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Wie weiter mit der Geothermie?

Geothermie-Erkundungsbohrung in Zürich. Keystone

Am Dienstag hat in Basel der Prozess wegen des durch ein Geothermie-Projekt hervorgerufenen Erdbebens begonnen. Experten sehen im Abbruch des Projekts aber nicht das Ende, sondern den Startschuss für umfassendere Abklärungen im Schweizer Untergrund.

Den 8. Dezember 2006 werden viele Baslerinnen und Basler so schnell nicht vergessen.

An diesem Tag erschütterte ein Erdbeben der Magnitude 3,4 die Stadt und sorgte für Beunruhigung in der Bevölkerung.

Das von Menschen verursachte Beben forderte Sachschäden, verletzt wurde niemand.

Ausgelöst worden war es durch das Tiefenwärme-Projekt Deep Heat Mining mit seinem rund 60 Meter hohen Bohrturm in Kleinhüningen bei Basel.

In der Nähe des Rheinhafens wurde Wasser 5 Kilometer hinunter ins Tiefengestein gepresst, um dieses durchlässig zu machen.

Das in dieser Tiefe durch die Erdwärme bis auf 200 Grad erhitzte Wasser sollte für Strom- und Heizenergie genutzt werden.

Angeklagt ist der Geologe Markus Häring, Projektleiter und Geschäftsführer der Firma Geothermal Explorers Ltd. Ihm wird vorgeworfen, durch die Stimulierung des Untergrunds bewusst Erdbeben und damit verbundene Schäden in Kauf genommen zu haben.

Roland Wyss, Geschäftsführer der Schweizer Vereinigung für Geothermie, hat kein Verständnis, dass der Prozess gegen eine einzelne Person geführt wird. «Wir sind erstaunt, dass bei einem Projekt, das eigentlich breit abgestützt war in diesen Kreisen, auch durch die Politik, jetzt ein Einzelner den Kopf hinhalten muss.»

Man sehe keine bösen Absichten hinter dem Projekt, erklärt Wyss. Deep Heat Mining «hat zu Resultaten geführt, die eigentlich nicht zu erwarten waren. Auch die Risikostudie, die jetzt herausgekommen ist, zeigt, dass die Beben stärker waren, als man das von vergleichbaren Projekten kennt».

Die letzte Woche veröffentlichte Risikoanalyse setzte den seit dem Erdbeben sistierten Tiefenbohrungen definitiv ein Ende: Der Basler Regierungsrat stoppte das Projekt umgehend.

Angekratztes Image

«Für die Geothermie ist es natürlich zunächst mal eine schlechte Nachricht, wenn ein Projekt abgebrochen wird», sagt Eva Schill von der Universität Neuenburg, die einzige Professorin für Geothermie in der Schweiz.

«Das Projekt in Basel war ein sehr mutiger Versuch», betont sie. Er habe jetzt aber gezeigt, «dass die Technologie, um den Untergrund in 5 Kilometern Tiefe gut zu nutzen, doch noch etwas in den Kinderschuhen steckt».

Roland Wyss pflichtet ihr bei: «Mit der Technologie der Tiefen-Erdwärmenutzung stehen wir heute ganz am Anfang. Am Anfang kann man grosse Fortschritte erzielen, aber auch Rückschläge erleiden.»

Dass die Geothermie nach dem Basler Erdbeben einen Imageschaden erlitten habe, sei nicht berechtigt, sagt Eva Schill. «Man weiss zum Beispiel, dass in der Erdölindustrie nur jede achte Bohrung produktiv ist. Da sind wir in der Schweiz in der Geothermie weit davon entfernt.»

Zudem verweist die Professorin auf das Europäische Forschungsprojekt im französischen Soultz-sous-Forêts, wo seit fast 20 Jahren erfolgreich mit der gleichen Methode geforscht und Energie gewonnen wird.

Lerneffekt

Es gehe nun darum, die Lehren aus dem Projekt zu ziehen und nach vorn zu blicken, sind sich die beiden Experten einig. Denn die Erdwärme biete nach wie vor eine grosse Chance für die Energiezukunft der Schweiz.

Die nahe Zukunft der Geothermie sieht Schill eher bei so genannten hydrothermalen Projekten, die nicht so tief eindringen und bereits vorhandene Reservoirs (Tiefengrundwasser) im Erdinnern anzapfen. «Sie bedingen vom technologischen her nicht so einen grossen Aufwand.» Zudem muss dafür der Boden nicht stimuliert werden.

Auch Wyss ist dafür, über sichere, hydrothermale Projekte in kleineren Schritten vorwärts Richtung Tiefenbohrungen zu gehen. Nun gehe es darum, geeignete Standorte zu suchen.

Untergrund, Oberfläche und Besiedlung von möglichen Standorten müssten dabei berücksichtigt werden. «Wir müssen den Untergrund besser kennen lernen, damit wir wissen, auf welche Massnahmen der Boden wie reagiert.»

Der tiefere Untergrund der Schweiz sei noch eine grosse Unbekannte. Es existierten nur neun Bohrungen tiefer als 3 Kilometer. «Neun Nadelstiche im ganzen Land», betont Wyss. Und er ergänzt: «Wir müssen mehr wissen.»

Dilemma

Doch ausgerechnet die Gegend um Basel bietet für die Tiefen-Geothermie praktisch ideale Bedingungen. Kurz zusammengefasst: Gerade weil der Oberrheingraben erdbebengefährdet ist, sei auch sein Untergrund durchlässiger und somit ideal für solche Projekte, erklärt Schill.

So werde im Basler Vorort Riehen seit 15 Jahren ein hydrothermisches Erdwärmeprojekt bis 1,5 Kilometer Tiefe betrieben, «ohne dass jemals ein mikroseismisches Beben aufgezeichnet worden wäre».

Rückendeckung scheint die Geothermie jetzt von Energiekonzernen zu erhalten. So hat die Elektra Baselland letzte Woche angekündigt, sie wolle zusammen mit mehreren Energieversorgern ein nationales Kompetenzzentrum für Tiefen-Geothermie ins Leben rufen. Ein erster Schritt, den die beiden Experten Wyss und Schill sehr begrüssen.

Das Projekt war 2004 im Basler Stadtteil Kleinhüningen gestartet worden.

Unweit des Rheinhafens wurde Wasser 5000 Meter hinunter ins Tiefengestein gepresst, um dieses durchlässig zu machen für die Nutzung der Erwärme für Strom- und Heizenergie.

Das Projekt verfügte über starke politische Unterstützung: der Kredit von rund 30 Mio. Fr. war im Basler Parlament wenig umstritten, obwohl gewisse Experten und der Schweizerische Erdbebendienst im Vorfeld der Bohrungen vor einem möglichen Beben gewarnt hatten.

Am 8. Dezember 2006 kam es in Basel zu einem Erdbeben der Stärke 3,4, gefolgt von weiteren, kleineren Beben – ausgelöst durch das Geothermie-Projekt.

Am 8. Dezember 2009, genau 3 Jahre nach dem Erdbeben, hat der Basler Regierungsrat, gestützt auf die Analyse und den Antrag des zuständigen Departments, das Projekt gestoppt.

Allein während dem Anlagenbau müsste mit weiteren schweren Erdbeben und Schäden von rund 40 Millionen Franken gerechnet werden, zeigte die letzte Woche vorgestellte Risikoanalyse.

Während des Betriebs wären Schäden von rund sechs Millionen Franken pro Jahr zu erwarten, hiess es.

Der zuständige Regierungsrat betonte aber, dass die Resultate nicht einfach auf andere Standorte übertragen werden können: Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der begrenzten fossilen Brennstoffe müsse jede Form der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden.

Am 15. Dezember hat in Basel der Prozess gegen den Chef des Basler Geothermie-Projektes Deep Heat Mining, den Geologen Markus Häring, begonnen.

Der 57-jährige Manager der Firma Geothermal Explorers Ltd ist wegen Sachbeschädigung mit grossem Schaden und Verursachung einer Überschwemmung oder eines Einsturzes angeklagt.

Das Urteil soll am 21. Dezember gesprochen werden.

swissinfo.ch

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