Airbags stützten Dinosaurierhals
Der Dinosaurier Diplodocus konnte seinen bis zu sieben Meter langen Hals dank Luftsäcken um und in seinen Halswirbeln stabilisieren.
Dies konnte eine Schweizer Forschergruppe um Daniela Schwarz vom Naturhistorischen Museum Basel mit Computer- und Neutronentomografie nachweisen.
Rund 12 Tonnen schwer, bis zu 30 Meter lang und 4 Meter hoch war sie, die Riesenechse Diplodocus. Sie gehörte damit zu den längsten Dinosauriern, die je diesen Planeten bevölkerten.
Damit der mächtige Sauropode (Pflanzen fressender Riesen-Dinosaurier) mit seinem bis zu 7 Meter langen Hals den täglichen Bedarf an Schachtelhalmen, Farnen und Blättern decken konnte, musste dieser stark und trotzdem leicht, stabil und wendig sein.
Wie die Vögel
Neben Muskeln und Bändern waren dafür auch Luftsäcke verantwortlich, die als Ausleger der Lunge Luft bis weit in den Hals hinauf bringen konnten und somit den Hals bis zu 20 Prozent leichter machten.
Ähnlich wie bei den Vögeln, die als nächste Verwandte der Dinosaurier und heute einzige Tierklasse ihre Lungen direkt an der Wirbelsäule aufgehängt haben und ebenfalls mit weiteren Luftsäcken ihr Gewicht reduzieren.
«Nur sind diese Luftsäcke kleiner entwickelt und füllen nicht so viele Bereiche aus, wie bei Sauropoden», sagt die Forscherin Daniela Schwarz vom Naturhistorischen Museum Basel gegenüber swissinfo.
Sie hat im Rahmen ihres Nachdoktorats (Post doc) die versteinerten Wirbelknochen des Diplodocus untersucht.
«Airbag-System»
Dass Sauropoden Luftsack- oder Luftschlauch-Systeme hatten, sei schon lange bekannt, betont Schwarz. «Man hat aber immer gemeint, dass das wahrscheinlich nur zur Gewichts-Erleichterung diente.»
Die Verteilung der Luftsäcke sei jedoch nie genau rekonstruiert worden. Deshalb wollte Schwarz mit ihrem Team herausfinden, ob es nicht auch noch andere Erklärungen für die Anwesenheit dieser Luftsack-Systeme geben könnte.
Das Sauriermuseum Aathal aus dem Zürcher Oberland stellte einige versteinerte Wirbelknochen zur Verfügung, die Schwarz am Paul Scherrer Institut (PSI) im aargauischen Villigen und in zwei Spitälern untersuchen liess.
Pneumatischer Kran
«Wir haben die interne Verteilung von Hohlraum-Strukturen in den Hals- und Rumpfwirbeln untersucht», erklärt Schwarz.
Somit konnten die vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützten Forscher das Hohlraum-System um die Knochen ganz genau darstellen und daraus die dreidimensionale Verteilung der Luftsack-Strukturen und Weichteile im Hals rekonstruieren.
«Da fanden wir heraus, dass manche Sauropoden ein dreiteiliges Luftsack-System um die Halswirbel herum besassen, das wahrscheinlich auch zur Stabilisierung der Wirbelsäule beitragen konnte. Im Zusammenhang mit Muskeln und dem Bänder-Apparat der Wirbelsäule.»
Mit Hilfe dieses «Airbag-Systems» konnte der Saurier den langen Hals stabil halten. Somit kann man sich den Hals als eine Art pneumatischen Kran in Leichtbauweise vorstellen, der nicht nur leichter war, als angenommen, sondern auch kräftiger.
Durch diese stützende Funktion war weniger Muskelkraft zum Bewegen des Halses und damit auch weniger Muskelmasse nötig, was den Hals wesentlich schlanker machte, als bisher angenommen.
Modernste Methoden
Um in die versteinerten Knochen blicken zu können, ohne sie zu zerstören, setzte Schwarz auf zwei Methoden: Die Neutronen-Tomographie (NT) und die Computer-Tomografie (CT).
«Wir haben beide Methoden genommen, um mehr Informationen zu bekommen», erklärt Schwarz. «Dadurch konnten wir viel genauere Informationen über die Verteilung der Hohlraum-Strukturen bekommen und das genauer charakterisieren.»
Die CT-Untersuchungen konnte die Deutsche am Kantonsspital Basel und in der Klinik und Poliklinik für kleine Haustiere in Berlin durchführen. «Die freuten sich, dass sie auch mal was anderes machen können», erzählt Schwarz.
Am Paul Scherrer Institut konnten mit der NT-Methode weitere Erkenntnisse gewonnen werden. Im Gegensatz zur CT, mit der Unterschiede in der Dichte dargestellt werden können, eignet sich die NT besser, um Material-Unterschiede aufzuzeigen.
Vom Knochen zum Tier
Die Geheimnisse, die den Saurierknochen entlockt werden konnten, machen für Schwarz die Faszination an ihrer Arbeit aus. «Durch diese Rekonstruktionen kann man die ganzen Tiere wieder zum Leben erwecken.»
So sei es möglich geworden, herauszufinden, wie ein Sauropode mit einem überlangen Hals gelebt haben könnte, sagt Schwarz.
«Und schliesslich Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, wie sie sich ernährt haben, schliesslich die ganze Biologie dieser Tiere herauszubekommen, mit den Knochen als Ausgangspunkt.»
swissinfo, Christian Raaflaub
Der Diplodocus war 12 Tonnen schwer, bis zu 30 Meter lang und 4 Meter hoch.
Sein Hals war bis zu 7 Meter lang.
Er lebte in der späten Jurazeit vor 156 bis 144 Millionen Jahren im Gebiet der heutigen USA.
Er war ein Sauropode (Pflanzenfresser).
Vor 65 Millionen Jahren starben die Dinosaurier aus.
Bei der Erforschung der Hohlräume im Hals des Diplodocus haben verschiedene Institutionen zusammengearbeitet.
Die Leitung liegt bei Dr. Christian A. Meyer vom Naturhistorischen Museum Basel (NMB).
Die Knochen wurden vom Sauriermuseum Aathal zur Verfügung gestellt.
Die Untersuchungen mit Neutronen-Tomographie (NT) wurden am Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen durchgeführt.
Die Computer-Tomographie (CT) wurde am Kantonsspital Basel und in der Klinik und Poliklinik für kleine Haustiere in Berlin eingesetzt.
Das Forschungsprojekt wurde vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützt.
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