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Arbeitsweise von Gedächtnis-Gen entdeckt

Das menschliche Gedächtnis ist noch nicht bis in die hinterste Nische erforscht. (imagepoint) imagepoint

Forscher der Universität Zürich haben einen wichtigen Schritt zum besseren Verständnis über die Arbeitsweise des menschlichen Gedächtnisses gemacht.

Sie haben zum ersten Mal im menschlichen Genom geforscht, um Gene zu bestimmen, die mit dem menschlichen Gedächtnis in Verbindung stehen.

Eine ihrer wichtigsten Entdeckungen ist das KIBRA-Gen, mit dessen Hilfe sich die Gedächtnisleistung regulieren lässt.

Die Wissenschafter sagen, die Resultate dieser Studie könnten bei der Behandlung von Krankheiten von Nutzen sein, die mit dem Hirn in Verbindung stehen, wie Alzheimer und Depressionen.

Die Forschung, geleitet von Andreas Papassotiropoulos und Dominique de Quervain von der Abteilung Psychiatrische Forschung der Universität Zürich, und mit Dietrich Stephan vom Translational Genomics Research Institute in Phoenix in den USA, ist im Wissenschaftsmagazin Science erschienen.

«Die Hauptzielsetzung unserer Forschungen war die Identifizierung der molekularen Basis des menschlichen Gedächtnisses, da wir noch sehr wenig wissen, wie das Gedächtnis arbeitet», sagte Papassotiropoulos gegenüber swissinfo.

«Unsere Arbeit bestand in der Etablierung einer neuen Betrachtungsweise, was das humane Genom anbetrifft. Wir hofften, neue, bis anhin nicht beschriebene, für das menschliche Gedächtnis wichtige Gene zu entdecken.»

KIBRA-Gen

So konnte das Team KIBRA identifizieren, ein bekanntes Gen, dessen Funktion bei Menschen aber noch nicht geklärt war, sagte Papassotiropulos.

Um herauszufinden, wie KIBRA arbeitet, machten die Wissenschafter Gedächtnis-Tests mit rund 350 Personen. Sie teilten diese in Gruppen mit «guten» und «schlechten» Gedächtnisleistungen ein und untersuchten dann ihren genetischen Fingerabdruck.

Bei gewissen Gedächtnistests zeichneten sie auch die Gehirntätigkeit auf. Das KIBRA-Gen war mit dem Hippocampus verbunden, einem der evolutionär ältesten Hirnbestandteile. Dieser ist für die Gedächtnisleistung entscheidend und häufig bei Gedächtnis-basierten Krankheiten stark geschädigt.

«Es gibt viele Krankheiten, die das Gedächtnis beeinflussen wie Depressionen oder Angstzustände», erklärte Papassotiropoulos.

«Auch wenn man ein sehr gutes Gedächtnis hat, können solche Probleme auftreten, zum Beispiel ein posttraumatisches Stress-Syndrom.»

Das Team wollte herausfinden, wie ein normales menschliches Gedächtnis arbeitet. Die Erkenntnisse könnten bei der Entwicklung von Medikamenten gegen Krankheiten wie Alzheimer helfen.

Neue Technik

Die Forschung an dem Gen unterscheidet sich von vorangehenden Studien soweit, dass sie nicht an Tieren durchgeführt wurde.

Normalerweise suchen Forscher danach, wie etwas beim Gedächtnis der Modell-Organismen funktioniert, bei Ratten oder Würmern. Dann wird untersucht, ob sich beim menschlichen Genom etwas Entsprechendes findet. Das Gen wird dann getestet um herauszufinden, wie wichtig es für die Gedächtnisleistung beim Menschen ist.

Der Genom-basierte Ansatz sei neu, weil der Prozess umgedreht wurde, erklärte Passotiropoulos die Bedeutung.

«Tatsächlich haben wir KIBRA identifiziert. Im nächsten Schritt wollen wir herausfinden, wie es mit den Grundmechanismen des Gedächtnisses zusammenhängt und das bei Fliegen und Würmern anwenden», sagte er.

In Zukunft will das Team die Gene überprüfen, die Einfluss auf die Gedächtnisleistung haben und das Genom mit besserer Technologie wieder abbilden.

«Wir möchten auch verstehen, weshalb sich Menschen an emotionale Vorfälle besser erinnern als an neutrale. Das ist eine entscheidende Frage für psychiatrische Krankheiten», sagte Papassotiropoulos.

swissinfo, Isobel Leybold-Johnson
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

Die Forschung der Zürcher Universität wurde geleitet von Andreas Papassotiropoulos und Dominique de Quervain von der Abteilung für Psychiatrische Forschung.

Papassotiropoulos ist Genetik-Experte und de Quervain Hirnspezialist. Das Projekt fusst auf der Kombination dieser beiden Know-hows.

Beide Forscher möchten ihre Arbeit auf diesem Gebiet fortsetzen und hoffen, neue gedächtnisrelevante Gene zu entdecken.

Das Genom ist das komplette Set von Genen oder dem genetischen Material, das sich in einer Zelle oder einem Organismus befindet.

Das menschliche Genom setzt sich aus 23 Chromosomenpaaren zusammen, die in ungefähr 25’000 Genen organisiert sind.

Das Human-Genom-Projekt begann 1990 als Bemühung von Wissenschaftern aus aller Welt, das menschliche Genom abzubilden und es zu entschlüsseln.

Im Februar 2001 wurde die Analyse des menschlichen Genoms veröffentlicht. Das Projekt wurde 2003 beendet. Die Analyse der Daten wird jedoch fortgesetzt.

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