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Cleantech: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Solarzellen auf Schweizer Hausdächern sind noch selten. Doch besteht eine grosse Nachfrage. Keystone

Die Schweiz hätte im Bereich der sauberen Technologien (Cleantech) einige Trümpfe auszuspielen. Mehrere Schweizer Unternehmen haben in diesem Wachstumssektor viel anzubieten. Doch vorher muss die verlorene Zeit aufgeholt werden.

«Allein 2008 sind in der Schweiz pro Million Einwohner 20 Patent-Anfragen im Bereich Cleantech deponiert worden», sagte Heinz Müller vom Institut für Geistiges Eigentum. Und diese Zahl nehme stetig zu.

Müller stellte Anfang Woche in Zürich den ersten «Swiss Cleantech Report» vor. International gesehen schneidet nur Deutschland mit 23 Patent-Anfragen pro Einwohner-Million besser ab.

Dem «Report» ist ausserdem zu entnehmen, dass die Schweizer Unternehmen im Durchschnitt 5 bis 7% ihres Investitionsvolumens in die Verbesserung der Energieeffizienz stecken, bis 12% in die Papier- und Elektromaschinen-Industrie und bis 48% in die Stromerzeugungs-Industrie. 

«2008 haben rund 160’000 Leute im Cleantech-Bereich gearbeitet, das sind  rund 4,5% aller Beschäftigten. Der Cleantech-Anteil am Bruttoinlandprodukt (BIP) beträgt etwa 3,5% respektive 20 Mrd. Franken,» sagte Eric Scheidegger, stellvertretender Direktor des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Damit übersteige Cleantech als Sektor sogar die Bedeutung der  Tourismus-Branche. 

Wachstumsmarkt

Der Cleantech-Bereich wird auch weiter wachsen. Laut einer Recherche von Bloomberg zu «New Energy Finance» haben 2010 die Investitionen in diesen Bereich im Jahresvergleich weltweit um 30% auf 243 Mrd. Dollar zugenommen. Bis 2020 könnte sich diese Summe verzehnfachen.

Die Schweiz gehöre zu den Klassenbesten in den Cleantech-Bereichen Pharma und Biotech. Sie könne sich dort, so Scheidegger, dank ihren Standort- und anderen Vorteilen auch künftig einen Platz an der Sonne reservieren.

In gewissen Bereichen weise die Schweiz bereits ein konsolidiertes Know-how auf, zum Beispiel in der Abfalltrennung, dem Recycling und dem Umgang mit Mikroverschmutzern.  

Vielversprechend sind auch die Bereiche Mini-Wasserkraftwerke, Wärmerückgewinnung, thermische und fotovoltaische Solarenergie.

Hoher Wirkungsgrad bei Fotovoltaik

Was die Solarenergie betrifft, können sich die Schweizer Unternehmen auf ein bekanntes Forschungsinstitut abstützen, besonders im Bereich der dünnen Solarzellen.

Das Fotovoltaik-Labor des Mikrotechnologie-Instituts in Neuenburg (PV-LAB) ist Teil der Eidg. Technischen Hochschule Lausanne, beschäftigt rund 60 Mitarbeitende und ist nicht nur schweiz-, sondern weltweit führend.

PV-LAB-Direktor Christophe Ballif sagt, dass noch vor einigen Jahren nur wenige auf die Zukunft der fotovoltaischen Energie gesetzt hätten. Seither habe man grosse Fortschritte gemacht, auch bezüglich Gesetzgebung. 

Deutschland etwa fördere die Sonnenenergie stark. «Bei jeder Verdoppelung des Volumens der Solarenergie fällt der Preis pro Einheit um 20%», so Ballif. Die Schweiz habe gute Karten in der Hand, weniger in den Massen- als in den Nischenmärkten.

Das Neuenburger Labor stehe auch hinter den Solarzellen der OC Oerlikon. Hergestellt aus amorphem Silizium wiesen sie einen hohen Wirkungsgrad von 20% auf. Deren Herstellung sei ziemlich delikat, weise dafür nur wenige Produktionsschritte aus.     

  

Das habe das Interesse einiger Industriegruppen wie der deutschen Roth & Rau geweckt, die in Neuenburg eine Filiale eröffnet habe, um auf Basis dieser Technologie eine neuen Produktionslinie zu eröffnen. Ziel ist die Herstellung von Solarzellen, deren Quadratmeter nur rund 200 Franken kosten soll.

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schweiz in diesem Bereich wertvolle Zeit verloren habe: «Die Schweiz ist ein Land, in dem früh aufgestanden, aber spät aufgewacht wird», hielt das Magazin L’Hebdo kürzlich in einem Cleantech-Artikel fest. 

Auch die Umweltministerin Doris Leuthard musste zugeben, dass die Schweiz nach einem vielversprechenden Start in den 1990er-Jahren stagniert habe. Aus unterschiedlichen Gründen: Kleiner Inlandmarkt, ungenügende politische Unterstützung…

«Wäre in der Schweiz diesselbe Fläche mit Solarzellen bestückt wie in Deutschland könnten wir ungefähr gleich viel Strom produzieren wie ein AKW», sagt Ballif. Die Schweiz hätte zwar alle Voraussetzungen dazu, nur habe man in den letzten Jahren geschlafen.

  

Und so versucht die Regierung, wieder Terrain gut zu machen. Anfang November hat sie den Branchenvertretern rund 50 Vorschläge unterbreitet. Daraus soll ein konkretes Solarprogramm entstehen.

Es gehe dabei weniger um Motivation als um Forschung, Wissens- und Technologietransfer und um Werbung für Solarenergie, sagt Scheidegger.    

Ein derartiger Katalog sollte dem Sektor Auftrieb geben. Aber werden die Ziele damit auch erreicht? Die Schweiz sollte 2020 wieder einen Spitzenplatz einnehmen. Doch ein leichter Zweifel bleibt berechtigt.

Denn vieles in diesem «Masterplan Cleantech» verbleibt auf der Stufe von guten Ratschlägen an die Kantone und die entsprechenden Wirtschafts- und Wissenschaftskreise. Falls es stimmt, dass es dabei auch um das liebe Geld geht, dürften die gemachten Vorschläge nur bedingt zum Erfolg beitragen.  

Saubere Technologien (Cleantech) erlauben die Reduktion von Ressourcen-Verbrauch und tragen zur Erhaltung der Natur bei.

Cleantech unterteilt sich in diverse Untersektoren, wie erneuerbare Energie, Energie-Effizienz, Energie-Speicherung, erneuerbare Materialien, Abfall-Bewirtschaftung, Wasser-Bewirtschaftung, Mobilität, Land- und Forstwirtschaft, etc.

Gemäss den Aussenhandels-Statistiken belief sich der Cleantech-Anteil am gesamten Exportvolumen der Schweiz zwischen 1996 und 2008 auf rund 15%.

Dieser Anteil war bis anhin höher als der allgemeine Anteil der Schweiz am Welthandel.

Seit Mitte der 1990er-Jahre ging dieser Anteil jedoch zurück, und zwar in sämtlichen Untersektoren des Cleantech-Bereichs ausser bei den Batterien.

Quelle: www.cleantech.admin.ch

(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)

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