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Asien – eine andere Welt

Gegen 100'000 Teilnehmende werden am Weltsozialforum in Bombay erwartet. swissinfo.ch

Das 4. Weltsozialforum beginnt am 16. Januar in Mumbai (Bombay). In der indischen Metropole erwartet man mehr als 75'000 Globalisierungskritiker.

Zur Schweizer Delegation gehören rund 50 Personen. Sie kommen aus Politik, Gewerkschaften, NGOs und Medien.

Nach Porto Alegre in Brasilien, wo das Weltsozialforum dreimal stattgefunden hat, organisiert dieses Mal Mumbai diese Veranstaltung für all jene, die sich der «neoliberalen Globalisierung» widersetzen.

Zwischen dem 16. und dem 21. Januar treffen sich in der indischen Wirtschafts-Kapitale 75’000 bis 100’000 Personen aus 130 Ländern, um über eine «andere mögliche Welt» zu debattieren – wie seit vier Jahren das Motto dieser Manifestation lautet.

Im Programm sind rund 1200 Seminare, Workshops und weitere Anlässe vorgesehen, die ein breites Themenspektrum abstecken. Es reicht von der Nachkriegs-Situation in Irak über Palästina bis zum Zustand der Weltwirtschaft und zur Problematik der Trinkwasser- und Nahrungsmittel-Versorgung.

Viel Raum wird auch der niedrigsten indischen Kaste sprich Bevölkerungsschicht zugestanden, den so genannten Unberührbaren oder Dalit.

Eine wirklich globale Veranstaltung

Die grösste diesjährige Neuerung besteht im Umzug des Forums aus Südamerika auf einen anderen Kontinent, nach Asien. Vorgesehen war dieser Transfer schon seit Beginn des Forums im Jahr 2001.

Auf diese Weise werden die Besucherinnen und Besucher des Forums mit einer wirklichen Dritt-Welt-Metropole und ihren sozialen, ökologischen und bevölkerungsmässigen Problemen konfrontiert. Mumbai zählt schätzungsweise 18 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen.

Auch das starke Wachstum Mumbais dürfte den zugereisten Globalisierungskritikern Aufschluss über die vielen für den Süden typischen Kontraste geben, von denen viele auf die Globalisierung zurückgeführt werden.

«Indem das Forum nach Asien kommt, wird es zum wirklich globalen Ereignis», sagt Sergio Ferrari, Journalist und Medienverantwortlicher von E-Changer. Diese NGO trug dazu bei, dass die Schweizer Delegation in Mumbai Fuss fassen konnte.

Fokus auf Asien ausgerichtet

Aus geografischen und kulturpolitischen Gründen ist in Porto Alegre das Sozialforum immer ein lateinamerikanischer und europäischer Event geblieben. Asien und Afrika waren zwar präsent, aber nicht zentral. Mit dem Ortswechsel nach Mumbai dürfte sich dies ändern.

«In Asien lebt die Hälfte der Weltbevölkerung», betont Ferrari. «Gesellschaftlich handelt es sich um eine der dynamischsten Regionen der Welt». Ein Dynamismus, den Mumbai selbst in all seinen Facetten aufzeigt.

Mehr als die Hälfte der diesjährigen Forums-Teilnehmerinnen und Teilnehmer stammen aus Asien, vor allem aus Indien selbst. Die grösste ausländische Delegation reist aus Pakistan an – ein Zeichen der politischen Entspannung zwischen den beiden regionalen Atommächten.

Schweizer Delegation: Noch nie so zahlreich

Die Schweizer Delegation am Sozialforum war noch nie so zahlreich wie in Mumbai. Organisiert wurde sie von Swisscoalition, der Arbeitsgemeinschaft von sechs Hilfswerken, von denen vier – Caritas, Fastenopfer, HEKS und Swissaid – eigene Vertreter nach Indien schicken.

Unter den rund 50 Personen aus der Schweiz befinden sich sechs Parlamentarier, einige Gewerkschafter, Medienleute, NGO-Vertreter und Mitarbeitende aus dem Aussenministerium (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA).

Für Pepo Hofstetter, Koordinator der Delegation und Swisscoalition-Sprecher, bietet das Sozialforum vor allem eine Gelegenheit, sich mit anderen NGOs zu treffen und Erfahrungen auszutauschen.

Treffen, Zuhören und Lernen

«Das Forum in Porto Alegre und die europäischen Veranstaltungen von Florenz 2002 und Paris 2003 dienten im besonderen auch dazu, ein Netz der internationalen Zusammenarbeit rund um das Thema des internationalen Steuerwettbewerbs und der Kapitalflucht zu knüpfen», sagt Hofstetter. «Jetzt arbeiten wird zusammen, um auf ähnliche Weise ein Projekt über Trinkwasser aufzuziehen.»

«Ich hoffe, dass es in Indien auch möglich sein wird, die Stimmen jener zu hören, die nichts besitzen, die zu den Ärmsten gehören», wünscht sich Ruth Genner, Präsidentin der Grünen und Nationalrätin.

Der Reiz der «intellektuellen Gegen-Elite»

«In Mumbai werden einige der wirklich schwerwiegenden Probleme, welche die ganze Welt belasten, zur Sprache kommen», fügt sie bei. «Gerne sähe ich es, dass an einem solchen Ereignis für einmal auch Exponenten einer rechten Politik dabei wären. Vielleicht würde ihnen dann klar, dass die Probleme nicht durch das Errichten von Barrieren zu lösen sind.»

So erscheint der Event in Indien in erster Linie als der am besten geeignete Ort, um Erfahrungen und Wissen auszutauschen, die eine Alternative zum gegenwärtigen Welthandel und Sozialmodell darstellen. Erst in zweiter Linie dient Mumbai als Gegenveranstaltung zum Davoser Weltwirtschafts-Forum.

«Hier in Mumbai trifft man sowohl auf Basis-Bewegungen als auch auf eine Art von intellektueller Gegen-Elite», bestätigt der sozialdemokratische Nationalrat Rudolf Strahm, der bereits zweimal in Porto Alegre dabei war.

«Das Forum gilt als eine Pionier-Plattform für neue Ideen», sagt Strahm. «Eine Art Seismograph, was die Themen betrifft, die in der ganzen Welt in diesen Kreisen diskutiert werden.»

swissinfo, Andrea Tognina, Mumbai
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)

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