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Davos – der lange Weg zurück zum Luftkurort

Während dem WEF ist der Lärmpegel höher als üblich. Keystone

Armee-Helikopter, Chauffeur-Limousinen, aufwändiges Sicherheits-Dispositiv: Auch während dem WEF erfüllt Davos die Kriterien für das Label Energiestadt.

Nun erhält die Metropole in den Bündner-Alpen als erste Schweizer Gemeinde ein umfassendes C02-Inventar.

Es war einmal ein international renommierter Luftkurort. Heute ist Davos eine Stadt in den Alpen, verstreut, mit Bausünden, aber ohne historisches Zentrum.

Während dem WEF sind die Geschäftsstrassen verstopft mit Lastwagen, Chauffeur-Limousinen und den Fahrzeugen von Bodyguards und Sicherheitskräften.

Beim Davoser-See starten und landen regelmässig mit VIP beladene Helikopter. Dennoch ist die Luftbelastung während dem WEF nicht nachweisbar höher als an anderen Tagen der Wintersaison.

Motoren laufen auch im Stand

«Die Temperatur spielt bei der Stickstoffoxid-Belastung die wichtigere Rolle, als die Immissionen», hält Gian Paul Calonder, Umwelt-Beauftragter der Landschaft Davos gegenüber swissinfo fest und untermauert seine Aussage mit offiziellen Messungen.

Klar ist, dass das WEF zusätzliche Verkehrs-Immissionen bringt. Trotzdem: Während dem WEF 05 lag die Luftbelastung in Davos deutlich unter den vom Bund festgelegten Grenzwerten. Dieses Jahr ist es kälter, die Belastung ist entsprechend höher.

Die Flotte der brandneuen Limousinen, welche als VIP-Transporter für den Hersteller werben, ist «mit der neusten Motortechnologie ausgestattet, also relativ schadstoffarm», so Calonder.

«Immissionen entstehen aber vor allem, weil die Motoren auch im Stand laufen, damit der Innenraum geheizt wird. Zudem fahren sie mehr oder weniger den ganzen Tag im Langsamverkehr die Stadt rauf und runter.»

Und die Helikopter? – «Natürlich stossen sie Unmengen Kohlendioxid (CO2) aus, aber die Belastung in der Jahresbilanz liegt in einem vertretbaren Rahmen. Lärmende Helikopter während dem WEF sind eher ein psychologisches Problem.»

Sahara – nicht Diesel

Grundsätzlich gehört Davos im schweizerischen Vergleich zu jenen Ortschaften, welche die Grenzwerte der Luftreinhaltung mehr oder weniger einhalten. Die Luftbelastung ist trotz Mehrverkehr seit 1995 regelmässig gesunken.

Calonder führt die Tendenz auf die Katalysatoren-Technologie bei den Personenwagen zurück. 1991 landete Davos zudem eine Offensive für den öffentlichen Verkehr. Mit Erfolg. 1991 beförderten die Davoser Busse noch 1,5 Mio. Passagiere. Mittlerweile sind es 5,5 Mio. jährlich.

Die Busse sind mit Katalysator und Partikelfilter ausgerüstet. Feinstaub ist hier kein Thema. Zweimal haben die Messstationen allerdings zuviel Feinstaub registriert. Schuld waren nicht Dieselmotoren, sondern der Wind, genauer Wüstenstaub aus der Sahara.

Erste Gemeinde mit CO2-Inventar

Davos verpflichtet sich als Energiestadt zu einer konsequenten Energiepolitik. Ziel ist die Reduktion des Kohlendioxid-Ausstosses und damit eine Umlagerung von fossilen auf erneuerbare Energien.

Mit dem Zweck, herauszufinden, wie viel CO2 im Grossraum Davos freigesetzt wird, läuft jetzt eine Studie. «Wir haben Zahlen zum Verkehr, über Energieverbrauch und Waldflächen. Nun geht es darum, den Ausstoss, aber auch das in den Wäldern und im Holz der Gebäude zwischengelagerte CO2 zu quantifizieren», begründet Veronika Stöckli, Leiterin der Abteilung Lebensraum Alpen am Schnee- und Lawinen-Forschungsinstitut, die Studie.

Davos wird im kommenden Sommer die erste Schweizer Gemeinde mit einem CO2-Inventar sein. «Es wird darum gehen, die Erkenntnisse in Lenkungs-Massnahmen umzusetzen.» Stöckli denkt an Holzheizungen anstelle von Ölheizungen, einen leistungsfähigeren öffentlichen Verkehr, aber auch an finanzielle Anreize für die Waldwirtschaft.

«Früher warf diese für die Gemeinden noch Geld ab. Heute ist sie ein Kostenfaktor. Waldbewirtschaftung kann wieder mehr werden, als ein wenig ‹Gartenbau› und anpflanzen.» Das würde bedeuten, dass das Holz aus den umliegenden Wäldern auf dem Bau und zum Heizen gewinnbringend genutzt werde. Stattdessen importiere die Holzbranche billiges Holz aus dem Ausland.

Der Bio-Effekt

«Ich kann mir vorstellen, dass die Konsumenten – ähnlich wie bei den Bio-Produkten – bereit sind, für inländisches, mit einem Qualitäts- und Ökologielabel ausgezeichnetes Holz etwas mehr zu bezahlen.»

Der Bauboom in Davos hält an und bringt weiteren Verkehr und Bedarf an Heizenergie ins Tal. Die Stadt hat auch ganz profane Interessen am Umweltschutz: «Luftkurort» als Marketing-Instrument setzt saubere Luft voraus.

swissinfo, Andreas Keiser, Davos

Davos liegt 1560 Meter über Meer.
Einwohner: 13’250
Betten in Hotels und Ferienwohnungen: 24’000
6500 Schweizer Soldaten bewachen das WEF zusammen mit der durch andere Kantone verstärkten Kantonspolizei Graubünden.

Das Label «Energiestadt» wurde von der Eidgenossenschaft ins Leben gerufen.

Es verpflichtet die Städte zu einer nachhaltigen kommunalen Energiepolitik.

Kriterien sind Raum-Ordnung, kommunale Gebäude, Versorgung und Entsorgung, Mobilität, Kooperation und Kommunikation.

Das CO2-Inventar für Davos ist ein Projekt der Gemeinde Davos, des Eidgenössischen Instituts für Schnee- und Lawinenforschung und der Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft.

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