Am Anfang des langen Weges zur Normalität
Der Wiederaufbau in den von Flutwellen versehrten Ländern in Südostasien wird Jahre dauern, sagt Toni Frisch, der höchste Schweizer Katastrophen-Manager.
Frisch kehrte am Samstag aus Sri Lanka und Indonesien zurück, nachdem er sich dort ein Bild vom Elend und den Verwüstungen gemacht hatte.
In den Krisengebieten leisten momentan rund 80 Schweizer Fachleute humanitäre Nothilfe-Massnahmen. Diese kommen Hunderttausenden von Menschen zu Gute, die bei der Flutwelle nach dem Seebeben vom 26. Dezember alles verloren haben.
Toni Frisch, der Chef des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) und somit oberster Krisenmanager des Landes, besuchte in den vergangenen Tagen Sri Lanka und Indonesien. Er ist für die Planung und Durchführung der Hilfe des Bundes verantwortlich.
Von den 27 Mio. Franken, die der Bundesrat für Nothilfemassnahmen bereitgestellt hat, sind schon 19 Mio. für Projekte gebunden.
Die Flutwellen, je nach Region überrollten mehrere die Küstengebiete, spülten in zehn Ländern ganze Städte und Dörfer weg. Bis am Sonntag betrug die Zahl der amtlich registrierten Todesopfer 156’000.
Der für die Hilfseinsätze zuständige UNO-Koordinator, der Schwede Jan Egeland, hat aber bereits von gegen 200’000 Toten gesprochen.
Nach einem Aufenthalt in Sri Lanka reiste Toni Frisch weiter nach Aceh. Die indonesische Nordprovinz auf Sumatra, zu allem Übel noch von einem jahrelangen Bürgerkrieg geplagt, weist die verheerendsten Verwüstungen auf: Allein in Aceh werden bis zu 80’000 Opfer befürchtet.
swissinfo: Die Schweiz hat sehr schnell Wiederaufbaupläne präsentiert, so für ein ganzes neues Dorf in Thailand oder Schulen für 3000 Kinder in Sri Lanka. Wie war dieses Tempo möglich?
Toni Frisch: Wir sind seit den 1980er-Jahren mit Verbindungsbüros in Thailand und Sri Lanka präsent. In Sri Lanka haben wir in dieser Zeit Bau- und Wiederaufbau-Projekte für Spitäler, medizinische Zentren und Schulen ausgeführt.
Weil im Süden der Insel viele Schulen betroffen waren, liegt es auf der Hand, dass wir jetzt das Programm für Schulbauten aus dem Norden auf den Süden ausdehnen.
Der Wiederaufbau hat bereits begonnen, das war ebenfalls ein Grund, weshalb rasche Entscheide nötig waren.
swissinfo: Plant die Schweiz Wiederaufbauprojekte auch für Indonesien, oder liegt dort das Schwergewicht auf der humanitären Hilfe?
T.F.: Für eine Antwort ist es vielleicht noch zu früh. Klar ist aber, dass es beim Wiederaufbau dort zuerst um Brücken, Strassen, Kommunikationssysteme und vor allem Unterkünfte gehen muss.
Zu aller erst müssen wir aber fortfahren, die Leute mit überlebenswichtigen Gütern zu versorgen, also medizinischen Geräten und Medikamenten, Zelten und vor allem Wasser. Das wird für die nächsten Wochen und Monate nötig sein.
swissinfo: Die Hilfseinsätze in der Region sind eine gewaltige logistische Herausforderung. Gibt es eine Zusammenarbeit zwischen den Ländern, oder ist das schlicht nicht möglich?
T.F.: Nein. Eine solche ist unmöglich, weil sich kein Land auf eine Katastrophe dieses Ausmasses vorbereiten kann.
Ich bin aber sehr beeindruckt von der Koordination und Kooperation in Sri Lanka und ebenfalls hier in Indonesien. Es gibt eine Zusammenarbeit zwischen der UNO, Nichtregierungs-Organisationen (NGO) und Regierungsbehörden.
Eines ist klar: Eine solche Katastrophe richtet ein Chaos an. Ich kritisiere niemanden, es ist aber einfach eine riesige Herausforderung.
swissinfo: Eine Herausforderung ist vielleicht auch das viele Geld, das für die Bewältigung bereit liegt. Ist es nicht einfacher, Geld zu sammeln, statt sicher zu stellen, dass es vor Ort gut eingesetzt wird?
T.F.: Das ist in der Tat so. Deshalb arbeiten wir eng mit NGOs zusammen, um möglichst sicher zu gehen. Es gibt aber viele Bedürfnisse, kurz-, mittel- und langfristige. Der Finanzbedarf gerade für den Wiederaufbau im Langzeitbereich muss für zwei, drei, fünf oder gar noch mehr Jahre ausreichen.
swissinfo: Was ist Ihr Eindruck von dieser Katastrophe, verglichen mit denjenigen, mit denen Sie sich bisher befassen mussten?
T.F.: Schnelles Reagieren ist für uns nichts Neues, wir mussten schon oft Experten innert Stunden in ein Krisengebiet entsenden. Neu für uns und alle anderen war hingegen, dass wir Teams gleichzeitig in fünf Länder losschicken mussten. Das hat es in der Geschichte der humanitären Hilfe bisher nicht gegeben.
swissinfo: Gibt es einen Eindruck, der Ihnen besonders geblieben ist?
T.F.: In Sri Lanka war ich auf der Suche nach einem Plastiksack, um etwas einzupacken. Ein Mann gab mir den seinen, den er in der Hand getragen hatte. Er erzählte mir, das er alles verloren habe, Mutter, Vater und Schwester, und dass er ganz allein sei.
Wir sind uns vorher nie begegnet, und werden uns auch nie mehr begegnen, aber für zehn Minuten haben wir wie Freunde miteinander gesprochen. Das sind schon ganz eindrückliche Momente.
swissinfo-Interview: Ramsey Zarifeh
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)
Die Nothilfeaktion in Asien ist das grösste humanitäre Engagement der DEZA seit der Flüchtlingskrise im Kosovo.
Im Krisengebiet stehen zur Zeit 80 Schweizer Experten im Einsatz.
Von den 27 Mio. Franken, die der Bund für Nothilfemassnahmen bereitgestellt hat, wurden bereits 19 Mio. fest verpflichtet.
Von der Gesamtsumme werden 60% für bilaterale Projekte und 40% für multilaterale Hilfe eingesetzt.
Am 11. Januar findet in Genf eine Geberkonferenz statt.
Im Rahmen der Hilfe will die Schweiz in Thailand ein ganzes Fischerdorf wieder aufbauen, das vom Tsunami ausgelöscht worden war.
In Sri Lanka liegen die Prioritäten bei Schulbauten und der Trinkwasser-Versorgung.
In Indonesien bemühen sich die Vertreter der Hilfswerke und Regierungsagenturen immer noch, die Zehntausenden von Obdachlosen mit Nahrung und Medikamenten zu versorgen.
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