Algerien: Die Schweiz hilft mit
Zusammen mit anderen europäischen Ländern hilft die Schweiz Algerien, wo ein Erdbeben am Mittwochabend über 1000 Tote und mehr als 7000 Verletzte gefordert hat.
Bis Donnerstagabend schickte sie 90 Spezialisten ins Land. Diese sollen die Helfer unterstützen, die seit Stunden in den Trümmern nach Überlebenden suchen.
Noch in der Nacht auf Donnerstag wurde ein Krisenstab gebildet, der seither in ständigem Kontakt mit der Schweizer Botschaft in Algier steht. Auf diesem Weg wurde den algerischen Behörden auch das Hilfsangebot der Schweiz übermittelt.
«Wir warten auf das grüne Licht der algerischen Behörden», sagte Jean-Philipe Jutzi, Pressesprecher des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) gegenüber swissinfo.
Auch ohne offizielle Einladung hat sich ein erstes Detachement aus drei Personen des SKH kurz nach Donnerstagmittag von Genf aus auf den Weg nach Algerien gemacht.
Sie sollen ein wenig später Verstärkung erhalten: Acht Personen (drei Hundeführer, zwei Ärzte und drei Techniker) sind von Zürich aus unterwegs.
Am Donnerstagabend werden weitere 80 Mitarbeiter des SKH in Algier erwartet: Seismologen, Techniker, Logistiker, Hundeführer und einige Spezialisten der UNO.
Am Mittag hat die Glückskette ein Sammelkonto «Erdbeben Algerien» eröffnet. Zudem stellte sie 50’000 Franken für Soforthilfe zur Verfügung. Spenden mit dem Vermerk «Algerien» können auf das Postkonto 10-15000-6 einbezahlt werden.
Gemeinsam haben das Rote Kreuz und der Rote Halbmond 200’000 Franken Soforthilfe gesprochen. Auch Frankreich und Deutschland haben angekündigt, Spezialisten in die Region zu schicken.
Tausende Verletzte
Beim schwersten Erdbeben in Nordalgerien seit über 20 Jahren sind nach offiziellen Angaben gegen 1100 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 7000 wurden verletzt.
Hunderte von Menschen seien noch verschüttet, sagte Regierungschef Ahmed Ouyahia. In der Hauptstadt Algier flohen Bewohner in Panik auf die Strassen, als Häuser einstürzten. Manche sprangen aus dem Fenster.
Das stärkste Beben erreichte nach Angaben des Observatoriums für Erdwissenschaften in Strassburg eine Stärke von 6 auf der Richterskala. Laut dem algerischen Forschungszentrum für Astronomie und Astrophysik (CRAAG) erreichten die Erdstösse eine Stärke von 5,2.
Präsident Abdelaziz Bouteflika reiste in das am schwersten betroffene Departement Boumerdès, wo gegen 400 Tote zu beklagen sind. Allein in der Stadt Boumerdès seien zehn Gebäude eingestürzt, sagte Innenminister Yazid Zerhouni. In der Nachbarstadt Baghlia sei das Spital zerstört worden.
Das Hauptbeben erschütterte die Region um 19.45 Uhr Ortszeit. Etwa eine halbe Stunde lang bebte die Erde nach. Das Epizentrum lag nach Angaben des CRAAG in der Stadt Thenia zehn Kilometer östlich von Boumerdès.
Grosse Wucht – schwache Häuser
In Algier standen verängstigte Menschen, die sich nicht in ihre Häuser zurückwagten, noch in der Nacht auf der Strasse und in Parks zusammen. Viele versammelten sich auf dem grossen Platz vor dem Regierungspalast.
Die Wucht der Erdstösse riss Strassen auf, Teile von Häuserfassaden stürzten auf die Strassen. Nur wenige Minuten nach dem Beben fuhren wieder Privatautos auf den Strassen.
Viele waren vollbesetzt und mit dem Notdürftigsten bepackt, weil ganze Familien die Stadt verlassen wollten. Die Einwohner wurden zum Blutspenden aufgerufen.
«Algerien ist bekannt für Erdbeben – das letzte im 1980 forderte viel mehr Opfer», sagte Erdbebenspezialist Stefan Wiedmer von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich gegenüber swissinfo. «Es ist eine gefährliche Gegend. Trotzdem werden viele Häuser zu schwach gebaut.»
Schweizer Botschafterresidenz beschädigt
Auch die Residenz des Schweizer Botschafters in Algier ist beim Erdbeben beschädigt worden. Das Gebäude sei unbewohnbar, sagte eine Mediensprecherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Die Mitarbeiter der Botschaft seien aber wohlauf. «Es ist schwer, im Moment mehr zu sagen, da die Verbindungen mit Algerien sehr schwer, wenn nicht unmöglich herzustellen sind», sagte EDA-Sprecherin Muriel Berset Kohen.
So konnte das EDA bis am Donnerstagvormittag keine Angaben über die 150 Schweizerinnen und Schweizer machen, die in Algerien leben. Die meisten von ihnen wohnen in der Region von Algier.
Das Beben war bis nach Spanien zu spüren, besonders an der Mittelmeerküste sowie auf den Balearen und Ibiza. In mehreren Häfen von Mallorca und der Nachbarinsel Menorca wurden Schiffe beschädigt. Menschen wurden nicht verletzt.
swissinfo und Agenturen
29,2 Millionen Einwohner
Zweitgrösstes Land Afrikas
Hauptausfuhrgüter: Erdöl und Erdgas
49% der Frauen und 25% der Männer sind Analphabeten
Erdbeben im Jahr 2003:
1. Mai 2003
Starkes Erdbeben im Südosten der Türkei. 167 Tote und mehr als 1000 Verletzte. Stärke 6,4 auf der Richterskala.
29. April 2003
Leichtes Erdbeben im Zentralwallis (Schweiz). Keine Schäden. Stärke 3,9 auf der Richterskala.
24. Februar 2003
Starkes Erdbeben in China. 350 Tote, 10’000 Obdachlose. Stärke 6,6 auf der Richterskala.
22. März 2003
Stärkstes Erdbeben in Baden-Württemberg (Deutschland) seit 25 Jahren. Keine Schäden. Stärke 4,4 auf der Richterskala.
21. März 2003
Starkes Erdbeben im Osten von Kongo-Kinshasa sowie Westruanda und Tansania.
22. Februar 2003
Starkes Erdbeben in der Schweiz. Viele Gebäudeschäden. Stärke 5,5 auf der Richterskala.
21. Januar 2003
Starkes Erdbeben in Mexiko. 29 Tote und über 300 Verletzte. Stärke 7,6 auf der Richterskala.
11. Januar 2003
Starkes Erdbeben im Iran. 650 Häuser in 22 Dörfer zerstört. Stärke 5 auf der Richterskala.
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