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Angst vor dem Weltuntergang

Wissenschafter erhoffen sich vom LHC Aufschlüsse über das Universum. CERN

Aus Angst vor schwarzen Löchern, welche die Erde verschlingen könnten, verklagen zwei Männer in den USA das europäische Kernforschungs-Zentrum CERN. Sie befürchten das Ende der Welt.

Für Walter Wagner und Luis Sancho ist der neue Teilchenschleuniger LHC, der bald am CERN in Betrieb gehen soll, eine Bedrohung für die Existenz des Planeten.

Mit ihrer Klage in Hawaii wollen sie die für den Sommer geplante Inbetriebnahme des Large Hadron Colliders (LHC) bei Genf verhindern, wie die «New York Times» berichtete.

Wagner und Sancho glauben, dass der riesige, 27 Kilometer lange Teilchenbeschleuniger mikroskopisch kleine schwarze Löcher verursachen könnte, welche die Erde verschlingen oder sie in einen Klumpen ultra-dichter kompakter Masse (so genannte Strangelets), verwandeln könnten.

Neben dem CERN werden in den Gerichtsdokumenten drei Organisationen aus den USA aufgeführt, das Energie-Departement, die National Science Foundation sowie Fermilab, ein dem CERN ähnliches Laboratorium und Zulieferer des LHC.

Mit ihrer Klage wollen Wagner und Sancho erreichen, dass die Inbetriebnahme des LHC verschoben werden muss, um weitere Umwelt- und Sicherheitsstudien durchzuführen.

In der Klage heisst es unter anderem, das CERN verstosse gegen die Umwelt-Gesetzgebung (National Environmental Policy Act) der USA. Die Vereinigten Staaten gehören aber nicht zu den 20 CERN-Mitgliedstaaten.

Keine schwarzen Löcher

Das CERN weist das Argument zurück, dass der LHC, der Ende Juni oder Anfang Juli seinen Betrieb aufnehmen soll, einen Weltuntergang auslösen könnte.

«Es besteht kein Risiko, dass der LGC das Universum zerstören wird», sagt James Gillies, der Pressechef des CERN, gegenüber swissinfo.

«Es gibt einige Physiker, die befürchten, dass beim den Kollisionen im Teilchenbeschleuniger LHC mikroskopische schwarze Löcher entstehen könnten», schreibt das CERN in einer Erklärung auf seiner Website.

Obschon die Protonen fast mit Lichtgeschwindigkeit aufeinanderprallen werden, soll bei den Kollisionen der Partikel tief im Erdinnern nur ein kleinster Teil dieser Energie freigesetzt werden, etwa soviel wie der «Energie einiger Mücken» entspreche, heisst es in der Erklärung weiter.

Zudem wird auf die verschiedenen Sicherheitsprüfungen in dem Zusammenhang hingewiesen, die alle zum Schluss gekommen seien, dass der LHC sicher sein werde.

«Es gibt nicht Neues, das darauf hinweisen würde, dass der LHC nicht sicher ist», sagt Gillies mit Blick auf die in Hawaii, zwölf Zeitzonen von Genf entfernt, eingereichte Klage.

Für besorgte Laien habe das CERN in verständlicher, nicht technischer Sprache Informationen zum LHC veröffentlicht.

«Sie haben viel Propaganda, in der es heisst, alles sei sicher», sagte Wagner seinerseits gegenüber der «New York Times». «Aber das ist grundsätzlich was es ist, Propaganda.»

Die letzte Sicherheitsprüfung bezeichnete Wagner als «grundsätzlich mangelhaft».

Wagner, ein US-Bürger ist Botaniker und Anwalt und war früher nuklearer Sicherheitsbeauftragter. Sancho bezeichnet sich nach Angaben der «New York Times» als «Autor und Erforscher von Zeitentheorien».

Weitere Sicherheitsprüfung

Im Interesse der Sicherheit hatte das CERN nach zwei Studien durch Experten, die selber nicht am LHC-Projekt beteiligt sind, eine zusätzliche, anonyme Studie in Auftrag gegeben, die im Januar abgeschlossen wurde. Sie soll in Kürze veröffentlicht werden.

«Die Möglichkeit, dass ein schwarzes Loch die Erde verschlingt, ist eine zu ernsthafte Bedrohung, um sie nur als Diskussion unter einigen Verrückten abzutun,» erklärt der Physiker Michelangelo Mangano, Mitglied der Gruppe, die sich beim CERN mit der Beurteilung der Sicherheit befasst.

Im LHC sollen noch in diesem Jahr die ersten Protonen aufeinander zurasen. Die Elementarteilchen werden für das Experiment fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Damit sollen dann Verhältnisse entstehen wie in den ersten Augenblicken des Universums.

Zuständigkeit eines US-Gerichts angezweifelt

Beim CERN wird die Verbindung zwischen dem europäischen Forschungszentrum und einem US-Gerichtshof als dürftig bezeichnet. «Es ist etwas schwierig zu sehen, wie ein Gericht in Hawaii über eine internationale Forschungseinrichtung in Europa Recht sprechen soll», sagt CERN-Sprecher Gillies.

Wenigstens eine der Angeklagten, die US-Regierung, hat erklärt, vor Gericht erscheinen zu werden. Zu einem für Mitte Juni erwarteten ersten Termin sollen Anwälte aus dem US-Justizdepartement nach Hawaii reisen.

Doch wenn es nicht zu einer unerwarteten Wende kommt, wird Wagner seinem Gegner CERN, gegen das sich die Klage in erster Linie richtet, kaum vor Gericht in die Augen schauen können.

Das CERN, sagte Gillies Anfang Woche, habe bisher von dem Gericht keine Dokumente erhalten, nicht das dies etwas ändern würde. «Realistischerweise besteht keine Chance, dass wir dort erscheinen würden», sagt er weiter.

Dass ein Richter in Honolulu über die Experimente in Genf urteilen soll, liegt einfach daran, dass Wagner auf Hawaii lebt. «Ich hätte auch in Frankreich oder in der Schweiz klagen können», sagte er der «New York Times». Doch aus Kostengründen habe er es in Hawaii getan.

swissinfo, Justin Häne
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Die Schweiz gehört zu den Gründerstaaten der seit 1954 in Meyrin bei Genf beheimateten Kernforschungs-Organisation.

Heute sind 20 Staaten aus Europa Mitglieder an des CERN.

Mit seinen knapp 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das CERN das wohl weltgrösste Forschungszentrum für Teilchen- und Hochenergiephysik.

Der Teilchenbeschleuniger LHC, eine ringförmige Anlage, liegt in bis zu 150 Meter tief unter der Erde.

Die Konstruktion des LHC hat rund 7,95 Mrd. Franken gekostet.

Der LHC (Large Hadron Collider) ist ein gigantisches Forschungsinstrument.

Wissenschafter erhoffen sich von den Experimenten im LHC zahlreiche Antworten auf fundamentale Fragen der Physik und hoffen auf ein tieferes Verständnis des Universums.

Bis heute ist rätselhaft, warum nach dem Urknall überhaupt Materie übrig geblieben ist, aus der im Laufe der Äonen Sterne, Planeten, Pflanzen und schliesslich auch Tiere und Menschen entstehen konnten.

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