Behinderte in der Schweiz
In der Schweiz leben fast 800'000 Behinderte. Das sind rund 14% der Bevölkerung. Viele sind von der Arbeitswelt ausgeschlossen und gesellschaftlich isoliert.
Ein neues Gesetz und zahlreiche Projekte sollen die Integration der Behinderten verbessern.
Das Jahr 2003 ist in der Europäischen Union das «Jahr der Menschen mit Behinderungen».
Und 2003 werden die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger voraussichtlich über die Initiative «Gleiche Rechte für Behinderte» und den Gegenvorschlag «Behinderten-Gleichstellungsgesetz» abstimmen.
Der Bundesrat will zudem ein Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen schaffen. Dieses soll Kampagnen durchführen und die Tätigkeit öffentlicher und privater Einrichtungen koordinieren.
Arbeit für Behinderte
Eine nationale Kampagne soll 2003 auf die Anliegen der Behinderten aufmerksam machen – falls sich genug Sponsoren finden lassen.
Geplant wurde das Projekt vom Dachverband der Behinderten-Selbsthilfe-Organisationen agile (ehemals askio).
Das Konzept, arbeitsuchende Behinderte mit Unternehmen zusammenzubringen, stammt laut Zentralsekretärin Barbara Marti aus Frankreich. Dort gebe es jeweils im November eine nationale Aktionswoche.
Die Kampagne kostet rund 600’000 Franken und muss durch private Sponsoren finanziert werden. «Leider ist die Finanzierung zur Zeit alles andere als gesichert», klagt die Zentralsekretärin.
Hauptproblem
Das grösste Problem bei der Vermittlung von Behinderten sieht Marti im Fehlen von Teilzeitstellen, beziehungsweise «Nischen-Arbeitsplätzen».
Häufig würden nach erfolgter Eingliederung Begleit- und Betreuungs-Systeme fehlen. Auch hätten viele Unternehmen Vorurteile und kein Verständnis für die Integrationsanliegen der Behinderten.
Alter, Ausbildung und Frauen
Knapp die Hälfte der 790’000 Behinderten in der Schweiz sind über 65 Jahre alt. Da Frauen eine höhere Lebenserwartung als Männer haben, handelt es sich bei den älteren Behinderten hauptsächlich um Frauen.
Behinderte erreichen weniger gute Ausbildungs-Abschlüsse als Nicht-Behinderte. 7% durchlaufen eine höhere Ausbildung gegenüber 11% bei den Nicht-Behinderten.
Verglichen mit den Nicht-Behinderten haben nur halb so viele Behinderte einen Universitätsabschluss.
Der Anteil der voll Erwerbstätigen ist bei den behinderten Männern grösser als bei den Frauen. 85% der behinderten Frauen sind teilzeitbeschäftigt und beziehen tiefe Einkommen.
Kampf gegen doppelte Diskriminierung
Im März 2002 gründeten die Frauen der Selbsthilfeorganisation «procap» (ehemals Schweizerischer Invaliden-Verband) den Verein «avanti donne» und eröffneten eine gleichnamige Kontaktstelle für behinderte Frauen und Mädchen.
«Dieses Selbsthilfe-Projekt ist einzigartig in der Schweiz», sagt Christine Morger, die Präsidentin von avanti donne.
Laut Morger kämpft avanti donne vor allem auf der politischen Ebene für einen Abbau der Benachteiligung behinderter Frauen. Dazu Morger: «Behinderte Frauen sind ein Randthema.»
So sei etwa in der anfänglichen Diskussion um das Behinderten-Gleichstellungsgesetz die Situation der Frauen (schlechte Entlöhnung etc.) völlig vernachlässigt worden.
Europäisches Jahr der Behinderten
Behinderung ist nicht nur in der Schweiz ein Thema. In der EU leben schätzungsweise 38 Mio. Behinderte, was etwa 10% der Bevölkerung entspricht.
Auch in der EU haben die Behinderten erschwerten Zugang zu Verkehrsmitteln, Gebäuden, Schulen und Arbeitsplätzen.
Mit dem «Europäischen Jahr der behinderten Menschen» will die EU dazu anregen, über Massnahmen zur Förderung der Chancengleichheit nachzudenken, zu diskutieren und diese einzuleiten.
swissinfo, Elvira Wiegers
Behinderung ist definiert als existentielle Beeinträchtigung und besondere Herausforderung an die Lebensbewältigung.
Statistisch erfasst werden Behinderte ab dem 15. Altersjahr.
Insgesamt leben 790’000 Behinderte in der Schweiz.
630’000 sind körperlich und 215’000 psychisch behindert.
55’000 Personen sind sowohl körperlich als auch psychisch behindert.
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