Das Welterbe besteht nicht nur aus Denkmälern
Die Schweiz setzt sich diese Woche an einer UNESCO-Tagung in Südafrika für eine breitere Definition des Weltkultur- und Naturerbe-Begriffs ein.
Die UNESCO möchte die Welterbelisten ausserhalb von Europa erweitern, damit diese besser geschützt werden können.
Das Welterbe-Komitee, das neue Orte für die aus 799 Objekten bestehende Welterbeliste auswählt, ist der Ansicht, dass Europa darin überrepräsentiert ist, vor allem mit Denkmälern.
Um das zu korrigieren, konzentriert sich das Komitee mit einer neuen Strategie auf Regionen, die wenig oder keine Weltkulturerbe-Orte aufweisen oder industriell oder architektonisch interessante Beispiele bieten.
«Es gibt zu viele Weltkultur-Orte in Europa», sagt Johann Mürner vom Bundesamt für Kultur. «Schauen Sie sich die kulturelle Fülle von Ländern wie Italien, Frankreich oder Spanien an, und Sie verstehen warum.»
Der Ausschuss sucht neue Orte um herausragende Werte aufzuzeigen. Das heisst, die Respektierung der unterschiedlichen Kulturen und Regionen dieser Welt.
Keine zweite Chance
Für die Schweiz, welche eine Liste von fünf neuen Orten eingereicht hat, die einige dieser Kriterien erfüllen, ist es von grossem Interesse, dass diese Politik weiter geführt wird.
«Wir haben zum Beispiel die Bernina-Express-Eisenbahnlinie eingereicht und die Stadt La Chaux-de-Fonds – ein Beispiel für die Architektur des 19. Jahrhunderts – weil sie mit den vorgeschlagenen neuen Richtlinien übereinstimmen und nicht mit klassischen Monumenten», sagt Mürner gegenüber swissinfo.
Die Schweiz hatte ein weiteres Objekt für die Aufnahme in die Weltnaturerbe-Liste geplant. Die Glarner Haupt-Überschiebung in der Ostschweiz. Sie hätte einen wesentlichen Einblick in die alpine Geologie gestattet. Die Kandidatur wurde nach einem negativen Auswertungsrapport zurückgezogen.
«Sie haben nur eine Chance um auf die Liste zu gelangen», sagt Mürner weiter. «Denn wenn der Ausschuss ein Gesuch einmal abgelehnt hat, können Sie es vergessen, je wieder berücksichtigt zu werden.»
Die Schweiz prüft nun die Ergebnisse des Reportes und will alle festgestellten Mängel der Bewerbung beheben. Es scheint aber, dass nicht der Standort selbst das Problem ist sondern andere Sachen, die das Projekt aus dem Rennen geworfen haben.
«Wir müssen alle Probleme beheben, damit wir eine bessere Chance für die Hauptüberschiebung haben», sagt Mürner. «Wir müssen mit einem Management-Plan aufwarten, der mit dem ähnlicher sich auf der Liste befindlicher Regionen vergleichbar ist und die Qualität unserer Bewerbung verbessern.»
Auswirkungen
Für die Schweiz ist eine Aufnahme in die Welterbe-Liste nicht so wichtig wie für andere Länder, vor allem in der Dritten Welt. Die europäischen Staaten garantierten einen genügenden Schutz ihrer Kulturorte, ist Mürner überzeugt.
«Ein Platz auf der Liste ist vor allem für den Tourismus nützlich, um Kunden anzuziehen», fügte er hinzu.
Aber die Anstrengungen, auf eine Schutzliste zu kommen, kann auch einen anderen Nutzen bringen. Weil das Komitee vor seiner Entscheidung einen Management-Plan verlangt, zwingt es die Antragssteller dazu, sich vertieft mit dem Thema zu befassen.
«Die Bernina-Express Bahnlinie arbeitet an einem Konzept, das die Schutzwürdigkeit von Bahn und Landschaft aufzeigt», sagt Mürner gegenüber swissinfo.
«Ob es nun auf der Liste landet oder nicht, ist gar nicht so wichtig, weil wir nun ein komplettes Projekt haben, das uns in jeder Hinsicht nützlich sein kann.»
swissinfo, Capper Scott
(Übertragen aus dem Englischen: Etienne Strebel)
Die 6 UNO-Welterbestätten in der Schweiz:
die Altstadt von Bern
das Kloster St.Gallen
das Benediktinerkloster in Müstair im Engadin
die Burgen von Bellinzona
die Aletsch-Gletscher-Region
der Monte San Giorgio im Tessin
Auf der Warteliste:
Lavaux-Weinbauregion am Genfersee
Rhätische Bahn und die Kulturlandschaft der Albula-Bernina-Strecke
Bauten des Schweizer Architekten Le Corbusier
Stadtlandschaft von La Chaux-de-Fonds und Le Locle im Zusammenhang mit der Uhrenindustrie
Prähistorische Seeufersiedlungen der Pfahlbauer
42 neue Stätten sind für die Welterbeliste während der Session des Welterbe-Komitees in Durban, Südafrika, vorgeschlagen.
Das Komitee prüft 28 Kultur-, 10 Natur- und 4 gemischte Stätten, die von 44 Ländern präsentiert werden.
Geprüft werden auch die Stätten auf der Liste der bedrohten Welterbestätten. Diese befinden sich ernsthaft in Gefahr durch Chemikalien, Bergbau, Umweltverschmutzung oder Krieg.
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