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«Bestimmungstage» als Publikumsmagnet

Flohmarkt in Genf: Ist dies der Maler Van Gogh auf dem Bild, und ist es wohl wertvoll? Keystone

Eine unkonventionelle Museums-Idee entpuppt sich als Publikumsmagnet im Kanton Thurgau. Die Besucher bringen ihre Schätze zur Analyse ins Museum und lassen sie von Fachleuten begutachten und bestimmen.

Der Ansturm auf diese Dienstleistung wird von Jahr zu Jahr grösser. Und immer wieder kommen wertvolle Funde zutage.

Das Historische Museum, das Archäologiemuseum und das Naturmuseum in Frauenfeld haben den Bestimmungstag als Dienstleistung für die historisch, kulturell und naturwissenschaftlich interessierte Öffentlichkeit ins Leben gerufen, aber nicht ganz ohne Eigennutz.

Vor ein paar Jahren ist auf diese Weise ein wertvolles Bronzebeil aus der Jungsteinzeit aufgetaucht, das dann in die archäologische Sammlung übernommen werden konnte.

«Solche ‹Funde› machen wir bei den Bestimmungstagen immer wieder», sagt der Konservator des Archäologiemuseums, Urs Leuzinger.

Von Gesetzes wegen gehören diese Objekte automatisch dem Staat und müssen von ihren Besitzern unverzüglich ausgehändigt werden.

«Wir drohen aber nicht mit Strafe, wenn so etwas auftaucht, und postieren an den Bestimmungstagen auch keine Polizisten im Museum», erklärt der Konservator.

«Wir reden mit den Leuten, und sie übergeben uns ihre Ausgrabungen meistens freiwillig. Wenn dies einmal nicht der Fall ist, fotografieren und dokumentieren wir die Objekte und registrieren, in wessen Besitz sie sich befinden», sagt er.

Auch Gestohlenes

Im Fall des Bronzebeils habe der Finder das Original freiwillig ausgehändigt und zum Dank vom Museum eine Kopie davon erhalten.

Auch Gestohlenes taucht gelegentlich an den Bestimmungstagen auf. «Letztes Jahr sind bedeutende Archivalien vorgelegt worden, die nachweislich aus einem Einbruch stammten», sagt der Volkskundler Peter Bretscher vom Historischen Museum.

«Die Eigentümerin hatte die Schriftstücke legal gekauft und sie auf unseren Hinweis, dass es sich um Diebesgut handelt, ohne Umstände dem Staatsarchiv übergeben.»

Vorbild für andere Museen

Die Bestimmungstage, die inzwischen als Thurgauer Idee auch von anderen Museen in der Schweiz kopiert werden, seien aber nicht dazu da, um die staatlichen Sammlungen zu erweitern. Es gehe in erster Linie darum, mit dieser Dienstleistung das kulturhistorische Bewusstsein und das naturwissenschaftliche Interesse in der Öffentlichkeit zu wecken und zu fördern, sagt Bretscher.

«Ein bisschen wirken wir damit auch gegen die Wegwerfmentalität, weil vieles, was alt ist und für die Eigentümer keinen Sinn macht, einfach weggeschmissen wird. Dadurch gehen viele kulturhistorische Werte verloren.»

Interessanterweise werde nie Ramsch vorgelegt, so Bretscher. Ein Teil der Klientel sei sogar sehr gut über Bedeutung und Wert ihres Vorzeigestücks im Bild und suche eigentlich nur Bestätigung durch die Expertenmeinung.

Fälschungen und Trouvaillen

Andere hätten ein «Bauchgefühl», etwas Bedeutendes oder Wertvolles zu besitzen, oder sie hätten eine Antiquität gekauft und fühlten sich einfach nur unsicher, ob sie dabei reingelegt worden seien oder nicht.

So ist denn auch eine Frau bitter enttäuscht, die für teures Geld alte Apothekenkrüge erstanden hatte und nun vom Experten darüber aufgeklärt werden muss, dass es sich um Fälschungen handelt.

Mit ganz anderen Gefühlen steht ein Mann da, der für ein paar hundert Franken in einem Antiquariat eine Pestalozzi-Erstausgabe gekauft hatte und sogar dem Experten den Ausruf «Bingo» entlockt. Das Buch erweist sich als sehr selten. Auf den einschlägigen Sammler-Seiten im Internet werden dafür bereits 3’300 Franken geboten.

swissinfo und Harry Rosenbaum, AP

Der Bestimmungstag findet jeweils im Oktober statt.

Ort des Geschehens ist das Historische Museum des Kantons Thurgau.

Dieses befindet sich seit 1960 im Schloss Frauenfeld.

Am Bestimmungstag untersuchen Archäologen, Historiker, Kunsthistoriker, Volkskundler, Geologen, Numismatiker und Biologen die vom Publikum mitgebrachten Gegenstände.

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