Blocher und die jungen Auslandschweizer
Im Rahmen des 84. Auslandschweizer-Kongresses in Basel stand der Schweizer Justizminister Christoph Blocher jungen Auslandschweizern in einem lockeren Gespräch Red und Antwort.
Dabei kamen Themen wie Souveränität, Landwirtschaftssubventionen, Asylpolitik, Europa und die Wahl in den Bundesrat zur Sprache.
Den Veston legt er ab, schaut in die Runde, lacht und wartet auf Fragen. – Wie viel Freizeit hat ein Bundesrat? «Ich habe eine Sechseinhalb-Tage-Woche», antwortet Christoph Blocher und vermerkt spitzbübisch, dass das wahrscheinlich für nicht alle Mitglieder der Landesregierung gelte.
Warum ist er als junger Mann in die Schweizerische Volkspartei (SVP) eingetreten? – Er sei damals von allen bürgerlichen Parteien angefragt worden, aber «die Vorstandsmitglieder der SVP haben mir am besten gefallen.»
Er vertrete Werte wie Freiheit und Demokratie, verbunden mit einer weltoffenen Haltung und sei für weniger Staat und weniger Steuern. «Sozialdemokrat hätte ich nicht werden können.» Die Jugendlichen lachen.
Der Politiker, der auch schon einen eigenen Parteikollegen als «halben Bundesrat» bezeichnet hat, der im Stande ist, auch bürgerliche politische Gegner öffentlich als «Linke und Nette» zu diffamieren, kokettiert väterlich mit den Jugendlichen, scherzt, fordert sie auf, kritische Fragen zu stellen.
Wieso die Schweiz so hohe Agrarsubventionen habe, will ein junger Argentinien-Schweizer wissen. «Wir wollen, dass die Berggebiete bevölkert bleiben und wir wollen für den Krisenfall eine minimale Lebensmittel-Versorgung aus dem eigenen Land.»
Das EWR-Nein und die Folgen
Lieber hätte er jedoch eine möglichst tief subventionierte Landwirtschaft, einen funktionierenden Markt und andere Produkte. «Unsere Bauern könnten Schweizer Beeren anpflanzen, das kann man ja nicht machen in Argentinien.»
Blocher erklärt den Jugendlichen geduldig die Schweiz und deren Werte wie Föderalismus, Demokratie und Souveränität, den europaweit tiefsten Mehrwertsteuersatz. Die hohen Preise für Lebensmittel erwähnt er nicht. Dafür freut er sich, dass der Bundesrat und die Wirtschaft den EU-Beitritt mittlerweile auch auf ferne Zeiten vertagt haben.
«Ich bin ohne meinen Willen in die Opposition gedrängt worden», führt er aus und erinnert an das Abstimmungs-Nein über den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum im Jahr 2002. Seither hat die SVP ihren Wähleranteil verdoppelt, was ihr vor bald drei Jahren einen zweiten Sitz in der Landesregierung eingebracht hat.
66 – und noch keine Rücktrittsgedanken
Bundesrat Blocher ist die Personifizierung dieses Erfolges. Der erfolgreiche Unternehmer stand im Zeitpunkt seiner Wahl praktisch im Pensionsalter. Warum er denn Bundesrat geworden sei, will eine junge Frau wissen. – «Sie hätten mich auch fragen können, ‹wieso haben Sie diese Dummheit gemacht?'», frotzelt Blocher und läuft zur Hochform auf.
«Nach dem Wahlerfolg wusste ich, dass ich jetzt dorthin gehen, Verantwortung übernehmen muss.» Er habe zudem das Glück, dass seine Kinder in der Lage seien, das Unternehmen erfolgreich zu führen. «Ich bin ja noch jung, ich bin erst 66 und kann noch einige Jahre im Bundesrat bleiben.» – Applaus.
«Ich hatte auch nie Geld»
Die Schweiz sei kein Paradies. Die Ausländerquote ist mit 21,9% höher als in den umliegenden Ländern. «Darum können nicht alle hierher kommen, um ihr Glück zu suchen. Ich musste mein Glück auch zu Hause suchen.»
Souveränität, das heisst für Christoph Blocher auch eine möglichst geringe Abhängigkeit vom Erdöl. Deshalb ist er für die Atomenergie. «Aber wir müssen sichere Kraftwerke bauen. Mit ‹Larifari› geht das nicht.»
Ein junger Argentinien-Schweizer will wissen, wie es um Auswanderungs-Möglichkeiten steht. «Wenn sie zu uns kommen wollen und ein gutes Unternehmen gründen, dann können Sie kommen.»
Der junge Mann blickt fragend. «Sie denken vielleicht, sie hätten kein Geld. Ich hatte auch nie Geld», ermuntert ihn der erfahrene Mann.
«Ein schöner Diskurs»
«Er scheint zu wissen, wovon er redet und er scheint intelligent zu sein», führt der 20-jährige Rolf Brulhart aus Vancouver gegenüber swissinfo aus. «Er kann die Leute relativ leicht überzeugen. Aber ich bin nicht wirklich mit ihm einverstanden.»
Der 15-jährige Joseph Prior-Jones aus Northampton fügt an, Blocher wirke sehr zielstrebig und durchsetzungsfähig. «Offensichtlich hat er nicht gerne Ausländer. Ich denke nicht, dass ich ihn wählen würde.»
Bundesrat Blocher zeigte sich nach der Veranstaltung gegenüber swissinfo begeistert: «Für mich war es eine sehr schöne Begegnung, ein schöner Diskurs.»
swissinfo, Andreas Keiser, Basel
Der Kongress der Auslandschweizer ist eine jährliche stattfindende Plattform der Begegnung für alle im Ausland lebenden Schweizer.
Der Auslandschweizer-Rat (ASR), der zwei Mal im Jahr zusammentritt, ist das höchste Organ der Auslandschweizer-Organisation (ASO).
Als «Parlament der Fünften Schweiz» zählt der ASR zur Zeit 148 Mitglieder und hat zur Aufgabe, die Interessen der im Ausland lebenden Schweizer zu vertreten.
Ende 2005 waren 634’216 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland registriert
Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies einen Zuwachs von 11’159 Personen
395’397 Auslandschweizer leben in Europa
18’017 in Afrika
163’122 in Amerika
30’451 in Asien
27’229 in Ozeanien
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