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Aus den Augen, aus dem Sinn?

Fabriken und andere stationäre Verursacher von CO2 könnten einen Teil ihrer Emissionen im Boden einlagern. Keystone

Nach Ansicht von Experten kann die Einlagerung von Kohlendioxid in grossen Tiefen unter der Erde oder im Meer den Treibhauseffekt wesentlich verringern.

Dies schreiben über 100 Wissenschafter in einem Bericht der Vereinten Nationen (UNO). Die Schweizer Umweltbehörden wollen den Bericht nun sorgfältig prüfen.

Über zwei Jahre haben mehr als 100 Experten aus 32 Ländern an diesem Bericht gearbeitet. Darunter waren auch einige Schweizer Forscher. Nun ist der Bericht vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), dem länderübergreifenden Experten-Gremium der UNO zum Klimawandel, gutgeheissen worden.

«Während die wichtigsten Lösungen des Klimawandels Energieeffizienz und die Nutzung sauberer Energiequellen bleiben, zeigt dieser neue Bericht, dass das Einfangen und Einlagern von Kohlendioxid diese Anstrengungen unterstützen kann», sagte Klaus Töpfer, Direktor des UNO-Umweltprogramms UNEP.

Zuerst Emissionen vermindern

Auch die IPCC-Experten betonten an einer Konferenz in Montreal, dass die Lagerung von Kohlendioxid (CO2) nur «eine Option in einer Reihe von Massnahmen» zur Verringerung des Ausstosses eines der Haupt-Treibhausgase sei.

«Grundsätzlich stehen für die schweizerische Klimapolitik dauerhafte und nachhaltige Massnahmen für den Klimaschutz im Vordergrund», betonte Markus Nauser, Spezialist für Klimaänderung beim Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), in einer ersten Reaktion gegenüber swissinfo.

«Das heisst, Emissionsverminderung und -vermeidung durch effizientere Energienutzung und die Förderung emissionsfreier Energieträger.» Der Bericht des IPCC werde sicherlich zur Versachlichung der Diskussion beitragen, schätzt Nauser. «Das BUWAL wird ihn nun sorgfältig prüfen.»

CO2 einlagern

Bei dem Verfahren würde das komprimierte Gas tief in den Untergrund gepumpt, in natürliche verbrauchte Kohlenwasserstoff-Reservoirs im Meer sowie in mineralische Felskammern an Land und in den Ozeanen.

Laut mehreren Studien könnten so zwischen 20 und 40% der weltweit von Kraftwerken und Fabriken produzierten CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 am Aufstieg in die Atmosphäre gehindert werden. Das Verfahren ist unter dem Namen CCS bekannt (Carbon dioxide capture and storage).

Zwischen 220 und 2200 Milliarden Tonnen Kohlendioxid könnten so bis 2100 unter ökonomischen Gesichtspunkten in der Erde oder im Meer gelagert werden, schreiben die Wissenschafter.

Pilotprojekte erfolgreich

Die Experten gehen von Lagerstätten in einer Tiefe von 800 Metern unter dem Erd- oder Ozeanboden aus. Eine zweite Variante wäre die Lagerung in mindestens tausend Metern Tiefe im Meer oder in rund 3000 Metern über dem Meeresboden.

Die meisten für CCS nötigen Methoden wie das Einfangen des Gases oder dessen Abpumpen in geologische Formationen würden bereits bestehen, heisst es im Bericht.

Drei Pilotprojekte in der Nordsee bei Norwegen, in Kanada und Algerien seien erfolgreich.

Nauser hofft, dass das Verfahren «auf globaler Ebene etwas Luft verschaffen könnte bei der Umstellung des heutigen Systems der Energieversorgung auf Basis fossiler Energie auf eine nachhaltige, emissionsfreie Energieversorgung».

Negative Aspekte

Doch für Nauser ist auch Skepsis angebracht: So sei die Lagerung von CO2 für den Verkehrssektor und die Gebäudeheizung keine realistische Möglichkeit. «Beides sehr bedeutende, aber weit verstreute Quellen für CO2-Emissionen, die in der Schweiz über 80% der Gesamtemissionen verursachen.»

Auch die Experten zeigen im Bericht einige Einschränkungen auf. So könnte CCS den Konsum von fossilen Brennstoffen zusätzlich ankurbeln, weil das Verfahren auch Energie verbraucht. Bei gleicher Energieproduktion würde ein mit CCS ausgerüstetes Kraftwerk zwischen 10 und 40% mehr Energie benötigen.

Zudem sei nicht klar, wie viel Platz das Gas im Erdinnern beanspruchen würde. Dies sei zuvorderst bei den schnell wachsenden Volkswirtschaften in Süd- und Ost-Asien nicht abzuschätzen.

Umweltschützer kritisch

Eine Befürchtung, welche Umwelt-Organisationen wie Greenpeace teilen. Viele technische Probleme seien nach wie vor ungelöst. Noch sei die Technologie der so genannten Kohlendioxid-Verpressung (CO2-Sequestrierung) nicht ausgereift und könnte leicht zu Fehlinvestitionen führen.

Die Speicherung riesiger Mengen im Untergrund würde die potenziellen Speicherplätze etwa in Deutschland schnell füllen. Zudem bestehe das Risiko von Lecks.

Die Umwelt-Organisation warnte davor, Kohlendioxid-Lagerung als Wunderwaffe zu betrachten und schon jetzt im Kampf gegen den Klimawandel einzusetzen. «Erst einmal muss es darum gehen, Kohlendioxid überhaupt nicht entstehen zu lassen.»

Hohe Kosten

Hinzu kämen immense Kosten, so Greenpeace und WWF. Die UNO-Experten rechnen mit 15 bis 75 Dollar pro Tonne bei der Ausfilterung an den Anlagen der Produzenten und der Gas-Kompression. Hinzu kämen noch höhere Kosten für Transport und Verbringung unter die Erde.

Damit sei das Verfahren nur sinnvoll, wenn die Verursacher einen Teil der Kosten tragen würden. Darüber hinaus könnte das Fangen und Einlagern des Treibhausgases beim internationalen Tausch mit Emissionen Bedeutung gewinnen.

swissinfo, Christian Raaflaub

Experten schlagen in einem Bericht der UNO vor, das Treibhausgas Kohlendioxid bei grossen Verursachern abzufangen und in natürliche unterirdische Lagerstätten zu pumpen.

Sie erhoffen sich von diesem Verfahren, 20 bis 40% der weltweit von Kraftwerken und Fabriken produzierten CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 am Aufstieg in die Erdatmosphäre zu hindern.

Vom 28. November bis 9. Dezember findet im kanadischen Montreal die nächste UNO-Konferenz über den Klimawandel statt.

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