Bund bewilligt Feldversuche mit Gentech-Weizen
Die ETH Zürich darf Feldversuche mit Gentech-Weizen im Freien durchführen, muss sich aber an strenge Auflagen halten.
Das zuständige Bundesamt erachtet das Umweltrisiko als tragbar. Die ETH zeigt sich erleichtert über den Entscheid. Die Umweltorganisation Greenpeace will Beschwerde einreichen.
Dem Entscheid, den Feldversuch der ETH zuzulassen, war ein langer Streit vorangegangen, sogar das Bundesgericht wurde eingeschaltet. Angefangen hatte alles vor zwei Jahren.
Damals hatte der Bund das Gesuch der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) für einen Freisetzungs-Versuch mit genmanipuliertem Weizen noch abgelehnt. Es kam zu Rekursen und Gegenrekursen. Jetzt ist das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) auf seinen Entscheid zurückgekommen.
Das Amt habe zwar Zweifel an der Qualität des Versuchs, erklärte BUWAL-Direktor Philippe Roch am Donnerstag in Bern vor den Medien. Das Gesetz erlaube es aber nicht, wie bei Tierversuchen Chancen und Risiken eines solchen Versuchs gegen einander abzuwägen.
Politischer Druck
Es bestehe durchaus politischer Druck, räumte Roch ein. Das Amt habe aber nicht unter diesem Druck entschieden.
Ursprünglich hatte das BUWAL den Feldversuch der ETH Zürich im November 2001 verboten, weil auf Grund des verfügbaren Wissens nicht jedes Risiko mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Zudem sei die Wirkung des im Weizen gentechnisch integrierten «Killer-Proteins» (KP4) umstritten.
Bereits damals hatten die Fachkommission für Biologische Sicherheit, die Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich, die Bundesämter für Gesundheit, für Landwirtschaft und für Veterinärwesen sowie das Zürcher Umweltamt den Versuch befürwortet. Die ETH hatte Rekurs eingereicht, das BUWAL kam dann vor einem Jahr auf seinen Entscheid zurück, worauf es von Seite der Freisetzungs-Gegner zu weiteren Einsprachen kam.
Strenge Sicherheitsmassnahmen
Nun stimmte das BUWAl dem Vorhaben der ETH schliesslich zu. Der Versuch im zürcherischen Lindau müsse unter strengen Sicherheits-Massnahmen stattfinden. So müssten die Forscher insbesondere die Pflanzen während der Blühphase mit pollendichten Zelten abdecken und Abschrankungen gegen das Eindringen von Vögeln und Nagetieren errichten.
Die Testparzelle werde mit einer Videokamera überwacht, sagte Roch. Für den Fall von Sabotage bestehe ein Notfallplan. Es werde eine fünfköpfige Begleitgruppe eingesetzt, deren Kosten die ETH Zürich zu tragen habe.
Das grüne Licht für das überarbeitete ETH-Gesuch sei trotz diverser Bedenken erfolgt, hiess es. So stellt das BUWAL den «potenziellen Erkenntnisgewinn» des Experiments in Frage. Dies wegen einer unvollständigen Charakterisierung der Pflanzen und der fehlenden Nachweis-Methoden des KP4-Proteins.
Antibiotika-Resistenzgene gaben Ausschlag
Entscheidend für das Ja zum Freisetzungs-Versuch, so das BUWAL weiter, seien die seit der ersten Beurteilung im November 2001 geänderte Interpretation der Antibiotika-Resistenzgene, wie sie im genmanipulierten ETH-Weizen vorkommen. Nach wie vor finde das BUWAL deren Verwendung zwar unnötig und problematisch, das Risiko bei örtlich und zeitlich beschränkten Versuchen und unter neuen Sicherheitsauflagen sei aber tragbar.
Zudem weist das BUWAL darauf hin, dass in der Forschung solche Gene noch bis Ende 2008 verwendet würden. Auch das Parlament hatte bei der Beratung des Gentechnik-Gesetzes das Risiko nicht als derart umweltgefährdend eingeschätzt, dass ein sofortiges Freisetzungs-Verbot nötig wäre.
Zufriedenheit bei der ETH,…
Die ETH Zürich zeigte sich in einer ersten Reaktion erleichtert über das Ja zum Feldversuch. Der Entscheid setze ein klares Zeichen für die Grundlagenforschung im Bereich der «grünen Gentechnologie».
Sie lud Greenpeace und weitere Gentech-Gegner ein, auf das vor acht Monaten gemachte Angebot eines Dialogs unter unabhängiger Leitung einzusteigen. Vorgesehen für diese Funktion wäre Hanspeter Thür, einst Präsident der Grünen und jetziger eidgenössischer Datenschützer.
…Ärger bei Greenpeace und Bauern
Mit dem Ja zum «Türöffner-Experiment» mit Gentech-Weizen ignoriere das Buwal wissenschaftlich begründeten Vorbehalte der Biosicherheits-Kommission, kritisierte die Umweltorganisation Greenpeace den Entscheid.
Sie führte ferner die einstimmige Ablehnung durch die Ethikkommission sowie massive Bedenken der Zürcher Behörden gegen das Experiment ins Feld. Die Organisation will die Versuche mit einer weiteren Beschwerde beim zuständigen Departement von Bundesrat Moritz Leuenberger verhindern, zu dem das BUWAL gehört.
Die bäuerlichen Organisationen IP SUISSE, BIO SUISSE, Uniterre und die Kleinbauern-Vereinigung lehnen den Buwal-Entscheid ebenfalls ab. Dieser sei sowohl agronomisch wie ökologisch inakzeptabel, heisst es in einer gemeinsamen Mitteilung der Organisationen.
swissinfo und Agenturen
2001: Das BUWAL lehnt das ETH-Gesuch für einen Freisetzungsversuch für Gentech-Weizen ab.
2002: Das Amt bewilligt nach einem ETH-Rekurs den Versuch.
März ’03: Das Bundesgericht widerruft die Bewilligung wegen Verfahrensmängeln.
Die Zürcher Forscher wollten mit ihrem kleinflächigen Feldversuch (rund 1600 Pflanzen auf wenigen Quadratmetern) die «Biosicherheit von transgenem Weizen unter natürlichen Bedingungen» abschätzen, wie es im Gesuch heisst.
Die Pflanzen wurden im Labor gentechnisch so verändert, dass sie nicht mehr von Stinkbrand befallen werden können. Dank einem Fremdgen entwickeln sie ein Eiweiss, mit dem sie sich selber gegen die Pilzerkrankung wehren können sollen.
Laut Kritikern sind die eingepflanzten Gen-Sequenzen gefährlich für Gesundheit und Umwelt.
Andere Lebewesen und Organismen der Nahrungskette könnten durch Gentech-Pflanzen gefährdet werden.
Die Folgen wären laut Kritikern weder zu kontrollieren noch rückgängig zu machen.
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