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Auf den Sozialhund gekommen

Berta Rölli erhält jede Woche einen ganz speziellen Besuch. Keystone

Trotz kontroverser Meinungen zu Tierhaltung in Heimen werden in der Schweiz vermehrt so genannte Sozial- oder Therapiehunde eingesetzt.

In freiwilliger Arbeit besuchen Hund und Hundehalterin Menschen in Heimen und sorgen so bei vielen – auch älteren Menschen – für eine willkommene Abwechslung.

Berta Rölli hatte in ihrem Leben zu Hause drei Hunde. «Alle drei waren Dobermann-Hunde», sagt sie.

Die Hunde sind mittlerweile gestorben, Berta Rölli ist eine betagte Frau, die im Pflegeheim Steinhof in Luzern ihren Lebensabend verbringt.

Es sei schon etwas stilll um sie geworden. Deshalb freue sie sich riesig, wenn zweimal die Woche ein Hund mit Besitzerin zu Besuch komme.

Eine gute halbe Stunde gehen die drei dann nach draussen und da kann Berta Rölli, die Hundenärrin, das Tier führen und berühren und wieder einmal richtig schwatzen.

Offene Haltung zu Haustieren

Für Paul Otte, den Heimleiter im Steinhof, ist das ein klassischer Fall, wie ein Sozial- oder Therapiehund «eingesetzt» werden kann.

Doch bislang hat es dieses Angebot in Luzern noch nicht gegeben. Gesamtschweizerisch gibt es erst in Basel und Bern ausgebildete Sozialhunde.

Es gibt aber auch Kantone, zum Beispiel das Wallis, in denen Hunde in Heimen unerwünscht sind.

«Wir haben im Steinhof eine offene Haltung gegenüber Haustieren. Die Heimbewohner können sie mitnehmen», sagt Otte gegenüber swissinfo. Es sei ein Bestandteil ihres früheren Lebens, «und das soll es auch im Leben hier bleiben».

Die Erfahrungen seien durchwegs positiv. «Denn Haustiere regen auch zu körperlicher Betätigung an. Zum Spielen, Füttern und zur Körperpflege.»

Hunde müssen ausgebildet sein

Mit Hunden sei es allerdings problematisch. «Wenn die Bewohner und Bewohnerinnen nicht mehr selber zu ihren Hunden schauen können, dann kann das Heim die Bedürfnisse der Tiere nicht abdecken», sagt Otte

Deshalb kam das Angebot der Schweizerischen Schule für Blindenführerhunde, angehende Sozial- oder Therapiehunde auf ihren praktischen und anspruchsvollen Einsatz auszubilden, sehr gelegen.

«Zu Sozialhunden ausgebildet werden Hunde, bei denen wir – aus welchen Gründen auch immer – die Ausbildung zum Blindenhund abbrechen mussten», sagt Jacques Ditesheim, Betreuer Sozialhunde der Blindenhunde-Schule Allschwil (BL).

Der Blindenführhund wird in der Schule von fremder Hand ausgebildet und danach dem Sehbehinderten übergeben, der für ihn sorgt.

Der Sozialhund hingegen wird zusammen mit seinem Halter, seiner Halterin, trainiert. Der Halter geht dann mit dem Hund ein- oder zweimal die Woche in den Einsatz.

Hunde an menschliches Benehmen gewöhnen

Die Schweizerische Schule für Blindenführerhunde hat erst kürzlich mit der Ausbildung von Sozialhunden begonnen. Die Hunde im Luzerner Pflegeheim und ihre Halterinnen, das Sozialhundeteam, stehen kurz vor dem Abschluss der Ausbildung.

Dabei wird der Hund schrittweise an möglichst viele Situationen gewöhnt, die ihm bei seinen späteren Besuchs-Einsätzen begegnen könnten.

Die Hunde, fast immer sind es Labrador-Hunde, müssen das Gehen neben einem Rollstuhl und auf glatten Böden lernen. Sie müssen sich an fallende Gegenstände gewöhnen, an Schreien von Patienten, zuschlagende Türen, Menschen in ungewöhnlicher Bekleidung mit ungewöhnlichen Bewegungen und Körperstellungen und vielem anderen mehr.

Der Sozialhundehalter muss seinen Hund gut kennen und lernen, sich mit ihm zu verständigen. Der Hundehalter soll seinen Hund vor Überbelastung schützen und Stresssignale früh erkennen.

Freiwilligenarbeit

Jacques Ditesheim hat bislang mit den Sozialhunden viele positive Erfahrungen sammeln können, doch auch negative sind dabei.

«Viele sagen mir, dass sie sich den Hund aus der tiergestützten Therapie nicht mehr wegdenken können.» Es gebe aber auch Leute, die den Hund nicht akzeptierten oder schlicht kein Interesse zeigten.

Und es gebe auch Fälle, wo sich der Hund nicht für den Menschen interessiere. «Dann lassen wir es sein», sagt Ditesheim. Denn alle Sozialhundehalter arbeiteten freiwillig und unentgeltlich. Deshalb müsse ein Team die Arbeit mit Freude tun dürfen.

Generell ist Jacques Ditesheim vorsichtig mit dem Wort Therapiehund. «Ich kann nicht sagen, ich mache jetzt eine Therapie mit einem Hund», sagt Ditesheim.

Wenn aber zum Beispiel bei einem verschlossenen oder sprachbehinderten Kind oder einem alten Menschen nach einem Jahr merkbare Fortschritte zu verzeichnen seien, «dann kann ich das im weitesten Sinne auch als Therapie bezeichnen, aber erst im Nachhinein».

swissinfo, Urs Maurer, Luzern

Studien belegen, dass Haustiere eine positive Auswirkung auf Menschen haben.

Sie sind Quelle für Humor und Spielgefährten.

Tiere helfen aber auch über traurige Ereignisse hinwegzukommen oder vermindern Depressionen.

Sozialhunde werden speziell auf ihren Einsatz ausgebildet.

Sie werden vor allem in Heimen aller Art eingesetzt.

Hunde nähern sich dem kranken Menschen, wie es dieser gerade braucht.

Sozialhunde sind Blindenhunde, die nicht als Blindenführhunde eingesetzt werden können.

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