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Anti-muslimisches Inserat sorgt für Empörung

Das umstrittene Inserat des überparteilichen Komitees zur Einbürgerungs-Abstimmung vom 26. September. swissinfo.ch

Muslimische Gemeinschaften sowie Ausländerkommission und Antirassismuskommission sind ob der Abstimmungs-Polemik eines "Überparteilichen Komitees gegen Masseneinbürgerung" empört und schockiert.

Dennoch beabsichtigen sie keine Strafverfolgung gegen die Urheber.

«Dank automatischer Einbürgerung: Muslime bald in der Mehrheit?» Unter diesem Titel erschien ein halbseitiges Inserat zur Volksabstimmung vom 26. September über die beiden Einbürgerungsvorlagen am Samstag und Sonntag in mehreren Schweizer Zeitungen.

Gezeichnet ist es von einem «Überparteilichen Komitee gegen Masseneinbürgerungen», das sein Domizil bei Ulrich Schlüer, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP), hat.

Nach den Worten von SVP-Sprecher Roman S. Jäggi hat die Partei mit dem Inserat nichts zu tun. «Wir finanzieren dieses Inserat nicht, aber wir betrachten dessen Inhalt als positiv», so Jäggi gegenüber swsissinfo. «Es ist wichtig, die Bevölkerung hinsichtlich der Abstimmung vom 26. September zu informieren.»

Unsinnige Projektionen

Abgesehen von der Frage, ob es das Antirassismus-Gesetz verletzt, enthält das Inserat andere zweifelhafte Aussagen. So ist die beschriebene Entwicklung des muslimischen Bevölkerungsanteils völlig unabhängig von der Frage der Einbürgerung.

Zwar habe sich die Zahl der Muslime in der Schweiz zwischen 1990 und 2000 verdoppelt, insbesondere wegen dem Konflikt in Ex-Jugoslawien, sagt Mario Tuor, Sprecher des Bundesamtes für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES).

«Würden die Prognosen im Inserat stimmen, wäre der Anteil der Muslime in der Schweiz im Jahr 2050 bei 144 Prozent.» Was zeige, dass die Behauptungen im Inserat völlig unsinnig seien, so Tuor.

Muslime verletzt

«Wir Muslime in der Schweiz sind durch das Inserat in unseren Gefühlen verletzt», sagt Farhad Afshar, Professor für Soziologie an der Universität Bern und Präsident der Koordination islamischer Organisationen in der Schweiz (KIOS), gegenüber swissinfo.

Eine juristische Klage habe aber keinen Sinn, man könne nichts machen. «Es muss eine politische Kampagne dagegen geführt werden», so Afshar. Er hofft auf die Vernunft der Schweizer Bevölkerung und glaubt, dass eine derart üble Kampagne keinen Erfolg haben wird.

Ausländerkommission empört

Die Eidgenössische Ausländerkommission (EKA) äusserte sich «entsetzt und besorgt» über das Inserat. Die Absender des Inserates wollten Angst vor einer muslimischen Mehrheit in der Schweiz schüren. Sie täten dies «mit einer gefährlichen Mischung von richtigen und falschen Ausgangszahlen sowie absurden demografischen Szenarien».

Tatsächlich liege der Anteil der Muslime an der Schweizer Wohnbevölkerung bei 4,5%. Und der überwiegende Teil der Muslime in der Schweiz – so die EKA weiter – gehöre gemässigten muslimischen Gemeinschaften an, welche fundamentalistische Tendenzen ablehnten.

Diese Ansicht teilt Ahmed Benani, Religionswissenschafter an der Universität Lausanne. «Die meisten Muslime in der Schweiz sind voll integriert. Und Untersuchungen zeigen, dass nur 10% von ihnen ihre Religion praktizieren.» Mit dem Inserat würde einmal mehr der Hass gegen den Islam geschürt», so Benani zu swissinfo.

Diffamierungs-Charakter

Für Georg Kreis, Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR), liegt mit dem Inserat ein Offizialdelikt vor. Man müsse die Behörden und Institutionen darauf aufmerksam machen. Sie sollten prüfen, ob eine Verletzung des Antirassismusgesetzes vorliege, erklärt Kreis.

In dem Inserat werde eine ganze Religionsgruppe als Bedrohung für die Schweiz dargestellt. Das Inserat habe ganz klar einen Diffamierungs-Charakter. Doch die EKR habe eine gesellschaftspolitische Funktion, nicht eine juristische.

Kreis findet das Inserat, wie auch schon frühere aus derselben politischen Ecke, «einer Demokratie unwürdig». Die Anonymität dieser Komitees sei besonders hinterhältig. «In einer Demokratie sollte man mit seinem Namen hinter dem stehen, was man vertritt oder schreibt.»

Eine Strafverfolgung gegen das Inseraten-Komitee hält Marcel Niggli, Strafrechtsprofessor an der Universität Freiburg, unter dem Gesichtspunkt der Antirassismus-Strafnorm für nicht begründet. Das Inserat zeichne lediglich eine Art «Bedrohungsszenario» einer stetig wachsenden muslimischen Bevölkerung in der Schweiz, ohne diese aber zu verurteilen oder gar herabzusetzen.

Die Verantwortung der Medien

Einige wenige Zeitungen haben es abgelehnt, das Inserat zu publizieren. Die zahlreichen anderen Medien, die es publiziert haben, begründen dies mit der Meinungsäusserungs-Freiheit, die auch für den Inseratenteil gelte. Zudem seien redaktioneller Teil und Werbeteil klar getrennt.

Die «SonntagsZeitung» zum Beispiel ist überzeugt, «dass die öffentliche Diskussion aller Argumente vor Abstimmungen für die politische Willensbildung allemal besser ist als ein Richtspruch dazu, was man drucken darf und was nicht.»

Eine Haltung, die EKR-Präsident Georg Kreis nicht überzeugt. «Zumindest müssten die Medien zu jedem solchen Inserat im Redaktionsteil einen kritischen Kommentar schreiben.»

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Über 40% der Wohnbevölkerung in der Schweiz sind katholisch

33% protestantisch

Rund 4,5% muslimisch

4% Angehörige anderer Religionen

10% ohne Religion.

Die Ausländerkommission ist ob der Abstimmungs-Polemik eines «Überparteilichen Komitees gegen Masseneinbürgerung» empört. Dieses warnt in einem Zeitungsinserat vor einer «Muslimisierung» der Schweiz.

Die Antirassismus-Kommission spricht von einem Offizialdelikt. Das Inserat habe klar einen Diffamierungs-Charakter.

Vertreter muslimischer Gemeinschaften fühlen sich in ihren Gefühlen verletzt.

Eine juristische Klage mache aber keinen Sinn. Es müsse auf politischer Ebene dagegen gekämpft werden.

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