischen -160 und -170 Grad Celsius auf diesen Monden ein positiver Aspekt: «Falls Biosignaturen vorhanden sind, werden diese praktisch gratis konserviert.»
Eine technische Herausforderung werde sein, die Instrumente so zu konzipieren, dass sie die harschen Bedingungen «überleben» und gute Messungen liefern. «Das ist äusserst kompliziert», sagt Riedo. Denn auf diesen Monden herrscht eine extrem hohe Strahlung. Diese beeinflusse auch die Biosignaturen. Beispielsweise würden Aminosäuren oder Lipide – also fettähnliche Substanzen – unter solchen Bedingungen sehr schnell zerlegt und könnten unter Umständen nicht mehr nachgewiesen werden.
Und was würde es nun bedeuten, wenn «ORIGIN» tatsächlich extraterrestrische Lebenszeichen fände? Es wäre wohl in etwa zu vergleichen mit dem ersten Schritt auf dem Mond, sagt Riedo. «Das wäre ein riesiger Sprung in der Wissenschaft, aber auch in der Gesellschaft, in unserem Denken: Zum ersten Mal hätten wir Gewissheit, dass wir nicht allein sind.»
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