China sucht das ökologische Know-how der Schweiz
China investiert Milliarden in erneuerbare Energien und in Energie-Effizienz. Vom Boom sauberer Technologien (Cleantech) profitieren auch Schweizer Firmen: Immer mehr von ihnen drängen auf den riesigen und lukrativen chinesischen Markt.
Mitten in der Wüste entsteht ein neues Europa, ökologischer und nachhaltiger. Die Leitung dieses Projekts hat allerdings nicht etwa Brüssel, sondern die Schweiz, ein Land, das nicht zur Europäischen Union gehört.
«Es handelt sich um ein Projekt zur Entwicklung eines neuen Quartiers in Ordos, Verwaltungsstadt der inneren Mongolei im Norden Chinas», erklärt Diego Salmeron, Generaldirektor von LEP Consultants, einem Ableger der ETH Zürich, gegenüber swissinfo.ch.
Die Idee ist ehrgeizig, voll und ganz in chinesischer Manier. Inmitten einer Steppenlandschaft entsteht eine städtische Siedlung nach europäischer Bauart für 45’000 Personen.
«Es wird einen französischen, einen englischen, italienischen, deutschen und natürlich schweizerischen Kern geben», sagt Salmeron. Er hat in den vergangenen Monaten mit einem lokalen Partner einen Vertrag abgeschlossen.
«Wir sind mit der Ausarbeitung eines Vorkonzepts beauftragt worden, das den Städtebau sowie die Raumplanung umfasst.»
Ziel ist es, ein Quartier zu bauen, das in Sachen Energieversorgung nachhaltig ist. «Wir planen Gebäude mit Schweizer Minergie-Standard. Im deutschen Teil des Quartiers soll ein Solar- und Windpark entstehen.»
Der Cleantech-Markt wächst
Die Beratungsfirma LEP Consultants ist nicht das einzige Unternehmen, das nach China blickt. Gemäss der Plattform Cleantech Schweiz sind bereits 100 bis 150 Schweizer Unternehmen auf dem chinesischen Markt aktiv.
«In China ist der Cleantech-Sektor voll im Kommen», erklärt Rolf Häner, Geschäftsführer von Cleantech Schweiz. Peking habe rund 150 Mrd. Franken freigegeben, um die sauberen Technologien zu fördern.
Bereits heute ist China der Hauptproduzent von Windenergie, noch vor den Vereinigten Staaten. Auf der Liste der 10 grössten Solarzellen-Hersteller figurieren nach Angaben des Marktforschungsdienstes Bloomberg New Energy Finance sechs chinesische Firmen.
Dennoch versorgt sich der asiatische Gigant noch immer grösstenteils mit Kohle. Und viele seiner urbanen Zentren und Flüsse gehören weltweit zu den dreckigsten überhaupt. «Das Land braucht die ganze Bandbreite von Produkten, welche die helvetische Cleantech-Industrie liefern kann», so Häner.
So wies Cleantech Schweiz darauf hin, dass zum Beispiel der Geschäftsführer einer chinesischen Verbrennungsanlage vorhabe, mit einem Schweizer Unternehmen eine Partnerschaft zu schliessen, um «die Sortierungsprozesse und die Behandlung von Gasen zu verbessern». Und ein Unternehmen in Peking ist auf der Suche nach einer Schweizer Firma, die auf Bautechnologien spezialisiert ist.
Nach den Worten von Rolf Häner sind es Schweizer Unternehmen mit grösserem Potenzial, die «Lösungen für eine bessere Energieeffizienz» einreichen.
Die richtigen Kontakte
Zugang zum chinesischen Markt zu erlangen, ist jedoch nicht ganz einfach. «Das Wichtigste ist ein gutes Produkt, zudem braucht es ein breites Kontaktnetz, sei das mit der Regierung oder mit Privaten. Die Konkurrenz auf dem Markt ist extrem gross», betont Diego Salmeron.
«Und auch die Sprachbarriere muss überwunden, die auf allen Ebenen existiert», sagt Rolf Häner. Im weiteren müsse das eigene Projekt von den richtigen Referenzen begleitet werden. «Der Schlüssel zum Erfolg liegt in den Beziehungen mit den richtigen Partnern.
Deshalb unterstützt die 2010 gegründete Plattform Cleantech Schweiz mit ihren Experten kleinere und grössere Unternehmen, die sich auf den aufstrebenden Märkten wie China und Indien positionieren wollen.
Schritt für Schritt
Die Zahl der Schweizer Firmen in China dürfte in Zukunft steigen, möglicherweise sogar überproportional. «Sollte unser Konzept angenommen werden, können wir ein erstes Projekt umsetzen. In dieser Phase wird es wichtig sein, andere Schweizer Firmen an Bord zu holen, um einen speziellen Sektor zu versorgen. So können wir zum Zugpferd werden», sagt der Direktor von LEP Consultants.
In den Augen der Chinesen, so Dieog Salmeron, stehe die Marke Schweiz für Qualität und Zuverlässigkeit. Dennoch dürfe man jetzt nicht auf den Lorbeeren ausruhen. «Wenn sich die Schweiz an der Spitze der grünen Technologien positionieren will, müssen ökologische Projekte nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland gefördert werden.»
Unter dem Begriff Cleantech versteht man Technologien, Mechanismen, Güter und Dienstleistungen, die umweltschonend sind und Energieressourcen in nachhaltiger Art und Weise nutzen.
Es gibt zahlreiche Cleantech-Anwendungen: Kehrichtverarbeitung, Recycling, Wasseraufbereitung, Behandlung giftiger Emissionen, Altlastensanierung, Planung und Maschinenbau, Energie-Systeme, Energieerzeugung, Mobilität.
In der Schweiz arbeiten etwa 160’000 Personen im Bereich Cleantech. Er erreicht eine Wertschöpfung von rund 20 Mrd. Franken. Das sind rund 3,5% des Bruttoinland-Produkts (Daten von 2008).
38% der Schweizer Cleantech-Firmen verkaufen ihre Produkte und Dienstleistungen im Ausland.
Laut der Aussenhandels-Statistik betrafen zwischen 1996 und 2008 rund 15% der Schweizer Exporte den Cleantech-Sektor.
Rund 1,5% der weltweit verkauften Cleantech-Dienstleistungen stammen aus der Schweiz.
(Quelle: Cleantech Switzerland)
(Übertragung aus dem Italienischen: Gaby Ochsenbein)
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