Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Bundesrat pfeift Leuthard zurück

Doris Leuthard gehört der Landesregierung seit August letzen Jahres an. Keystone

Bundesrätin Doris Leuthard ist am Mittwoch von ihren Kollegen gleich zwei Mal gerügt worden: Wegen ihren Äusserungen zu Steuerprivilegien und zum Vaterschafts-Urlaub.

Mit ihrer kritischen Haltung zur Pauschalbesteuerung von Ausländern löste die Wirtschaftsministerin bei den Parteien unterschiedliche Reaktionen aus.

Die Schweizer Wirtschaftsministerin Doris Leuthard findet Steuerprivilegien für reiche Ausländer in der Schweiz ungerecht. Mit dieser Aussage, am Dienstag in einer Sendung des Westschweizer Fernsehens TSR geäussert, stach sie in ein Wespennest. Der Gesamtbundesrat, die Landesregierung, verteidigte die Pauschalen.

Auf die Steuerflucht des französischen Rocksängers Johnny Hallyday angesprochen, sagte die Bundesrätin: «Roger Federer zahlt zehn Mal mehr Steuern als Johnny; das ist ungerecht.»

Den Steuerwettbewerb als solchen verteidigte die Volkswirtschaftsministerin. Die Kantone seien bei den Steuern autonom. Sie sollten aber darüber sprechen, «die Leute gleich zu behandeln».

Aussage revidiert

Bereits am Morgen relativierte Leuthards Volkswirtschafts-Departement die Äusserungen der Vorsteherin: «Die Aussage von Bundesrätin Doris Leuthard entspricht ihrer persönlichen Meinung.»

Bei Leuthards Partei, der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), sagte Generalsekretär Reto Nause, die Ungleichbehandlung von Aus- und Inländern in Steuerfragen müsse diskutiert werden. Mehr Transparenz und gewisse Eckwerte bei der Pauschalbesteuerung wären angebracht.

Der Präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Ueli Maurer, bedauerte «die 180-Grad-Wende» Leuthards. Früher habe sie diese Steuerpraxis verteidigt. Leuthard werde zur Ankündigungsministerin. Es sei bedauerlich, dass Leuthard auf Kosten des Bundesrats Wahlkampf für die CVP betreibe.

Offene Türen bei der SP eingerannt

Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) begrüsste die Äusserungen des Bundesrates. Dem Druck aus dem In- und Ausland auf die Steuerpolitik dürfe nicht nachgegeben werden. Das Pauschalbesteuerungs-Verfahren sei transparent. Bei reichen Ausländern sei nicht nur der Steuerertrag, sondern auch der volkswirtschaftliche Nutzen zu beachten.

Zustimmung bekam Leuthard dagegen von der Sozialdemokratischen Partei (SP). Denn noch vor Jahresfrist habe die CVP einen SP-Vorstoss zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung abgelehnt.

Mehr

Mehr

Bundesrat

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Bundesrat ist die Schweizer Regierung (Exekutive). Sie besteht aus sieben Mitgliedern, die alle vier Jahre vom Parlament (Vereinigte Bundesversammlung) gewählt oder bestätigt werden. Ein Mitglied der Landesregierung wird «Bundesrat» oder «Bundesrätin» genannt. Jeder Bundesrat, jede Bundesrätin, steht einem Departement als Minister oder Ministerin vor. Aus ihrer Mitte wird jährlich abwechselnd nach Amtsdauer der Bundespräsident…

Mehr Bundesrat

Vaterschaftsurlaub auf die lange Bank geschoben

Weiter hat der Gesamtbundesrat der Wirtschaftsministerin in der Regelung des Vaterschaftsurlaubs den Wind aus den Segeln genommen.

Die Bundesrätin hatte bei der Vorstellung ihrer Leitlinien 2007 am Montag eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben im Departement in Aussicht gestellt. So sollten Väter einen bezahlten Vaterschaftsurlaub von fünf Tagen und einen unbezahlten Urlaub von zwanzig Tagen in Anspruch nehmen könnten.

Am Mittwoch dann hat der Bundesrat Doris Leuthard auch in dieser Sache zurückgepfiffen. Er will eine einheitliche Regelung für die gesamte Bundesverwaltung. Heute beträgt der Vaterschaftsurlaub für die gesamte Bundesverwaltung zwei Tage.

Im Urteil der Presse

Die CVP-Magistratin hat sich mit ihren Äusserungen nach Ansicht der Schweizer Presse weit aus dem Fenster gelehnt, wie dies die Titel einiger Kommentare und Berichte aufzeigen: «Leuthards Lehrgeld», «Naiv und gefährlich», «Leuthard läuft auf», «Eine eiskalte Dusche», «Leuthards schwarzer Tag», «Ins Messer gelaufen».

swissinfo und Agenturen

Ausländer, die ihr Geld im Ausland verdienen, können in der Schweiz die pauschale und extrem günstige Besteuerung nach der Wohnsitznahme in einem Schweizer Kanton beantragen.

Die Pauschalbesteuerung richtet sich nach dem Aufwand der jährlichen Lebenshaltungskosten des Steuerpflichtigen und beträgt mindestens das Fünffache des Mietzinses beziehungsweise des Eigenmietwerts der Wohnung oder des Hauses.

Gemäss den letzten Schätzungen kamen im Jahr 2004 rund 3600 Steuerpflichtige in den Genuss solcher Abkommen – 820 mehr als 1994.

Sie zahlten dem Bund 60 bis 90 Millionen, den Kantonen und Gemeinden zwischen 170 und 200 Mio. Franken Steuern.

Alle Versuche der politischen Linke, diese Praxis zu ändern, sind bisher gescheitert.

(ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

2 Wochen: Migros, Swiss Re, Swisscom, Credit Suisse

1 Woche: SRG, Novartis, SBB, Manor

2-4 Tage: sehr viele Unternehmen, darunter UBS, Coop, Ringier

Null oder 1 Tag: die meisten Unternehmen, darunter Denner, Roche, Ciba, Lonza

Im internationalen Vergleich hinkt die Schweiz aber immer noch hinter anderen Ländern her. Besonders grosszügig sind die skandinavischen Staaten (Dänemark: 10 Wochen, Schweden: mindestens 1 Monat).

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft