Albula-Bernina auf der Schiene zum Weltkulturerbe
Die Rhätische Bahn hat das Kandidaturdossier für die Aufnahme in die Liste des UNESCO-Welterbes dem Bundesamt für Kultur übergeben.
Der Bund wird das Dossier Januar 2007 an die UNESCO einreichen. Der Entscheid des UNESCO-Welterbe-Komitees wird im Sommer 2008 erwartet.
Der Bündner Regierungsrat und Vorsitzende des Kandidatur-Ausschusses, Hansjörg Trachsel, machte bei der Übergabe des 600 Seiten starken Dossiers darauf aufmerksam, dass es dank diplomatischen Kontakten und Gesprächen auf lokaler Ebene gelungen sei, den Perimeter bis zur italienischen Endstation der Bernina-Linie in Tirano zu verlängern.
Damit wird die Kandidatur ein transnationales Projekt. Der Direktor des Bundesamtes für Kultur (BFK), Jean-Frederic Jauslin, sagte, der Bund werde sich mit Überzeugung für diese Kandidatur einsetzen.
Er wies ausserdem darauf hin, dass die Präsenz der Schweiz beim Welterbezentrum der UNESCO mit einer Schweizer Expertin verstärkt wurde. Für 2009 strebe die Schweiz auch einen Sitz im Welterbe-Komitee an, sagte Jauslin.
Spektakuläre Steigungen
Die Albula- und die Berninastrecke der Rhätischen Bahn zwischen dem bündnerischen Thusis und Tirano seien exzellente und technisch innovative Beispiele für die Erschliessung hochalpiner Landschaften. Sie gehörten zu den spektakulärsten Schmalspurstrecken der Welt.
Dazu gehöre auch die umgebende Kulturlandschaft. Die Kunstbauten der Bahn bildeten mit der Topographie eine Einheit. Die Wahl der Linienführung sei stark motiviert gewesen durch die Vermittlung touristischer und landschaftlicher Attraktionen.
Die Kulturlandschaft entlang der beiden Bahnen zeige die ganze Vielfalt des Kantons Graubünden: von der hochalpinen Gletscherwelt der Bernina und der Oberengadiner Seenlandschaft bis zum südlich geprägten Puschlav und Veltlin mit Palmen und Weinbergen, vom mondänen St. Moritz bis zur alpinen Agrarlandschaft in Bergün.
Höchstgelegene Eisenbahntransversale
Laut Trachsel haben über 30 Autoren und Experten am 600-seitigen Dossier gearbeitet. Die Bahnstrecken messen rund 130 Kilometer. Die Kernzone befindet sich in 22 Gemeinden und umfasst eine Fläche von fast 60 Quadratkilometern.
Die Strecke St. Moritz-Tirano ist die höchstgelegene Eisenbahntransversale in Europa. Sie weist teilweise Steigungen von bis zu sieben Prozent auf.
Die Kantonsregierung sei überzeugt, ein gutes Dossier einreichen zu können, sagte Trachsel. «Die Möglichkeit, dass Graubünden bald ein weiteres Welterbe neben dem Kloster Müstair bekommen könnte, macht uns stolz.»
Bis jetzt gelten weltweit zwei Bahnlinien als UNESCO-Welterbe: Die Semmering-Strecke in Österreich und die Darjeeling-Linie in Indien.
Weitere Kandidaturen
Gemäss der von der Landesregierung im Dezember 2004 verabschiedeten so genannten «liste indicative» soll das Schweizer Welterbe um vier weitere Sehenswürdigkeiten ergänzt werden: Die Bauten des Architekten Le Corbusier, die prähistorischen Pfahlbauersiedlungen, die Stadtlandschaft von La Chaux-de-Fonds und Le Locle sowie das Weingebiet des Lavaux.
Das Kandidaturdossier für den Lavaux hat die Schweiz im vergangenen Dezember bei der UNESCO deponiert. Ein Entscheid ist noch nicht gefallen. Die andern Kandidaturen sind noch in Vorbereitung.
Ausserdem hat die Schweiz vor wenigen Tagen einen zweiten Anlauf genommen, um die Glarner Hauptüberschiebung ins Welterbe aufzunehmen.
Zweite Kandidatur für Hauptüberschiebung
Die Glarner Hauptüberschiebung liegt im Grenzgebiet der Kantone St. Gallen, Glarus und Graubünden. Sie zeigt beispielhaft die Entstehung der Alpen. Durch die Faltung liegen die ältesten, rund 150 Millionen Jahre alten Gesteinsschichten über den viel jüngeren. Das lässt sich an den Bergen als messerscharfe Linien ablesen.
Die erste, im Januar 2004 eingereichte Kandidatur wurde im Juni letzten Jahres zurückgezogen, nachdem klar geworden war, dass die Unterlagen den Aufnahmekriterien nicht genügt hätten.
Seitdem haben Geologen im Auftrag der Promotoren alle wichtigen Überschiebungen weltweit hinsichtlich ihres landschaftlichen Werts und ihrer wissenschaftlichen Bedeutung beurteilt.
swissinfo und Agenturen
In der Schweiz wurden bislang 6 Regionen ins Unesco-Weltkulturerbe aufgenommen:
die Altstadt der Bundeshauptstadt Bern
das Kloster St. Gallen
das Benediktiner-Kloster von Müstair
die Burgen von Bellinzona
die alpine Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn-Region
und der Monte San Giorgio
Die UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaften und Kultur (UNESCO) setzt sich weltweit für den Schutz und den Erhalt von Kulturgütern ein, die sich durch einen besonderen Wert auszeichnen.
Das ist das Ziel des internationalen «Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt», das die UNESCO 1972 beschlossen hat. 180 Staaten haben die Konvention inzwischen unterzeichnet.
Die Schweiz hat die Konvention 1975 ratifiziert.
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