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Das internationale Genf im Wandel

Jean Freymond, Autor des Berichts über das internationale Genf von morgen. swissinfo.ch

Laut Jean Freymond entwickeln die internationalen Organisationen neue Formen der Zusammenarbeit mit den NGO und dem Privatsektor.

Der Direktor des Zentrum für angewandte Studien in internationaler Verhandlungsführung (CASIN) glaubt, dass die Schweizer Behörden sich dieser neuen Realität bewusst sind. Ein Interview.

swissinfo: Jahrelang kamen Bern und Genf zu keiner Einigung darüber, wie das internationale Genf weiter entwickelt werden soll. Hat sich dies geändert?

Jean Freymond: Die Schweizer Regierung und die Genfer Behörden ziehen nun am gleichen Strick. Aber es gibt noch viel zu tun. Alle sind sich heute der Bedeutung bewusst, die das internationale Genf für die ganze Schweiz hat, und sie wissen, wie wichtig eine Zusammenarbeit ist. Aber wir stehen erst am Anfang des Prozesses.

swissinfo: Was muss getan werden, um diese Zusammenarbeit zwischen Bern und Genf zu fördern?

J.F.: Die betroffenen Parteien müssen ganz einfach lernen, zusammenzuarbeiten, auf transparente Weise zu kommunizieren und eine gemeinsame Sicht aufzubauen.

Denn es gibt noch immer unterschiedliche Ansichten über das internationale Genf. So wird diese Einheit in der Bundesverwaltung relativ eng definiert und ist auf die Rolle der Staaten in den internationalen Organisationen beschränkt.

Die Genfer Behörden dagegen haben eine umfassendere Sicht. Für sie gehören die Nichtregierungs-Organisationen (NGO), die internationalen Unternehmen und sogar die verschiedenen Immigranten-Gemeinschaften in der Region dazu.

swissinfo: Eines der heissen Dossiers des internationalen Genf betrifft den Standort des künftigen Menschenrechtsrats. Ist inzwischen sicher, dass er nach Genf kommt?

J.F.: Der Entscheid ist noch nicht definitiv gefallen. Aber nach allem, was uns zu Ohren gekommen ist, haben wir den Eindruck, dass Genf als Standort für diese Instanz gewählt wird, welche die Menschenrechts-Kommission ersetzen wird. (Diese kommt bisher jedes Jahr 6 Wochen lang in Genf zusammen).

swissinfo: Sie haben vor kurzem einen Bericht über das internationale Genf von morgen veröffentlicht. Gibt es noch ungenutzte Möglichkeiten zur Sicherung seiner Zukunft?

J.F.: Der Bericht ist das Protokoll eines Runden Tischs. Und da stellten die Teilnehmenden fest, dass Genf sich im Wandel befindet. Wir sehen also, dass das internationale Genf sich von unten her neu definiert.

Denn es gibt um jede internationale Organisation herum eine Reihe privater oder öffentlicher Organisationen, die neue Arbeitsweisen einführen, um ganz konkrete Probleme gezielt anzupacken. So ist Genf zum Beispiel zu einem weltweiten Zentrum für das Gesundheitswesen geworden.

Die politischen Entscheidungsträger müssen also das Auftreten dieser neuen Arten von Zusammenarbeit zwischen dem Privatsektor, den NGO, den Universitäten und den Staaten fördern und gute Rahmenbedingungen schaffen für die neuen Einheiten, die aus diesen Partnerschaften hervorgehen.

Der Entwurf des Bundesgesetzes über die Schweiz als Gaststaat berücksichtigt genau diese neuen Organisationsformen, und auch die Tatsache, dass für sie Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Der Entwurf befindet sich noch bis zum 20. April im Konsultationsverfahren.

swissinfo: Welche Bereiche könnten in Genf noch wachsen?

J.F.: Es wird immer deutlicher, dass die gegenwärtigen Herausforderungen in den Bereichen Gesundheit und Armut eine Zusammenarbeit der verschiedenen internationalen Organisationen bedingen. Genf hat den grossen Vorteil, dass es eine grosse Anzahl dieser Organisationen beherbergt.

So sagte mir zum Beispiel ein Grossbanker, dass zwei in Genf angesiedelte Organisationen einen direkten Einfluss auf den Finanzsektor haben: die Welthandels-Organisation (WTO) und die Internationale Fernmelde-Union (ITU).

Auf den ersten Blick scheinen diese beiden Organisationen nicht viel gemeinsam zu haben, ausser eben für einen Berufsmann wie diesen Banker.

Ich denke auch, dass die Fragen rund um Frieden und Abrüstung in Genf noch an Bedeutung gewinnen dürften. Ausserdem müsste eine Schnittstelle zwischen Genf und New York geschaffen werden.

Genf präsentiert sich als relativ diskreter Ort für Hintergrundarbeit, während New York eine sichtbarere und politischere Plattform ist. Das System der Vereinten Nationen braucht aber beide Zentren, um effizient arbeiten zu können. Genf und New York dürfen also nicht gegeneinander ausgespielt werden, denn die beiden Städte ergänzen sich.

Interview swissinfo: Frédéric Burnand in Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Im Entwurf des Bundesgesetzes über die Schweiz als Gaststaat wird vorgeschlagen, dass die Kategorien der Begünstigten neu definiert werden als «internationale Institutionen» und «quasi zwischenstaatliche Organisationen», die nicht direkt mit den Regierungen verbunden sind.

Im Entwurf werden auch «andere internationale Organe» erwähnt, die aus neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor hervorgegangen sind. Damit kann die Schweizer Regierung auf künftige Anforderungen eingehen.

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