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Aus dem Körper schlüpfen, ohne ihn zu verlassen

Welche Streiche kann uns das Gehirn spielen? iStock

Menschen, die nah am Tod waren, berichten oft, sich von aussen zu sehen. Jetzt können das auch Gesunde erleben: Schweizer Forscher haben die Illusion in einem Experiment künstlich erzeugt.

Dank virtueller Realität können die Wissenschafter so genannte ausserkörperliche Erfahrungen erklären, die viele für blosse Einbildung halten.

Sieht eine Person sich selbst von aussen, spricht man von ausserkörperlichen Erfahrungen. Bis zu zehn Prozent der Menschen erfahren irgendwann im Leben eine «Out-of-body experience» (OBE), wie Fachleute die Sinnestäuschung nennen.

Diese Sicht von ausserhalb wird oft von Personen geschildert, deren Hirnfunktionen gestört sind, etwa bei Drogenkonsum, epileptischen Anfällen oder einem Schlaganfall.

Auch Menschen, die für kurze Zeit klinisch tot waren, erzählen zuweilen von sogenannten Nahtod-Erlebnissen und damit verbundenen ausserkörperlichen Erfahrungen.

High-Tech-Apparaturen

Zwei Forscherteams aus der Schweiz und Schweden ist es unabhängig voneinander gelungen, die Illusion bei gesunden Versuchspersonen hervorzurufen, wie sie in der jüngsten Ausgabe des Wissenschafts-Magazins Science berichten.

Dies ohne Seelenzauber, denn sie setzten einzig Videokameras und Video-Brillen ein, welche den Testpersonen eine dreidimensionale Sicht von aussen auf sich selbst ermöglichten.

Die Erkenntnis der Forscher: Das Phänomen der ausserkörperlichen Erfahrung ist das Resultat eines «Durcheinanders» im Hirn bei der Verarbeitung von Sinneseindrücken – dem Sehen, Tasten, Hören.

«Schädigungen des Hirns oder unsere Versuchsanordnung können die Verknüpfungen im Hirn stören,» sagte Bigna Lenggenhager gegenüber swissinfo.

Virtuelle Realität

Im Versuch an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) unter der Leitung von Neurowissenschafter Olaf Blanke wurde den Probanden eine Sicht von aussen auf ihren Körper geboten: Kameras, die zwei Meter hinter ihnen standen, lieferten die Bilder direkt auf die Bildschirme der Video-Brillen. Die Testpersonen konnten sich also vor sich sehen.

Als ihnen mit einem Stift über den Rücken gefahren wurde, und sie dies auf ihrer Video-Brille sahen, löste das im Hirn Verwirrung aus, denn sie spürten am realen Leib, was sie von aussen am virtuellen eigenen Körper vor ihnen beobachteten. «Irritierend», «verrückt», «komisch» lauteten die Reaktionen der Probanden.

Anwendungen

Es gehe aber weniger um ausserkörperliche Erfahrungen als darum, das Bewusstsein des eigenen Körpers zu studieren, erklärt Bigna Lenggenhager.

«Das Ich-Gefühl lässt sich gezielt manipulieren», lautet die Schlussfolgerung für den Philosophen Thomas Metzinger, der das EPFL-Experiment zusammen mit dem Neurowissenschafter Olaf Blanke leitet.

Metzinger ist überzeugt, dass das weitreichende Konsequenzen für das Bild vom Menschen habe. Er sieht die Chance, dass Psychologen und Hirnforscher das Ich-Bewusstsein nun stückchenweise auseinandernehmen und auf seine rein körperlichen Grundlagen reduzieren können.

Laut dem Psychologen Henrik Ehrsson, der das zweite Experiment leitete, eröffnen sich andere Perspektiven: «Videospiele könnten so ein ganz neues Niveau erreichen», sagt der schwedische Forscher. Auch Tele-Operationen könnten davon profitieren, wenn Chirurgen die Illusion vermittelt werde, sie befänden sich direkt am Operationstisch.

Die primären Folgen sind aber viel profaner: Patienten mit neurologischen Störungen, welche von ausserkörperlichen Erfahrungen berichten, könnten entstigmatisiert werden. Denn oft werden ihre Schilderungen als Folge einer regen Fantasie oder als unerklärliches Phänomen abgetan.

«Out-of-body-Erfahrungen sind recht häufig, auch unter gesunden Menschen. Das hilft uns bei der Erklärung, was dabei genau passiert», fasst Bigna Lenggenhager zusammen.

swissinfo, Adam Beaumont

Forscher um den Neurologen Olaf Blanke konnten mit dem Experiment zeigen, dass das menschliche Ich unabhängig vom Körper existiert.

Frühere Versuche zeigten, dass einige Hirnregionen die Informationen verschiedener Sinne vernetzen.

In einem ersten Schritt werden Eindrücke vom Sehen, Fühlen und Hören separat verarbeitet, dann in einem zweiten Schritt in einem anderen Hirnteil vernetzt.

Daraus entsteht die Wahrnehmung der Menschen.

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