Arbeitgeber zählen auf ältere Mitarbeiter
Die Schweizer Arbeitgeber wollen ältere Arbeitskräfte länger im Arbeitsprozess behalten. Nur damit könnten die Renten gesichert und alle Arbeitsplätze besetzt werden.
Voraussetzung dazu sei ein Umdenken in der gesamten Gesellschaft und eine altersgerechte Personalpolitik wie Teilzeitarbeit oder flexibler Altersrücktritt.
Die Schweiz altert und mit ihr die arbeitende Bevölkerung. In spätestens 10 Jahren werden laut Arbeitgeberverband zu wenig Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.
«Wir müssen ältere Mitarbeitende im Arbeitsprozess behalten können», sagte Arbeitgeberverbands-Präsident Rudolf Stämpfli bei der Vorstellung der Broschüre «Altersstrategie».
Gebe es weniger Arbeitskräfte, werde die Finanzierung der AHV-Leistungen für die wachsende Zahl von Rentnern schwieriger, hielt er fest: «Eine Erhöhung des AHV-Alters könnte hier eine Entlastung bringen.»
Noch sei diese Diskussion jedoch schwierig, da ältere Arbeitnehmende auf dem Stellenmarkt oft nicht mehr gefragt seien und Mühe hätten, neue Jobs zu finden, räumte Stämpfli ein.
Umdenken gefragt
Es brauche ein Umdenken bei Arbeitgebern und Gesellschaft sowie eine altersgerechte Personalpolitik. Konkrete Empfehlungen hat der Arbeitgeberverband in seiner Broschüre zusammengefasst.
Der Arbeitgeberverband empfiehlt den Unternehmen an erster Stelle, mit ihren Arbeitnehmern flexible Lösungen zum Altersrücktritt auszuarbeiten. Dazu seien die Verträge, auch auf der Stufe der Gesamtarbeitsverträge, entsprechend anzupassen.
Dem Verband schweben nebst diesem flexiblen Altersrücktritt auch neue Arbeitsmodelle für ältere Menschen vor. So könnten für sie etwa Teilzeitpensen oder ein Stafettenmodell mit der stufenweisen Abgabe von Aufgaben eingeführt werden.
Von der Politik fordern die Arbeitgeber, bei der Altersvorsorge bei allen drei Vorsorge-Säulen dafür zu sorgen, dass die Erwerbstätigen flexibel und bedürfnisgerecht aus dem Erwerbsleben aussteigen können.
Altersunabhängige Anstellungsbedingungen
Die Anstellungsbedingungen sollen im Urteil des Arbeitgeberverbandes konsequent altersunabhängig ausgestaltet werden. Dazu gehört etwa, dass falsche Anreize wie Dienstalterzulagen oder höhere Sozialversicherungs-Prämien vermieden werden sollten.
Auch bezüglich Qualifikation und Weiterbildung empfiehlt der Verband seinen Mitgliedern, nicht auf das Alter zu schauen. Weiterbildung müsse altersunabhängig angeboten werden, und auch die beruflichen Qualifikationen älterer Mitarbeiter seien zu fördern.
Die Unternehmen sollten zudem die Altersstruktur ihrer Belegschaft in die strategische Planung einbeziehen. Bei ihrer Einstellungspolitik sollen sie altersneutrale Kriterien anwenden und stärker noch Erfahrung und ausserberufliche Qualifikationen mitberücksichtigen.
Freundliche Distanz der Gewerkschaften
«Der Schweizerische Gewerkschaftsbund begrüsst, dass der Arbeitgeberverband nun auch die Problematik der älteren Arbeitnehmer angeht», sagt Ewald Ackermann von der SGB-Pressestelle gegenüber swissinfo.
«Wir sehen die Broschüre als Aufforderung an die einzelnen Arbeitgeber-Verbände, sich mit dem Thema vertraut zu machen. Denn der grösste Handlungsbedarf besteht bei den Firmen selbst.»
Der SGB sieht im Vorstoss der Arbeitgeber auch keine Konkurrenz für die von den Gewerkschaften eingereichte Initiative «AHV ab 62!». Ackermann: «Beide Seiten wünschen in dieser Frage Flexibilität. Wir sind der Ansicht, dass ein Rückzug aus dem Erwerbsleben die Einkommenssituation nicht massgeblich verschlechtern darf.»
swissinfo und Agenturen
Die Schweizer Regierung möchte älteren Arbeitnehmern die Möglichkeit bieten, länger auf dem Arbeitsmarkt zu bleiben
Insbesondere möchten die Behörden die Anreize vermindern, vorzeitig in den Ruhestand zu treten.
Damit auch Arbeitnehmende möglichst lange am Arbeitsprozess teilnehmen können, wünscht der Bund, dass die gesundheitlichen Bedingungen am Arbeitsplatz verbessert werden.
Ausserdem möchte die Regierung die öffentliche Meinung und die Unternehmen darauf sensibilisieren, dass ältere Arbeitsnehmende häufiger diskriminiert werden. Sie setzt sich für angepasste Arbeitsmodelle ein.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat im letzten Oktober einen Bericht zur Alterung der Bevölkerung und deren Auswirkung auf die Beschäftigungspolitik veröffentlicht.
Die Organisation ist der Ansicht, dass sich der Anteil der inaktiven älteren Bevölkerung gegenüber der arbeitenden bis 2050 von heute 38% auf 70% fast verdoppeln wird.
Ein solches Szenario ist eine schwerwiegende Bedrohung für das Wachstum in den Industrieländern und für die öffentlichen Finanzen.
Laut OECD lässt sich nur mit einer Verlängerung des Berufslebens eine Verarmung und der Konkurs der Pensionssysteme vermeiden.
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