Ärztestopp soll aufgehoben werden
Der Zulassungsstopp für neue Arztpraxen soll nicht verlängert werden. Dies hat die grosse Parlamentskammer gegen den Willen von Gesundheitsminister Couchepin beschlossen.
Der Ärztestopp war 2002 eingeführt und bis 2008 verlängert worden. Dies mit dem Ziel, einen unkontrollierten Zustrom von Ärzten aus dem Ausland, namentlich aus der EU, zu verhindern.
Der am 3. Juli auslaufende Zulassungsstopp für neue Arztpraxen soll kein weiteres Mal verlängert werden. Mit 116 zu 67 Stimmen hat der Nationalrat am Mittwoch Nichteintreten auf die Vorlage des Ständerates beschlossen.
Der so genannte Ärztestopp war 2002 per Verordnung eingeführt worden, weil im Zuge der Freizügigkeit ein unkontrollierter Zustrom von Praxisärzten aus der EU befürchtet wurde. Ein erstes Mal wurde die Massnahme 2004 um drei Jahre verlängert.
Zulassungsstopp als Notinstrument
Der Ständerat hiess in der Wintersession 2007 auf eigene Initiative eine erneute Verlängerung bis Ende 2010 gut, weil sich die Beratungen über eine Aufhebung des Vertragszwangs zwischen Kassen und Ärzten hinziehen.
Auf Antrag seiner Gesundheitskommission (SGK) winkte der Nationalrat nun aber ab. Das Geschäft geht zurück an den Ständerat (die kleine Kammer).
Wie schon in der Kommission gab auch im Plenum die Kumulation verschiedener Unzufriedenheiten den Ausschlag. Zum einen wurde der Zulassungsstopp als unschönes Notinstrument und als faktisches Berufsverbot bezeichnet, von dem es schon 2004 geheissen habe, es werde zum letzten Mal verlängert.
Problem dahinter: Vertragszwang oder -freiheit
Zum andern ist der Nationalrat unzufrieden damit, dass die Vorlage des Bundesrates zur Einführung der Vertragsfreiheit, respektive zur Aufhebung des von den Krankenkassen bestrittenen Vertragszwangs, seit vier Jahren bei der Ständeratskommission liegt.
Der Bundesrat möchte die Krankenkassen nicht länger zur Zusammenarbeit mit allen Ärzten verpflichten. Diese Massnahme wird von den Krankenkassen gewünscht, ist aber bei den Ärzten äusserst umstritten.
Im Nationalrat durchsetzen konnten sich die Schweizerische Volkspartei SVP und die Grünen mit Mehrheiten der Freisinnig-demokratischen Partei FDP und der Christlich-demokratischen Volkspartei CVP.
Klartext sprach der Solothurner SVP-Vertreter Roland Borer: Der von den Kantonen unterschiedlich gehandhabte Zulassungsstopp habe nichts Positives bewirkt und schon gar nicht zur Kostendämpfung beigetragen. «Ausser Spesen nichts gewesen», sagte auch die Grüne St. Gallerin Yvonne Gilli.
Der Waadtländer Claude Ruey wies darauf hin, dass sich immer mehr Patienten im Spital ambulant behandeln liessen, was die Kosten in die Höhe treibe. Jungen, gut ausgebildeten Ärzten werde der Weg zur freien Praxis verbaut.
Couchepin warnte vergeblich
Gesundheitsminister Pascal Couchepin warnte erfolglos vor einem Abbruch des Zulassungsstopps, wie ihn der Nationalrat jetzt wünscht.
Couchepins Ansicht nach droht insbesondere eine Abwanderung vieler ausländischer Ärzte, die jetzt in Schweizer Spitälern arbeiten, in freie Arztpraxen: Wenn von den 6000 ausländischen Spitalärzten 600 diesen Schritt täten, bedeute dies für die Krankenversicherung 3 Milliarden Franken Mehrausgaben.
Das Parlament trage die Verantwortung und habe es in der Hand, etwas Besseres als den Zulassungsstopp zu beschliessen. Was die vorab von der Ärzteschaft bekämpfte Vertragsfreiheit angehe, sei der Ständerat nun auf einem viel versprechenden Weg, sagte der Gesundheitsminister.
Die kantonalen Gesundheitsdirektoren haben schon im Vorfeld dieses nationalrätlichen Entscheids eine nahtlose Nachfolgeregelung des Ärztestopps gefordert.
Reaktionen von Gesundheitsdirektoren und Ärzten
Zwar bezeichneten sie die Zulassungs-Beschränkungen als ein mittelfristig fragwürdiges Regulierungsinstrument. Eine ersatzlose Aufhebung sei aber versorgungspolitisch nicht angezeigt, teilte die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) mit.
Als Kompromiss schlägt die GDK eine Verlängerung bis Ende 2009 vor, denn bis dann könne eine Nachfolgeregelung in Kraft treten.
Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) befürchtet, dass die Aufhebung des Zulassungsstopps als «Freipass» für die Einführung der Vertragsfreiheit interpretiert werden könnte.
Optimistisch stimmt das «richtige Signal» aus dem Nationalrat die jungen Mediziner. Der Zulassungsstopp habe eine nicht zu unterschätzende «negative psychologische Wirkung» auf junge Ärzte, schreibt der Verband der Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte. Dessen Aufhebung sei somit ein Beitrag zur Behebung des Ärztemangels.
swissinfo und Agenturen
Erhält in der Schweiz ein Arzt die Zulassung für eine Arztpraxis, müssen die Krankenkassen mit ihm abrechnen, egal ob er nun billig oder teuer behandelt.
Die Krankenkassen sehen darin einen Hauptgrund zur Verteuerung des Gesundheitswesens.
In Diskussion ist deshalb eine Aufhebung des Vertragszwangs. Dies ist aber politisch sehr umstritten.
Für Unmut sorgt auch, dass der bundesrätliche Vorschlag zur Aufhebung des Vertragszwangs seit geraumer Zeit bei der vorberatenden Kommission des Ständerats (kleine Kammer) liegt und deshalb nicht vom Fleck kommt.
Würde der Vertragszwang für Krankenkassen aufgehoben, könnten die Kassen selbst entscheiden, mit welchen Ärzten sie zusammenarbeiten wollen.
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