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Wissenschaftler kämpfen gegen stille Invasion

Experten sind auf der Suche nach fremdländischen Schädlingen wie etwa diesem Leopardgecko. Keystone/WWF/Thomas Ziegler

Sie mögen klein sein, doch Schädlinge und Krankheitserreger aus dem Ausland – wie etwa der Asiatische Laubholzbockkäfer – können dem Ökosystem Europas grosse Schäden zufügen. In der Schweiz soll ein neues Spitzenlabor zum Schutz von Pflanzen den Forschern ermöglichen, ihren "Feind" besser kennenzulernen.

Es ist eines von wenigen in Europa mit diesem hohen Sicherheitsstandard. Das PflanzenschutzlaborExterner Link der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL)Externer Link in Birmensdorf nahe Zürich. Mit Stufe 3 verfügt es über die höchste Sicherheitsstufe für nicht-menschliche Erreger.

Auch wenn er bereits im Oktober 2014 eröffnetExterner Link worden sei, werde der 15-Millionen-Laborkomplex erst in der ersten Hälfte 2015 offiziell in Betrieb genommen, sagt Christoph Hegg, stellvertretender Direktor der WSL.

Der Grund sei, dass die strikten Sicherheitsmassnahmen für Labors der Stufe 3 erst noch bewilligt werden müssten, sagt er an diesem hellen Wintertag im Eingangsbereich des holzverschalten Spitzenlabors. «Wir müssen beweisen, dass wir alles, was wir hier hineinbringen, auch kontrollieren können. Wenn wir also mit einem Erreger arbeiten, müssen wir zeigen, dass wir in der Lage sind, jede Lebensspur aus diesem Labor zu entfernen», erklärt er.

Erreger und Schädlinge der biologischen Schutzstufe 3, zu der auch der Asiatische Laubholzbockkäfer gehört, sind so genannte Quarantäne-Organismen, welche die Schweiz noch nicht erreicht haben oder nur lokal beobachtet wurden.

Priorität Käfer

«Der Asiatische LaubholzbockkäferExterner Link könnte zu einer Priorität werden, weil wir in der Schweiz mit grösseren Ausbrüchen konfrontiert sind», sagt Daniel Rigling, der designierte Leiter des Labors. «Wir müssen mehr über dieses Insekt erfahren, wie es sich verhält, und besonders, welche Baumsorten es angreift. Solche Arten von Experimenten können hier in einem sicheren Umfeld durchgeführt werden.»

Der zerstörerisch im Holz bohrende asiatische Käfer wurde beispielsweise 2012 in Winterthur entdeckt, nachdem einige Exemplare in der Holzverpackung einer Lieferung Granit aus Asien mitgereist waren. Über 100 Bäume mussten wegen bewiesener oder vermuteter Bohrtätigkeit der Insekten gefällt werden. Die Kosten für diese Aktion und die anhaltende Überwachung: mehrere Millionen Franken.

Eine weitere Sorge ist der pilzartige Erreger Phytophthora ramorumExterner Link, der in verschiedenen Baumschulen und Gärten der Schweiz entdeckt wurde. Rigling und sein Team wollen herausfinden, welche einheimischen Baumsorten in Gefahr sind.

«Dringender Bedarf»

Das nationale Pflanzenschutzlabor an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) wurde offiziell am 20. Oktober 2014 durch Johann Schneider-Ammann, Chef des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung, eröffnet.

Er betonte, dass in der Schweiz bisher eine solche Einrichtung fehlte und damit eine wichtige Lücke geschlossen werde.

Das Labor ist das letzte einer Reihe, in denen die Regierung schädliche Erreger erforschen lassen will. Dazu gehören das Biosicherheitslabor Spiez für menschliche Krankheitserreger und das Institut für Virologie und Immunologie im bernischen Mittelhäusern für tierische Krankheitserreger.

In der Schweiz gibt es schätzungsweise 107 invasive Arten.

Während wir uns weiter ins Innere des Gebäudes begeben, in dem noch Arbeiter ihren letzten Schliff anbringen, treten wir in die Stufe 2 für Quarantäne-Organismen ein. Zu denen gehört etwa der KastanienrindenkrebsExterner Link, der bereits in einigen Teilen der Schweiz vorkommt.

Invasion der Kleinsten

«Invasive Arten sind in der Schweiz während der letzten 20 Jahre im Vormarsch», sagt Hegg. Deshalb brauche es dieses Labor. Die Zunahme solcher Invasionen sei hauptsächlich auf den internationalen Handel, die Mobilität der Menschen und die globale Erwärmung zurückzuführen.

Die heimische Flora ist nicht immer in der Lage, einen Eindringling zu bekämpfen. Dies war der Fall beim Kastanienrindenkrebs, der aus Asien kam und in den USA und Europa für die erste grosse Epidemie eines eingeführten Erregers sorgte.

Und es seien nicht nur die Bäume, die litten, sagt Rigling. Die gesamte Biodiversität sei in Gefahr: «Jeder Baum ist Wirt für eine Anzahl mit ihm verbundener Organismen. Verschwindet also eine Baumsorte wegen eines eingeführten Erregers aus dem Wald, sind auch die dazugehörigen Arten bedroht.»

Zum Glück habe bisher keiner der bekannten eingeführten Schädlinge oder Krankheitserreger die wichtigsten Baumarten der Schweiz angegriffen, die Buche oder die Fichte.

Sicherheit zuerst

Für Sicherheitszone 2 gelten daher bereits gewisse Massnahmen, für Stufe 3 werden diese noch stark erhöht. Dazu gehören ein steter Unterdruck der Luft im Labor, die Filterung der Abluft, verstärkte Fenster und die so genannte Autoklavierung von Abfall und Abwasser: Diese werden beim Verlassen des Labors einer Temperatur von 120 Grad Celsius ausgesetzt, wobei alle lebenden Organismen abgetötet werden.

Zudem können die Labors der Sicherheitsstufe 3 nur durch eine Schleuse betreten werden. Wir stehen nun in der Garderobe, wo die Forscher ihre Schutzanzüge überziehen. «Die Anzüge sind nicht primär zu unserem Schutz vor Erregern, sondern sollen verhindern, dass die Leute irgendeine Verseuchung nach draussen bringen», sagt Rigling.

Gesichtsmasken, wie man sie bei der Ebola-Epidemie in Westafrika sehen konnte, müssen die Forscher allerdings keine tragen. Die zu untersuchenden Schädlinge und Krankheitserreger seien für den Menschen ungefährlich, erklärt der Laborleiter. Insgesamt würden zwischen 20 und 25 Personen im Labor arbeiten, doch nur vier bis fünf Forscher sollen das nötige Sicherheitstraining absolvieren müssen, um in den Labors der Sicherheitsstufe 3 arbeiten zu können.

Grünes «Herz»

Wir gehen weiter, durch noch eine Luftschleuse, und kommen ins «Herzstück der Stufe-3-Anlage», das Sicherheits-Gewächshaus. «Hier ist das Risiko, dass ein schädlicher Organismus entweicht, am grössten, weil wir hier in einer relativ freien Umgebung Experimente mit diesen Organismen und Pflanzen durchführen», so Rigling.

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Sie kennen keine Grenzen

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Saft des Riesen-Bärenklaus kann Verbrennungen und Blasen in Apfelgrösse führen, wenn die Haut nach einer Berührung der Sonne ausgesetzt ist. Der Asiatische Laubholzbockkäfer greift alle möglichen Laubbäume an, die innert einiger Jahre absterben. Ein Panoptikum jener Insekten und invasiven Pflanzen, die Mensch, Natur und Landwirtschaft die grössten Probleme bereiten.

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Auch wenn es heute leer ist, wird das Gewächshaus in einigen Monaten voll von Pflanzen und Wissenschaftlern sein, die herausfinden wollen, welche Pflanzenart die verletzlichste gegenüber gewissen Insekten, Pilzen und Fadenwürmern (Nematoden) ist.

Das letzte Abteil des Gewächshauses ist für Insekten reserviert, die in speziellen Käfigen im Raum gehalten werden, «damit sie nicht herumfliegen», wie Hegg sagt. Die Forscher wollen deren Biologie ergründen und lernen, wie sie am besten zu kontrollieren sind. Dieses Wissen kann anschliessend an die Schweizer Behörden und die Forstwirtschaft weitergegeben werden.

Hoffnungen

Die WSL ist bereits seit geraumer Zeit an der Diagnose von Waldschädlingen und Krankheitserregern beteiligt. Nun gibt es Hoffnung, dass die neue, grössere Anlage – gemeinsam finanziert durch das Bundesamt für UmweltExterner Link und das Bundesamt für LandwirtschaftExterner Link, die ebenfalls aktiv im Bereich Pflanzenschutz sind – die Arbeit etwas rascher voranbringen wird.

«Wir hoffen auch, dass wir eine Menge interessante wissenschaftliche Experimente durchführen und viel Erfahrung sammeln können, von der die Schweiz, Europa und die Welt profitieren können», sagt Christoph Hegg.

Und natürlich hoffen beide Männer, dass sich die Dinge so entwickeln, dass die Labors der Stufe 3 nicht allzu häufig benutzt werden müssen. Oder wie Hegg es ausdrückt, «dass die Schweiz nicht von invasiven Arten überschwemmt wird».

(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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